Interview|29.06.2017|16:42

Sabine Loderer über Mädchen-Talenförderung

BFV-Verbandstrainerin und lizenzierte Fußballlehrerin Sabine Loderer [Foto: 2013 Getty Images]

Die Talentförderung der Junioren hat eine jahrzehntelange Tradition. Auswahlteams, Talentstützpunkte, Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten etc. Bei den Mädchen fällt das alles noch eine Nummer kleiner aus - schon aufgrund der unterschiedlichen Anzahl der fußballspielenden Jungs und Mädchen. Aber ist die Talentförderung bei den Mädchen deswegen schlechter, weniger professionell? Wie werden Mädchen aktuell gefördert? Ergibt es überhaupt Sinn, das Fördersystem der Jungs Eins-zu-Eins zu kopieren? In einer kleinen Experten-Interviewserie beleuchten wir das Thema. Zum Abschluss spricht nun BFV-Verbandstrainerin Sabine Loderer über Spitzentalentförderung bei den Mädchen. Die Arbeit mit und für die toptalentierten Mädchen ist ihr tägliches Geschäft.

Sabine, Du arbeitest tagtäglich mit den bayerischen Top-Talenten und an den Konzepten zu deren Förderung. Dürfen wir uns in Zukunft in Deutschland auf viele Titel bei den Frauen und Mädchen freuen?

Sabine Loderer: Das wäre natürlich super. In der Tat haben wir einige vielversprechende junge Talente, denen der Sprung in die Spitze des Frauenfußballs zuzutrauen ist. Bekanntlich spielen da neben Talent aber auch viele weitere Faktoren eine Rolle. Wir haben in den letzten Jahren durch die gute Vernetzung mit den Juniorenvereinen eine Basis geschaffen, die diese künftigen Erfolge wahrscheinlicher macht. Besonders freut mich, dass auch unser einziger Erstligist in Bayern mittlerweile dem eigenen Nachwuchs und den Talenten aus Bayern eine Chance gibt, sich zu beweisen.

Kannst du die Arbeit und Förderung der Mädchen grob skizzieren?

Loderer: Für uns Verbandstrainer fängt die Arbeit ja mit den U13-Talenten an. Wir "empfangen" sie quasi erstmals bei uns und auf dem für viele neuen Niveau. Das heißt: Die Mädels, die zu uns kommen, haben allesamt ihr Talent unter Beweis gestellt. Viele ragen im Vergleich zu anderen Mädchen innerhalb der eigenen Region heraus. Ein Talent, das im Training im Verein oder auf der regionalen Ebene nicht 100% geben muss, weil weniger reicht, wird am Ende nicht in der Spitze ankommen! Bei uns lernen die Mädels, dass es aber einige andere gleichaltrige Spielerinnen mit ähnlichem Talent gibt und dass sie sich strecken müssen, um auf Topniveau weiter eine Rolle zu spielen. Darüber hinaus geht es darum, die Toptalente frühzeitig kennenzulernen, ihnen individuelle Möglichkeiten aufzuzeigen, aber auch zu vermitteln, dass es mit Talent alleine schwer wird. Neben der Förderung bei zentralen Bayernauswahlmaßnahmen führen wir viele Gespräche, auch mit den Verantwortlichen der Heimatvereine. Es geht um Motivation, aber auch eine realistische Einschätzung. In den Folgejahrgängen geht es darum, auf der geschaffenen Basis gemeinsam mit den Vereinen unsere Talente so zu fördern, dass ihnen der Sprung in die Kader der U-Nationalmannschaften gelingen kann.

Das ist dann die individuelle Förderung, von der auch die bisherigen Experten in unserer Serie gesprochen haben.

Loderer: Genau! Es gibt nicht den einen besten Weg für alle, sondern immer den einen besten Weg für ein Talent. Die Rahmenbedingungen für die Mädchen sind alle höchst unterschiedlich. Da gibt es viele persönliche Faktoren, die den Werdegang beeinflussen. Entscheidend ist, welche sportlichen Optionen sich heimatnah bieten und entsprechend muss das Talent beraten werden.

Wie findet ihr den besten Weg?

