Interview |27.09.2017|15:45

Wunderliche Viktoria: "Mike keine Maschine"

Schwärmt im Interview von seinem Topspieler Mike Wunderlich (rechts): Stephan Küsters (links), der Sportliche Leiter des FC Viktoria Köln. [Foto: Imago (2) / Collage: FUSSBALL.DE]

Der Saisonstart des FC Viktoria Köln in der Regionalliga West verlief holprig. Als aktueller Meister rangieren die Domstädter auf Platz neun und haben fünf Zähler Rückstand auf die Spitze. Klar ist: Wie auch in den zurückliegenden Jahren strebt der Klub den Titel und den Aufstieg in die 3. Liga an. Unter diesem großen Erfolgsdruck zu arbeiten, ist für Ex-Bundesligaprofi Stephan Küsters, Sportlicher Leiter der Viktoria, mittlerweile ganz normal. Der 45-Jährige ist bereits seit 2014 für die ambitionierten Rheinländer tätig.

Im aktuellen FUSSBALL.DE -Interview spricht Stephan Küsters mit Mitarbeiter Christian Knoth über den durchwachsenen Saisonstart, das große Ziel Profifußball, den Vereinsmäzen Franz-Josef Wernze und die Familie Wunderlich mit Kapitän Mike und Sportvorstand Franz.

"Mike ist auf dem Platz der Kopf der Mannschaft und Franz ist hinter den Kulissen das Gesicht des Klubs. Für die Familie Wunderlich ist die Viktoria mehr als nur ein Fußballverein"

FUSSBALL.DE: Nach zehn Spieltagen steht Platz neun zu Buche. Wie groß ist die Enttäuschung, Herr Küsters?

Stephan Küsters: Wir haben uns den Saisonauftakt sicher anders vorgestellt. Es ist vermutlich so, dass wir die verlorenen Aufstiegsspiele zur 3. Liga gegen den FC Carl Zeiss Jena (2:3/1:0, Anm. d. Redaktion ) noch nicht ganz verdaut haben. Außerdem gab es im Sommer einen größeren Umbruch. Wir haben einige junge Spieler dazubekommen, die vorher in zweiten Mannschaften am Ball waren und mit dem großen Druck bei uns erst einmal umgehen müssen. Hinzu kommen Verletzungssorgen, die uns in den ersten Wochen das Leben schwer gemacht haben. Ich will aber überhaupt keine Ausreden suchen. Fakt ist, dass die Punkteausbeute bisher nicht zufriedenstellend ist.

FUSSBALL.DE: Vor allem offensiv lief es zuletzt nicht rund. Seit drei Spielen wurde kein Tor erzielt. Woran liegt das?

Küsters: Das Selbstvertrauen fehlt ein wenig. Es ist aber dennoch nicht so, dass wir nicht genug Möglichkeiten hatten, um ein Tor zu erzielen. Beispielsweise haben wir beim 0:1 gegen die U 23 von Borussia Dortmund ein klasse Spiel abgeliefert. Das Tor wollte einfach nicht fallen - auch, weil BVB-Torwart Dominik Reimann überragend gehalten hat. Wichtig ist jetzt, dass wir uns das Selbstvertrauen im Training zurückholen, um dann im Stadtderby bei der U 21 des 1. FC Köln am Samstag die Torflaute zu beenden.

FUSSBALL.DE: War das 0:0 gegen den starken Aufsteiger und Mitkonkurrenten KFC Uerdingen 05 schon wieder ein Schritt in die richtige Richtung?

Küsters: Definitiv. Nach dem 0:3 beim Wuppertaler SV war es eine deutliche Leistungssteigerung. Wir hatten gegen den Spitzenreiter auch die eine oder andere Möglichkeit, um das Spiel für uns zu entscheiden. Insgesamt können wir aber mit dem 0:0 gut leben.

FUSSBALL.DE: Ist Uerdingen als derzeitiger Tabellenführer auch Ihr größter Konkurrent im Titelrennen?

Küsters: Der KFC ist einer von vielen Konkurrenten, die das Zeug dazu haben, Meister zu werden. Die Liga ist sehr ausgeglichen und es könnte bis zum Ende sehr eng zugehen. Die Saison wird ein Marathonlauf.

FUSSBALL.DE: In Uerdingen haben Sie selbst das Fußballspielen gelernt und wurden zum Bundesligaprofi. Haben Sie deshalb ein besonderes Verhältnis zum Verein?

Küsters: Wie es beim KFC läuft, habe ich immer im Blick. Ich hatte eine schöne Zeit in Uerdingen. Kontakt zum Klub gibt es aber nicht mehr. Von damals ist ja kaum noch jemand im Verein.

FUSSBALL.DE: Bei der Viktoria sind Sie seit 2014 als Sportlicher Leiter beschäftigt. Den angepeilten Drittligaaufstieg schaffte der Klub noch nicht, obwohl er immer oben mitspielte und zuletzt sogar Meister wurde. Empfinden Sie es nicht als ermüdend, so viele neue Anläufe auf den Aufstieg zu nehmen?

Küsters: So würde ich es nicht nennen. Klar ist aber, dass wir einen riesigen Aufwand betreiben, um unser großes Ziel zu erreichen. Bisher wurden wir leider noch nicht dafür belohnt. Allerdings haben wir mit der Meisterschaft in der zurückliegenden Saison ein Zeichen gesetzt. Wir sind auf einem guten Weg. Wichtig ist uns auch, dass der Verein von vielen Leuten mittlerweile anders gesehen wird. Der FC Viktoria Köln wird nicht mehr nur über seine finanziellen Mittel definiert, sondern sportlich respektiert. Das haben wir uns in den vergangenen Jahren hart erarbeitet und uns unter anderem durch eine gute Nachwuchsarbeit verdient. Wir wollen vielen Talenten aus der eigenen Jugend die Chance geben, sich bei uns zu beweisen. Das möchten wir auch in Zukunft weiter forcieren.

