Unsere Amateure sind Europameister!
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Sie sind Amateure, mussten aber kämpfen wie die Profis! 18 Sportstudenten der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und ihr dreiköpfiges Betreuerteam rund um Cheftrainer und Sportwissenschaftler Adam Frytz haben die Sensation geschafft. Sie gewannen die 11. Fußball-Europameisterschaft der Hochschulen, die bei hochsommerlichen Temperaturen im kroatischen Osijek stattfand.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft legte im vergangenen Jahr unter der glühenden Sonne Brasiliens vor, der deutsche Amateurfußball – genauer gesagt die Hochschulmannschaft der Ruhr-Universität Bochum – zog nun nach. Das bewiesen die Studenten mit dem Gewinn des bedeutendsten Titels im Bereich des Hochschul-Vereinsfußballs eindrucksvoll. Denn im Gegensatz zu Studierenden-Weltmeisterschaften und Universiaden werden bei der Hochschul-Europameisterschaft keine Nationalteams gebildet, sondern die Aktiven treten in ihren Hochschulteams an.
"Dann hat es zum Glück klick gemacht"
Als Deutscher Hochschulmeister 2014 qualifizierte sich das Bochumer Team im vergangenen Jahr für die Europameisterschaft und trat mit einer eher abwartenden Haltung die Reise vom Flughafen Köln/Bonn nach Kroatien an. „Wir wünschen uns sehr, der RUB zum 50. Geburtstag den Europameister-Titel zu schenken“, so Adam Frytz. „Schauen wir mal, was möglich ist!“ Möglich war vieles, wie sich nur acht Tage später herausstellen sollte.
Die Bedingungen, welche die Auswahl der Ruhr-Uni Bochum kurz nach der Ankunft in Osijek vorfand, verlangte ihnen Professionalität und höchste Disziplin ab. Nach der Akkreditierung beim Veranstalter, der European University Sports Association (EUSA), ging es per Bustransfer zum Studentenwohnheim, in dem die 14 teilnehmenden Teams während des Turniers in 2er-Zimmern untergebracht waren. Kein Campo Bahia, keine Klimaanlage, ein holpriger Spieluntergrund – nichts konnte die Bochumer Mannschaft vom Titelgewinn abbringen, wie es im Nachhinein scheint.
7:0 im Auftaktspiel
Auf ein 7:0 im ersten Vorrundenspiel gegen die Åbo Akademi Universität aus Finnland folgte jedoch ein ernüchterndes 0:3 gegen die russische Kuban State University. Da es die Bochumer in der Vorrunde aber nur mit zwei Gegnern zu tun hatten, reichte das dennoch für den Einzug ins Viertelfinale. Die Niederlage gegen die Russen war vielleicht notwendig. „Dann hat es zum Glück klick gemacht“, so RUB-Spieler Sebastian Sommer. Im Viertelfinale trafen die Bochumer dann auf die türkische Auswahl der University of Pamukkale. Nachdem in der regulären Spielzeit und der Verlängerung keine Tore fielen, kam es zum Elfmeterschießen, das die Bochumer mit 6:5 für sich entschieden und ins Halbfinale einzogen. Auch hier kamen die Spieler um Kapitän Christian Mengert gegen die Université de Franche-Comté nach 120 Minuten nicht über ein Unentschieden (2:2) hinaus, waren den Franzosen im Elfmeterschießen aber überlegen und gewannen das Spiel mit 6:3 nach Elfmeterschießen.
Vier Spiele in nur fünf Tagen bei durchschnittlichen 36 Grad – „eine enorme Belastung, die wir mit viel Teamgeist und professioneller Arbeit gemeistert haben“, wie Co-Trainer Alexander Kaczorek erklärt. Den 18-köpfigen Kader bestehend aus Spielern im Alter von 18 bis 28 Jahren, die neben ihrem Sportstudium an der Ruhr-Universität Bochum für Amateurvereine aus der Landes-, Westfalen-, Ober- und Regionalliga auflaufen, beschreibt er weiter als „eine bunte Tüte an Spielern“. Dass sich die vielfältige Auswahl an Spielern neben unregelmäßigen Trainingseinheiten nur zweimal jährlich bei Turnieren um die Deutsche Meisterschaft zum Fußballspielen trifft, erleichtert das Zusammenspiel nicht. Noch dazu befanden sich die Spieler im Moment der Abreise in ihren Vereinen mitten in der Saisonvorbereitung, so dass es nicht einen Spieler gab, der topfit war.
