Magazin | 02.03.2025 | 09:00

Erste Hilfe statt Tor: "Völlig selbstverständlich"

Fair-Play-Aktion: Philipp Fabrizius vom TuS Immekeppel sorgte für Aufsehen.[Foto: Foto: TuS Immekeppel]

Wie geht Fair Play wirklich? Philipp Fabrizius, Stürmer des TuS Immekeppel in der Kreisliga A Berg im Fußball-Verband Mittelrhein, hat die Antwort auf dem Platz gegeben. Anstatt ein Tor zu erzielen und das Spiel für seine Mannschaft zu entscheiden, hat sich der 30-Jährige spontan um seinen Gegenspieler gekümmert, der sich im Laufduell mit ihm verletzt hatte. Wie kam es zu dieser Aktion? Wie waren die Reaktionen? Und würde Fabrizius wieder so handeln?

Als die 92. Minute läuft, geschieht etwas Bemerkenswertes. Etwas Ungewöhnliches sogar, was eigentlich gewöhnlich sein sollte. Was normal, gar nicht erwähnenswert sein sollte. Der TuS Immekeppel führt in der Kreisliga A Berg gegen die Reserve des SSV Homburg Nümbrecht mit 1:0. Die Nachspielzeit läuft, das Duell ist aber noch nicht entschieden. Der SSV Homburg Nümbrecht drängt auf den Ausgleich, erarbeitet sich Chance um Chance. Aber plötzlich hat Immekeppels Philipp Fabrizius die Möglichkeit, das Aufeinandertreffen zu entscheiden. Der Angreifer tut es nicht, er tut es ganz bewusst nicht. Was ist passiert?

Gegenspieler verletzt sich im Laufduell

Fabrizius hat auf einmal die Gelegenheit, bei einem Konter alleine auf das gegnerische Tor zuzulaufen und das 2:0 erzielen zu können. Es wäre endgültig der Sieg in diesem brisanten Duell. Aber Fabrizius hat nur die Gelegenheit dazu nur, weil sich sein Gegenspieler Christian Radtke beim Laufduell verletzt. Er knickt um, stürzt zu Boden, schreit vor Schmerz. Statt für die Entscheidung zu sorgen, kümmert Fabrizius sich direkt um seinen Gegner. "Ohne diese Verletzung wäre ich niemals an den Ball gekommen. Ich hatte nur die Gelegenheit dazu, weil dies geschehen ist. Und ich wollte es nicht zu meinem Vorteil und auch nicht zum Vorteil meiner Mannschaft machen und auf diese Art und Weise ein Tor erzielen", erzählt Fabrizius.

Für dieses Verhalten ist der 30-Jährige durch den Fußball-Verband Mittelrhein mit der Fair-Play-Medaille ausgezeichnet worden. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass so eine Aktion eine Ehrung Wert ist. Für mich war das völlig selbstverständlich", sagt der Stürmer. "Als ich in dem Moment damals aus dem Augenwinkel wahrgenommen habe, dass sich mein Gegenspieler verletzt hatte, war für mich sofort klar, dass ich den Angriff nicht zu Ende spielen werde."

Gemischtes Feedback der Mitspieler

Fabrizius hat direkt im Anschluss unterschiedliches Feedback erhalten. "Einige Mitspieler und auch der eine oder andere Verantwortliche waren nicht glücklich über mein Verhalten. Sie hatten von mir erwartet, das 2:0 zu machen. Das hat mich schon überrascht", sagt Fabrizius im Rückblick. "Ich bin einfach nur froh, dass wir trotzdem die drei Punkte geholt haben. Ich möchte gar nicht wissen, wie die Reaktionen sonst ausgefallen wären. Aber letztlich ist mir das auch egal. Ich würde jederzeit wieder so handeln."

Die Verantwortlichen des SSV Homburg Nümbrecht, des Gegners an diesem Sonntagnachmittag also, informierten den FVM über das vorbildliche Verhalten Fabrizius` und schlugen ihn für die Fair-Play-Medaille vor: "Ich fand es wirklich einen tollen Schachzug von unserem Konkurrenten. Ich wusste gar nichts davon, bevor ich ein Schreiben bekommen habe, in dem ich über die Auszeichnung informiert wurde", sagt Fabrizius. "Vielen Dank nochmal an den SSV Homburg Nümbrecht. Ich weiß das wirklich zu schätzen."

"Gesundheit muss an erster Stelle stehen"

Auch innerhalb des eigenen Vereins ist aus der ersten Skepsis über das Verhalten des eigenen Spielers Stolz über dessen spontane Entscheidung geworden. "Ich bin froh, dass da ein Umdenken stattgefunden hat. Ich finde auch, dass das dringend nötig war", sagt Fabrizius. "Man darf nicht vergessen, dass wir in Kreisliga alle Fußball spielen, weil es unser Hobby ist. Die Gesundheit muss an erster Stelle stehen. Natürlich wollen wir alle gewinnen und gerne auch aufsteigen. Aber es gibt wirklich Wichtigeres. Zumindest sehe ich das so. Wir reden immer alle über Fair Play. Aber wir sollten es dann auch wirklich umsetzen."

Fabrizius startet am 9. März mit dem TuS Immekeppel in die zweite Saisonhälfte. Zum Start geht es für den Tabellenfünften gegen Drittletzten TuS Untereschbach. "Wir spielen wieder eine ordentliche Saison. Ich glaube nicht, dass es für ganz oben und damit für den Sprung in die Bezirksliga reichen wird. Unser Rückstand auf den Spitzenreiter SV Frielingsdorf beträgt bereits acht Punkte. Das ist vermutlich zu viel", sagt Fabrizius. "Aber der Aufstieg ist auch gar nicht unser erstes Ziel. Wir wollen in der Kreisliga A eine gute Rolle spielen. Das gelingt uns sehr gut."

Fabrizius hat als kleines Kind im Amateurfußball begonnen. Seitdem fasziniert ihn dieser Sport. Ein Leben ohne Fußball ist für ihn nicht vorstellbar: "Ich liebe die Gemeinschaft im Amateurfußball, das gemeinsame Bier nach dem Training in der Kabine, die Spiele am Wochenende. Und die Siege natürlich mehr als die Niederlagen. Aber auch die gehören zum Fußball dazu. Mir sind die vielen Freundschaft viel wichtiger, die in all den Jahren entstanden sind." Und auch Fair Play ist für ihn ein großes Thema. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Auch wenn es eng ist. Wenn es ums Gewinnen oder Verlieren geht. Das hat er bewiesen.