Loderer: Da sind wie gesagt viele Gespräche nötig. Natürlich haben wir mittlerweile viele Erfahrungswerte, ein gutes Netzwerk mit den Juniorenvereinen und Strukturen, auf die wir zurückgreifen können. Da haben Fritzy Kromp (Anm. d. Red.: BFV-Verbandstrainerin) und Silke Raml (Anm. d. Red.: BFV-Vizepräsidentin) seit vielen Jahren Pionierarbeit geleistet. Für uns als Verbandstrainerinnen geht es darum, die Möglichkeiten abzuklopfen und gemeinsam mit den Vereinen für jede Auswahlspielerin die individuell bestmögliche Basis für eine optimale Talententwicklung zu schaffen. In den jungen Jahrgängen ist hier viel Arbeit zu leisten, nachdem die Spielerinnen in den Bayernauswahlkadern aus zig verschiedenen Vereinen kommen. Eine Top-Möglichkeit ist es, ein Mädchen direkt in einem BFV-Nachwuchsleistungszentrum der Junioren unterzubringen. Aber auch wenn sich diese Option nicht angeboten hat, haben wir bisher immer eine gute Lösung für die Spielerinnen gefunden. Eine große Rolle spielt auch die Vernetzung über unsere Regionalauswahltrainer mit den Stützpunktkoordinatoren, die es uns in Bayern ermöglicht, jede Auswahlspielerin auch in einen DFB-Stützpunkt zu integrieren. Da sind wir einigen anderen Landesverbänden eine Nasenlänge voraus. Darüber hinaus muss die wohnortnahe Förderung auf Topniveau vor allem in Absprachen mit dem Trainer im Heimatverein und auch über individuelles Training geleistet werden. Wir unterstützen mit unserem Know-how, geben Tipps für fußballspezifisches, aber auch Athletiktraining usw. Irgendwann ist das Talent dann reif für den nächsten Schritt in der Karriere.

Wie sieht die Zusammenarbeit als Verbandstrainerin mit den Stützpunkten, BFV-Nachwuchsleistungszentren und bayerischen Top-Klubs aus?

Loderer: Wir arbeiten eng zusammen, weil wir alle das gleiche Ziel verfolgen: Wir wollen Toptalente bestmöglich fördern und in den Spitzenfußball bringen. Das geht nur gemeinsam. Und jeder trägt mittlerweile seinen Teil dazu bei. Wir haben immer mehr Spielerinnen, die - wenn es ihr Leistungsniveau erlaubt - in BFV-Nachwuchsleistungszentrum gefördert werden, dort trainieren und spielen. Das ist ein wichtiges Standbein unserer Talentförderung. Ab dem Altersbereich U17 spielt die genannte Bereitschaft der Spitzenklubs, verstärkt den Nachwuchstalenten aus der Region perspektivisch eine Chance zu geben, eine wichtige Rolle. Auch hier stehen wir mit den Trainern im regelmäßigen Austausch. Die Vereine bekommen nach jedem Auswahllehrgang einen Lehrgangsbericht und bei Bedarf finden persönliche Gespräche in puncto Leistungsrückmeldung statt.

Zur Förderung gehört für die toptalentierten Mädchen in Bayern auch das Training und Spiel bei den Jungs. Über diesen Weg wird durchaus diskutiert.

Loderer: Das mag sein. Man kann und muss immer auch hinterfragen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Toptalente davon profitieren, bis einschließlich zum Altersbereich U16 gemeinsam mit den Jungs gefördert zu werden. Der erste Jahrgang, den ich länger begleiten durfte, ist unser 2000er-Jahrgang. Sieben Mädchen haben jetzt schon an Juniorinnen-Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen und sind auf dem Sprung in den hochklassigen Frauenfußball. Sechs dieser sieben haben bis zur letzten Saison in der Junioren-Bayern- oder -Regionalliga gespielt oder spielen sogar noch bei ihren Jungs. Mädchen, die diesen Weg gehen, merkt man das an. Sie haben gelernt sich durchzusetzen, auf dem Feld robust und vor allem auch handlungsschnell zu sein. Die Möglichkeit der Rückstufung von Toptalenten vom U16 in den U15 Junioren-Altersbereich war hier ein Meilenstein für unsere Talentförderung. Ab der B-Jugend wird es für ein Mädchen rein von der Athletik her schwierig, sich in einem Juniorenteam zu behaupten. Das gelingt nur noch wenigen Ausnahmen - z.B. Lena Lotzen oder Sara Däbritz. Die Förderung von Toptalenten im Juniorenfußball ist natürlich nicht der einzige Weg in die Spitze, aber aus unserer Erfahrung heraus der, der sich am meisten bewährt hat.

An welchen Stellschrauben sollte noch gedreht werden, um die vielfach gelobte Talentförderung in Bayern noch besser zu machen?

Loderer: Der eingeschlagene Weg sollte selbstverständlich immer weiter optimiert werden. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, aber natürlich lässt sich das alles verfeinern und weiterentwickeln. Da gibt es viele positive Entwicklungen. Ich glaube beispielsweise auch, dass die Integration des Frauen- und Mädchenfußballs in das neue Leistungszentrum des FC Bayern der Talentförderung in den älteren Jahrgängen einen weiteren Schub geben kann und sich auch die stete Verbesserung der Vereinbarkeit von Fußball und Schule über das Eliteschulprojekt positiv auswirken wird.

Die BFV-Talentförderung