Umso wichtiger war es den beiden Trainern, möglichst schnell ein funktionierendes Team mit einer gemeinsamen Philosophie zu formen. Dass die Spieler selbst „mega Bock“ auf die Erfahrung hatten, erleichterte die Arbeit der Trainer erheblich. So verbrachten die 21 Männer in Kroatien jede Minute zusammen – sei es beim gemeinsamen Essen mit den anderen Nationen, bei der Unterstützung der Frauenteams, welches zur selben Zeit um den Europameistertitel kämpfte, oder bei proaktiven Einheiten am Abend. So konnten sich die Spieler nicht nur innerhalb des eigenen Teams besser kennenlernen, auch knüpften sie Kontakte zu den anderen Nationen, wobei sich neben all der sportlichen Konkurrenz in der kurzen Zeit sogar Freundschaften bildeten. Daneben stimmten Frytz und Kaczorek ihre Spieler u.a. mit Videoanalysen auf ihr Spiel und ihre Gegner ein. An der Tatsache, dass die Spieler die extreme Belastung ohne jegliche Verletzung überstanden, hat Physiotherapeut Christoph Krabbe, der von morgens bis abends mit den Spielern zusammenarbeitete, den wohl größten Anteil. „Ohne ihn wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen“, so die beiden Trainer einstimmig.
Kraftakt im Finale
Der Kraftakt ging nur einen Tag nach dem Halbfinale im Endspiel weiter, wo es abermals zum Aufeinandertreffen mit der Auswahl der russischen Kuban State University kam. Durch die Niederlage in der Vorrunde ließ sich die RUB-Auswahl aber nicht einschüchtern. Bereits nach dem Halbfinale hatten sie einen Schlachtruf kreiert. „Gib uns die Finnen, gib uns die Türken. Unsere Gegner sind uns doch egal. Und auch die Russen, wollen wir noch einmal. Ruhr-Uni Bochum International, Europapokal, Europapokal.“ Und so kam es auch. Zwar wollte nach 120 Minuten erneut kein Treffer fallen, im Elfmeterschießen waren die Spieler der RUB aber erneut nicht zu schlagen und gewannen gegen die favorisierten Russen mit 4:2 nach Elfmeterschießen.
Spieler und Trainer fielen sich in die Arme. Cheftrainer Adam Frytz sprach sogar vom „Wunder von Osijek“, hatten seine Spieler nur Minuten zuvor eine Mannschaft im Drittliga-Format geschlagen. Zudem besitzt der Hochschulsport in anderen Teilnehmernationen wie Spanien, der Türkei und besonders Russland einen vollkommen anderen, nämlich sehr viel höheren Stellenwert. Dort geht es viel professioneller zu. Die Auswahl aus Russland nimmt beispielsweise am Ligabetrieb teil und wird von zahlreichen Sponsoren unterstützt, welche die Mannschaft sogar nach Osijek begleiteten.
Nach der Pokalübergabe, einer La Ola und Siegerfotos sollte die große Feier zunächst allerdings ausbleiben. Ein Teil der Mannschaft musste schon wenige Stunden nach dem Abpfiff zum Flughafen aufbrechen. Die Pokalsause wurde auf heimischem Bochumer Boden aber bereits nachgeholt – und zwar in höchster Intensität. Das hat sich die Auswahl aus Bochum mehr als verdient. Denn die Amateure der RUB-Hochschulmannschaft haben hart gekämpft und den EM-Pokal verdient nach Deutschland ins Ruhrgebiet geholt. Sie haben nicht nur die Ruhr-Universität Bochum international bestmöglich vertreten, sondern auch den deutschen Amateur- und Hochschulfußball vielfältig, emotional und authentisch präsentiert. Sowohl auf und neben dem Platz haben sie ihm ein sympathisches und erfolgreiches Gesicht gegeben, was sie durch die gleichzeitige Qualifikation für die Europa Games im kommenden Jahr in Zagreb und Rijeka weiterführen können.
Fünf Spiele in nur sechs Tagen bei 36 Grad – und die deutsche Tugend des Elfmeterschießens beherrschen sie auch wie das Einmaleins: Unsere Amateure - eben echte Profis!