Magazin | 07.06.2025 | 09:45

Waltraud Hochbein: Pionierin an der Pfeife

Waltraud Hochbein als Schiedsrichterin: "Mich kannte jeder, da hieß es immer nur: 'Ach ja, die Hochbein!'"[Foto: TSV Markelsheim]

Sie will doch nur spielen! Als Waltraud Hochbein vor inzwischen 50 Jahren beim Württembergischen Fußball-Verband einen Antrag stellt, eine Fußballmannschaft der Damen zu gründen, lehnt der WFV das zunächst ab. Erst zwei Jahre später, 1977, dürfen die Kickerinnen des VfB Bad Mergentheim offiziell mit dem Spielbetrieb loslegen. Waltraud Hochbein aber will mehr, sie schleppt ihre Mitspielerinnen zu einem Schiedsrichterkurs.

Während nur wenige von ihnen danach auch tatsächlich zur Pfeife greifen und Spiele leiten, wird "Die Hochbein", so wie sie später genannt wird, zu einer Pionierin auf dem Platz. Im FUSSBALL.DE-INterview schildert die 79 Jahre alte pensionierte Altenpflegerin, was sie bis heute am Fußball und besonders am Schiedsrichterwesen fasziniert.

FUSSBALL.DE: Frau Hochbein, sind Sie immer noch regelmäßig auf dem Sportplatz anzutreffen?

Waltraud Hochbein: Selbstverständlich, das ist so geblieben. Allerdings ist die Saison ja jetzt vorbei, aber nach der Sommerpause werde ich mich wieder um meine Schützlinge kümmern.

Wer sind Ihre Schützlinge?

Hochbein: Zwei junge Schiedsrichter unter 18 Jahren, Elias und Tizian. Tizian ist allerdings zuletzt aus Verletzungsgründen ausgefallen. Ich begleite sie zu den Spielen, schreibe mir in mein Notizbuch, was mir auffällt und bespreche das dann mit ihnen.

Wie ist dann die Rückmeldung der Jungs?

Hochbein: Sehr positiv. Sie wissen, dass ich lange selbst gepfiffen habe und danach als Schiedsrichter-Beobachterin und Konfliktmoderatorin weiter dabeigeblieben bin. Ich denke, dass ich den jungen Leuten noch einiges mitgeben kann, sie können von der alten Frau sicher noch etwas lernen.

Dürfen die Nachwuchs-Schiedsrichter Sie "Oma" nennen?

Hochbein: Das sagen sie dann aber nur einmal. (lacht)

Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Hochbein: Mein großer Bruder Willi hat Fußball gespielt, und ich war als Kind oft mit auf dem Platz. Meistens habe ich hinter dem Tor gesessen und die Torhüter beobachtet. Das fand ich spannend! Selber gespielt habe ich damals nicht, aber meine Mutter konnte mich dadurch bestrafen, dass ich nicht auf den Fußballplatz durfte. Wir hatten aber eine Abmachung: Wenn ich auf dem Hof geholfen habe, durfte ich zum Sportplatz.

Selber gespielt haben Sie dann erst im Erwachsenenalter, richtig?

Hochbein: Ja, damals gab es ja bei uns im Ort keine Frauenfußball-Mannschaft. Also habe ich beim VfB Bad Mergentheim selber eine gegründet, kurz darauf kamen der SV Wachbach, TSV Weigersheim und FC Creglingen dazu. Da hatten wir wenigstens ein paar Gegnerinnen. Allerdings hatten die Herren zu der Zeit wenig Gespür dafür, dass Frauen nun auch Fußball spielen. Wir hatten einen Sponsor, der T-Shirts für uns angefertigt hat. Da stand "Die Milch macht’s" drauf. Das war vielleicht nicht böse gemeint, aber an Gedankenlosigkeit wohl kaum zu überbieten.

"Meine Mutter konnte mich dadurch bestrafen, dass ich nicht auf den Fußballplatz durfte"

Und wie war das mit dem Schiedsrichterkurs?

Hochbein: Ich habe die gesamte Mannschaft dahingeschleppt, weil ich wollte, dass wir die Regeln besser verstehen. Es ging mir darum zu wissen, warum was gepfiffen wird. Leider haben aber nur wenige meine Mitspielerinnen als Schiedsrichterin weitergemacht.

Im Gegensatz zu Ihnen!

Hochbein: Ja, als ich im Dezember 1977 meine Schiedsrichterprüfung absolviert habe, war ich damit die erste Frau im WFV. Mein erstes Spiel als Schiedsrichterin war dann 1978 in der C-Jugend. Dass ich Herrenmannschaften pfeifen durfte, musste vom WFV extra genehmigt werden, da es einfach ganz neu war, dass Frauen Fußballspiele pfeifen.

Wie waren denn die ersten Reaktionen bei den Herren?

Hochbein: Die haben sich amüsiert. (lacht) Als ich in die Kabine wollte, haben die Leute am Platz gesagt: "Halt, da kommt der Schiedsrichter rein." Die konnten sich gar nicht vorstellen, dass ich, eine Frau, das Spiel leite. Es kamen auch Sprüche wie: "Lasst heute mal die Ausdrücke weg, eine Frau pfeift!" Das war aber nur am Anfang so und ist recht schnell besser geworden.

Wie waren Sie denn als Schiedsrichterin?

Hochbein: Man kann sagen: resolut! Ich wusste mich durchzusetzen. Mein jüngerer Bruder Martin, der auch selbst Fußball gespielt hat und Schiedsrichter wurde, hat ein bisschen unter mir gelitten. Mich kannte jeder, da hieß es immer nur: "Ach ja, die Hochbein!"

Die Vorbehalte Ihnen gegenüber als Schiedsrichterin sind also verschwunden und der Respekt gewachsen?

Hochbein: Die größte Anerkennung habe ich damals von einer griechischen Mannschaft erhalten. Die konnten sich zunächst auch nicht vorstellen, dass eine Frau pfeift. Nach dem Spiel haben sie mich dann gefragt, ob ich sie nicht jede Woche pfeifen könnte. (lacht) Das ging natürlich nicht, die Schiedsrichter werden ja vom Verband oder vom Fußballkreis angesetzt und den Partien zugewiesen. Es gab auch Situationen, da waren nicht alle auf dem Platz einverstanden mit meinen Entscheidungen,

Erzählen Sie bitte!

Hochbein: Da ging es um einen Ersatzspieler, der in der Halbzeit zu mir gesagt hat: "Sie pfeifen klasse!" Dann kam er rein und hat sich ziemlich schnell sein erstes Foul geleistet. Da habe ich zu ihm gesagt: "Sie wissen schon, dass wir alle morgen wieder arbeiten müssen?" Nach dem nächsten Foul habe ich ihm die Gelbe Karte gezeigt. Wissen Sie, was dann kam? Er meinte: "Na ja, so gut pfeifen Sie doch nicht!"