1.200 Zuschauer: Der ganz besondere A-Ligist!
Haben viel Spaß zusammen: Die Kicker des SV Rot-Weiß Wittlich. [Foto: Gassen, privat / Collage: FUSSBALL.DE]
Sind es jetzt Spieler aus 18 oder gar 19 Nationen, die in seinem Club vereint sind? „Puh. Ehrlich gesagt habe ich irgendwann aufgehört zu zählen“, bekennt Tamer Yigit. Der 43-Jährige mit türkischen Wurzeln und deutschem Pass ist als Vorsitzender der Macher beim SV Rot-Weiß Wittlich, dessen erste Mannschaft gerade den Meistertitel in der Rheinland-Kreisliga A Mosel knapp verpasst hat – und das ausgerechnet im Hit am vorletzten Spieltag gegen den großen Stadtrivalen SG Wittlich/Lüxem.
Ein beim 2:1 für die Spielgemeinschaft bis zum Ende hartumkämpftes Match, umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, grenzenloser Jubel auf der einen, bittere Tränen auf der anderen Seite, noch dazu ein mit 1.200 Zuschauern ausverkauftes Haus (!) auf der Lüxemer Sportanlage am Grünewald: Das Derby hatte allerhand zu bieten.
"Eigentlich hätte Rot-Weiss es auch verdient, aufzusteigen. Es kann aber halt nur einen Meister geben"
„Eigentlich hätte Rot-Weiss es auch verdient, aufzusteigen. Es kann aber halt nur einen Meister geben“, gibt SG-Trainer Markus Schwind zu. „Wir sind sehr traurig, stehen aber auf und werden in der neuen Saison den nächsten Angriff Richtung Bezirksliga starten“, betont Coach Fatih Sözen. Der 35-Jährige wurde unter anderem in der Jugend der TuS Koblenz und des 1. FSV Mainz 05 ausgebildet, trainierte später unter Jürgen Klopp („Einfach ein geiler Typ. Wie er eine Truppe pushen kann, ist sensationell.“) und wechselte vor der Saison mit seinem Bruder Burak von Rheinlandligaabsteiger SG Bad Breisig zum A-Kreisligisten SV Rot-Weiss. „Das ist ein besonderer Verein. Tamer Yigit kümmert sich rührend um die Jungs hier. Einige holt er sogar von der Straße, zeigt ihnen Perspektiven auf oder hilft ihnen bei der Jobsuche“, berichtet Fatih Sözen, der genauso wie sein aus dem Kongo stammender Spielertrainer Rodalec Souza (41; einst unter anderem bei Nachbar FSV Salmrohr in der Regionalliga aktiv) auch noch fleißig auf dem Platz wirbelt.
Vorsitzender Yigit, der im 40 Kilometer entfernten Trier eine mittelständische Baufirma leitet, kam vor rund 15 Jahren zunächst als Spielertrainer zum Verein, der bis vergangenen Sommer noch den Zusatz „Türkgücü“ trug. Schritt für Schritt arbeitete er mit Nachdruck auch an der Außendarstellung – mit Erfolg. Der Verein hat eine immense Zugkraft und der Gesamtkader der ersten und der gerade in der Kreisliga CI Mosel Meister gewordenen zweiten Mannschaft umfasst inzwischen knapp 70 Aktive. „Wir haben unter anderem Rumänen, Bulgaren, Usbeken, Kongolesen, Albaner, natürlich Türken und Deutsche – und seit Winter sogar auch sechs Brasilianer“, startet Yigit seine Aufzählung.
Die Zuckerhut-Kicker lotste der bestens vernetzte Clubchef in die Säubrennerstadt, nachdem er davon erfuhr, dass sie an der Universität in Trier zumindest bis Jahresende einen Sprachkurs belegen. „Das Türkgücü in unserem Namen wurde einfach der tatsächlichen Entwicklung nicht mehr gerecht. Wir sind ein internationaler Verein und für alle da. Wer bei uns ist, will nicht mehr weg“, streicht Yigit heraus. Viele Akteure leben schon länger in Deutschland, andere lernen die Sprache schnell – Kommunikationsprobleme gibt es keine. Und das auch dank zahlreicher Freizeitaktivitäten. Im Winter geht's sogar ins gemeinsame Trainingslager in der Türkei.
Das Verhältnis zum Stadtnachbarn SG Wittlich, mit dem man sich auch die Anlagen am Sportzentrum teilt, ist bei aller Rivalität gut. Das bestätigt auch SG-Vorstand Jörg Ehlen: „Beide Seiten schätzen die Arbeit des jeweils anderen. Wir haben keinerlei Berührungsängste.“ Einige Jugendspieler werden etwa auch bei der (Jugend-)Spielgemeinschaft Wittlich ausgebildet und wechseln dann zu Rot-Weiss.
Einige bei der Spielgemeinschaft drücken dem Kontrahenten insgeheim schon die Daumen, dass er kommende Saison nachzieht und ebenfalls in die Bezirksliga aufsteigt. Dann wäre sicher die nächste Rekordkulisse im 19.000-Einwohner-Städtchen zwischen Eifel und Mosel fällig.