FUSSBALL.DE: Wie viele Anläufe auf den Aufstieg kann es aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt noch geben?

Küsters: Sicher ist es auch mit großem finanziellen Aufwand verbunden, wenn über mehrere Jahre der Sprung in den Profifußball angestrebt wird. Es steht auch außer Frage, dass unser Mäzen Franz-Josef Wernze mit dem Verein schnellstmöglich in die 3. Liga will. Aber auch er weiß, wie schwer es ist, aus der Regionalliga aufzusteigen. Die Entwicklung des Vereins ist positiv, das haben wir mit der Meisterschaft bestätigt. Und das sieht Franz-Josef Wernze auch so.

FUSSBALL.DE: Wernze unterstützt auch den 1. FC Lok Leipzig aus der Regionalliga Nordost als Investor. Wie kann man ihn und die Arbeit mit ihm beschreiben?

Küsters: Franz-Josef Wernze ist ein Mann der klaren Worte. Er hat genaue Vorstellungen für die Zukunft des Vereins und sagt immer direkt, wenn ihm etwas nicht passt. Er arbeitet zwar hinter den Kulissen, ist aber immer über alles informiert. Wir telefonieren viel und treffen uns regelmäßig, um uns austauschen. Es ist schön zu sehen, wie fußballbegeistert er ist und es ist nicht selbstverständlich, dass er für den Klub so viel Zeit investiert und sich tagtäglich darum kümmert, dass im Verein alles glatt läuft.

FUSSBALL.DE: Mit der Viktoria wird neben Wernze vor allem der Name Wunderlich in Verbindung gebracht. Franz Wunderlich ist Sportvorstand, Mike Wunderlich Kapitän und Torjäger. Sind die beiden die Identifikationsfiguren des Klubs?

Küsters: Auf jeden Fall. Mike ist auf dem Platz der Kopf der Mannschaft und Franz ist hinter den Kulissen das Gesicht des Klubs. Für die Familie Wunderlich ist die Viktoria mehr als nur ein Fußballverein.

FUSSBALL.DE: Mike Wunderlich spielte auch schon für den FSV Frankfurt in der 2. Bundesliga. Für die Viktoria trifft er so gut wie immer am laufenden Band. Was macht ihn so stark?

Küsters: Mike ist ein hervorragender Fußballer, der immer den eisernen Willen hat, als Sieger vom Platz zu gehen. Wenn er verliert, sollte man zunächst einmal nicht in seiner Nähe sein. (lacht) Er ist ein absoluter Erfolgsmensch, der immer alles für die Mannschaft gibt und seit Jahren versucht, mit der Viktoria aufzusteigen. Was man aber nicht vergessen sollte: Mike ist keine Maschine. Auch er hat - wie jetzt - mal Phasen, in denen er nicht trifft. Das ist menschlich und passiert den besten Torjägern. Dass der Anspruch an ihn so hoch ist, sollte man aber vor allem positiv sehen. Mike hat sich durch seine konstant starken Leistungen einen sehr guten Status in der Regionalliga West erarbeitet. Jeder weiß, dass er zu den besten Spielern aller Regionalligen gehört.

FUSSBALL.DE: Trotz vieler Angebote höherklassiger Klubs kann sich Mike Wunderlich vorstellen, seine Laufbahn in seiner Geburtsstadt bei der Viktoria zu beenden. Wie sehr schätzen Sie das?

Küsters: Das ist ihm hoch anzurechnen. Und für uns ist es klasse, einen so guten Spieler weiterhin im Kader zu haben. Ich finde es nur schade, dass Mike mit einer so hohen Kollegialität nicht höher spielt. Er hätte es verdient, noch einmal Profifußball zu spielen. Ich hoffe, dass er das mit der Viktoria noch einmal verwirklichen kann.

FUSSBALL.DE: Durch die angedachte Aufstiegsreform könnte es bald „einfacher“ werden, den Sprung in die 3. Liga zu schaffen. Was halten Sie davon?

Küsters: In welcher Form es eine Änderung geben wird, steht ja noch nicht fest. Aber ganz egal, wofür sich am Ende entschieden wird: Die neue Aufstiegsregelung kann nur besser werden als jetzt. Ich vertrete klar den Standpunkt, dass alle Meister aufsteigen müssen.

FUSSBALL.DE: Ein baldiger Aufstieg würde auch dabei helfen, dem Ziel näher zu kommen, hinter dem „Effzeh“ die zweite Kraft in Köln zu werden. Aktuell ist das der SC Fortuna Köln, der in der 3. Liga oben mitspielt. Würde es Sie ärgern, wenn die Fortuna in der kommenden Saison zweitklassig spielt?

Küsters: Ich setze mich mit der sportlichen Situation von Fortuna Köln nicht allzu viel auseinander. Für mich dreht sich alles um unseren Verein. Wir haben in den kommenden Wochen und Monaten genug zu tun. Ich muss aber dennoch neidlos anerkennen, dass die Fortuna derzeit erfolgreichen Fußball spielt und zurecht oben dabei ist. Dazu kann ich die Vereinsverantwortlichen um Cheftrainer Uwe Koschinat nur beglückwünschen.