Schwergewicht aus Gelsenkirchen |06.07.2015|16:00

Boxer Pianeta: Kreisliga-Stürmer kämpft um WM

Kämpft als Profiboxer und ist Vorsitzender bei Grün-Weiß Heßler: Francesco Pianeta. [Foto: Imago; Buschmann / Collage: FUSSBALL.DE]

Er hat schon gegen Wladimir Klitschko geboxt und an diesem Samstag, 11. Juli, fordert er WBA-Weltmeister Ruslan „White Tyson“ Chagaev zum Kampf um den Titel im Schwergewicht heraus: Francesco Pianeta, 30 Jahre alt, in Kalabrien im Süden Italiens geboren und als Kind ins Ruhrgebiet gezogen, kennt im Ring keine Verwandten, das bringt dieser Sport der starken Männer mit sich. Auf dem Fußballplatz ist der 1,92 Meter große und 110 Kilo schwere Muskelprotz ganz sanft.

Pianeta lebt mit seiner Familie in Gelsenkirchen, als kleiner Junge ging er selbstverständlich kicken. Hessler 06, VfB Gelsenkirchen und Grün-Weiß Heßler waren seine Vereine in der Jugend, „ich hatte nicht viel Talent, mein Bruder Giorgio war besser, aber ich war schon immer sehr ehrgeizig“.

Mit 14 fing er an zu boxen, beim BC Erle. Inspiration war, wie für so viele Boxer: „Rocky“. Pianeta brachte nur seinen großen Willen mit in den Ring. „Zum ersten Training bin ich mit kaputten Schuhen gegangen, Handschuhe hatte ich natürlich auch keine. Nach der Stunde waren meine Hände aufgerissen, alles tat weh und ich hatte eine Woche Muskelkater. Ans Aufhören habe ich aber keine Sekunde gedacht“, erinnert sich Pianeta.

Karriere stand auf dem Spiel

"Es ist noch nicht vorgekommen, dass sich einer getraut hätte mich umzugrätschen oder verbal zu provozieren"

Er boxte sich im wahrsten Sinne des Wortes durch. Bis heute ist die Karriere des Familienvaters, der seit Anfang dieses Jahres neben der italienischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, von Höhen und Tiefen durchzogen. Seit 2005 ist Pianeta Profiboxer, anfangs für den berühmten Sauerland-Stall und seit 2011 bei SES in Magedburg, wo auch am 11. Juli der Kampf gegen Chagaev stattfindet.

Dass er es einmal so weit bringen würde, vor Millionen Zuschauern an den Fernsehern (Liveübertragung auf SAT.1) und Tausenden in der GETEC-Arena zu kämpfen, war vor sechs Jahren überhaupt nicht abzusehen. Pianeta erkrankte an Hodenkrebs, nicht nur seine Karriere stand auf dem Spiel. „Das war eine sehr schwere Zeit, auch wenn ich wusste, dass ich wieder gesund werden würde“, berichtet Pianeta von acht Monaten mit Chemotherapie und körperlichen wie seelischen Qualen.

Der Zusammenhalt in der Familie und der Glaube führten die Kämpfernatur aus der Lebenskrise. „So Gott will“, sagt Pianeta vor jedem dritten Satz, auch wenn er an einen möglichen Sieg im WM-Kampf gegen den Titelverteidiger Chagaev denkt. „Er ist der Favorit, aber kein Mensch ist unbesiegbar“, sagt Pianeta, „so Gott will, werde ich ihn schlagen.“

Seit Anfang Mai läft nun die intensive Vorbereitung auf den Kampf gegen Chagaev. In Halle an der Saale läuft das Sparring, einer seiner Partner ist der Deutsch-Türke Firat Arslan, der ein ähnlicher Boxer ist wie Chagaev. In München trainiert Pianeta mit Fitmacher Alfred Segerer Kondition und Athletik und nur gelegentlich reicht die Zeit, um am Wochenende nach Hause zu fahren.

Um dann wenigstens etwas Zeit für die Familie zu haben, lässt Pianeta seine zweite Leidenschaft, den Fußball, momentan ruhen. Der 30-Jährige ist schließlich bei seinem Heimatklub Grün-Weiß Heßler erster Vorsitzender und Stürmer in Personalunion. Beim Treffen mit FUSSBALL.DE im Jahnstadion, wo der Profiboxer 200-Meter-Läufe trainiert, hat Pianeta daher nicht nur seinen Sohn Luciano dabei, sondern auch Kumpel Francesco Iacino. Der kann zwar nicht boxen, aber ganz gut kicken und ist Trainer des B-Ligisten. Das erste, was Pianeta macht: Dosen und Flaschen von der Tribüne aufsammeln, die Leute am Vorabend einfach haben stehen lassen. „Unmöglich“, schimpft er, und dieser kleine Akt des Saubermachens sagt viel über seinen Charakter aus.

Der kleinere Klub im Stadtteil im Gelsenkirchener Westen hat nur drei Mannschaften, neben der ersten und zweiten eine Altherren-Truppe. Pianeta will seine Prominenz nutzen, um hier etwas aufzubauen und in seinem Schlepptau neue Sponsoren zu gewinnen: „Das Amt kostet viele Nerven, denn wir müssen hier mal gründlich aufräumen. Das packe ich aber erst nach dem Kampf gegen Chagaev und dem anschließenden Urlaub an.“

Strengt er sich danach auch im Training an, will ihn sein Landsmann gerne wieder in seiner Abwehr aufstellen. „Allein von seiner Erscheinung her, sorgt Francesco bei den Gegnern natürlich für viel Respekt“, weiß Iacino und Pianeta bestätigt: „Es ist noch nicht vorgekommen, dass sich einer getraut hat, mich umzugrätschen oder verbal zu provozieren. Dabei bin ich sehr friedfertig und oft Schlichter, wenn es auf dem Platz zu heiß hergeht.“

Das Ziel: Kreisliga A

Mit den Grün-Weißen aus Heßler reichte es in der abgelaufenen Saison nur für Platz fünf, deutlich abgeschlagen hinter Meister Rot-Weiß Wacker Bismarck und dem zweiten Aufsteiger Adler Feldmark. In der neuen Serie will der 1921 gegründete Verein weiter oben angreifen und im besten Fall ab 2016 mit dem Nachbarn SV Hessler 06 in einer Liga spielen.

Mit einem WM-Titel in der Tasche wäre der Weg für Pianeta und seine Grün-Weißen sehr viel leichter.