Blindenfußball|26.02.2015|07:30

Wenn Profis orientierungslos ins Leere laufen

Björn Kopplin (1. FC Union) macht seine ersten Schritte als Blindenfußballer [Foto: imago]

Michael Parensen ist orientierungslos. Ein Ball rollt knapp neben dem 28-Jährigen vorbei, Parensen lässt ihn passieren. Ein Gegenspieler läuft sich frei, doch der Profi des 1. FC Union lässt ihn in seinem Rücken entwischen. In der 2. Bundesliga würde ihm diese Leistung eine Auswechslung einbringen, doch heute erntet er dafür Schulterklopfen. Heute spielen Michael Parensen und seine Mannschaftskameraden Björn Kopplin und Mohamed Amsif nicht in der 2. Bundesliga, sondern Blindenfußball mit Spielern des FC Viktoria 1889 Berlin.

Unter dem Motto „Wir wollen die Spiele!“ werben Profi- und Amateurklubs gemeinsam für die Ausrichtung der Olympischen Spiele und Paralympics in Berlin. Im Rahmen dieser Kampagne besuchten die drei Profis des 1. FC Union das Vereinsgelände des FC Viktoria 1889 und probierten sich im Blindenfußball. Nach einer halben Stunde Training und Ballgewöhnung kickten blinde und sehende Fußballer mit Augenmasken gemeinsam in gemischten Teams. „Es war eine tolle neue Erfahrung, die ruhig jeder sehende Spieler einmal machen sollte“, sagt Parensen, „da bekommt man hautnah gezeigt, wie schwer es ist, wenn plötzlich eine Sinneswahrnehmung fehlt.“

„Es war eine Erfahrung, die ruhig jeder sehende Spieler einmal machen sollte“

Blindenfußball ist der einzige Sport, bei dem blinde Menschen frei laufen – ohne Stock, Führhund oder Begleitperson. Man orientiert sich mit Hilfe akustischer Signale. Im Ball sind Rasseln, zudem steuern Torwart, Trainer und Torguide hinter dem gegnerischen Tor die Spieler durch Rufe. Für Anfänger ist dies eine große Herausforderung. „Als Sehender ist man anfangs völlig orientierungslos“, sagt Viktorias Blindenfußball-Trainer Moritz Klotz, dessen Team in der Blindenfußball-Bundesliga spielt.

Auch Michael Parensen & Co. machten die Erfahrung, dass man mit verbundenen Augen gegen die routinierten Blindenfußballcracks keine Chance hat – Zweitligaprofi hin oder her. „Immer dann, wenn ich dachte, ich wüsste jetzt, wo der Ball ist, waren die Jungs vom FC Viktoria schon wieder an mir vorbei“, sagte der Mittelfeldspieler hinterher und Keeper Mohamed Amsif hatte seine liebe Mühe, die Schüsse der Viktoria-Spieler zu parieren: „Dass sie aus dem Stand so hart und platziert schießen können, hätte ich nie gedacht“.

Auch die Hertha war schon da

Trotzdem ist Klotz voll des Lobes über seine Trainingsgäste. „Sie haben sich besser angestellt als die Herthaner Axel Kruse und Sandro Wagner, die vor einiger Zeit hier waren“, sagt er mit einem Augenzwinkern und fügt hinzu: „Ernsthaft, man hat gemerkt, dass es ihnen Spaß gemacht hat - genauso wie meinen Spielern, die sich gefreut haben mit Unionern zusammenspielen zu können."

Schon seit 2008 wird beim FC Viktoria 1889 bzw. dessen Vorläuferverein LFC Berlin Blindenfußball gespielt. Seit drei Jahren tritt das Team in einer Spielgemeinschaft mit Eintracht Braunschweig in der Blindenfußball-Bundesliga an. Zuschauer sind immer wieder überrascht von den dynamischen Zweikämpfen, präzisen Schüssen und filigranen Dribblings. „Das Niveau in der Liga nimmt von Jahr zu Jahr zu“, sagt Trainer Moritz Klotz, der gleichzeitig noch die U 15 von Viktoria trainiert und als Kindersport-Trainer selbstständig ist.

Viktoria ist ein Verein für alle. Ob mit Handicap oder ohne, jung oder alt, Mann oder Frau – hier findet jeder eine passende Mannschaft. Insgesamt 82 Teams hat der Club aktuell im Spielbetrieb gemeldet, 68 davon im Nachwuchs. Die 1. Herren spielen in der Regionalliga Nordost und sind amtierender Berliner Pokalsieger.

Blindenfußball haben sie allerdings noch nicht ausprobiert. „Jetzt hatten wir Herthaner und Unioner hier – wird Zeit, dass auch einmal ein paar Viktorianer vorbei kommen“, sagt Klotz. Eine gemeinsame Trainingseinheit sei bereits avisiert. Denn wie Michael Parensen sagt: Eine Erfahrung, die ruhig jeder sehende Spieler einmal machen sollte...