Deutsch-Schwede Rettig: 2 Herzen in der Brust
Mit gemischten Gefühlen in den WM-Showdown: der Deutsch-Schwede Filip Rettig aus Braunschweig (linkes Foto).[Foto: Getty Images/imago/Collage FUSSBALL.DE]
Showdown in Sotschi: Alles oder nichts heißt es Deutschland schon im zweiten Gruppenspiel der WM. In Sotschi muss der amtierenden Weltmeister am Samstag (20 Uhr) gegen Schwede gewinnen, um nicht vorzeitig zu scheitern. Unter den Millionen Fans an den heimischen Fernsehschirmen wird ein junger Mann mitfiebern, der sich vom Naturell her kaum entscheiden kann, für wen er halten soll: Filip Rettig, linker Verteidiger in der U 23 des in die 3. Liga abgestiegenen Traditionsklubs Eintracht Braunschweig – und Deutsch-Schwede. Die U 23 wird 2018/2019 in der Oberliga Niedersachsen an den Start gehen.
Im Interview mit FUSSBALL.DE: erklärt der 19-Jährige, warum die DFB-Auswahl an diesem Abend gewinnen soll, was das Drei-Kronen-Team ohne Superstar Zlatan Ibrahimovic besser kann als mit ihm und warum er selber lieber in Deutschland als in Schweden spielt.
FUSSBALL.DE: Filip Rettig, wer in Ihrer Familie ist Deutscher und wer ist Schwede, so dass Sie beide Staatsangehörigkeiten besitzen?
Filip Rettig: Meine Mutter ist Schwedin und mein Vater Deutscher. Kennengelernt haben sie sich auf einem Kongress in der Schweiz, sie sind beide Ärzte. Die deutsch-schwedische Geschichte geht allerdings noch eine Generation weiter, denn mein deutscher Großvater ist einst nach Schweden ausgewandert, hat dort geheiratet und dann ist eben meine Mutter dabei herausgekommen (lacht). Durch meinen Großvater hat sie auch früh Deutsch gelernt.
"Mein Tipp? 2:1! Dann kann ich einmal auf der einen Seite jubeln und zweimal auf der anderen"
FUSSBALL.DE: Sie sind in Frankfurt geboren und in Überlingen am Bodensee aufgewachsen. Aber wie gut kennen Sie die Heimat Ihrer Mutter?
Rettig: Sehr gut! Wir sind mindestens zweimal im Jahr dort, besuchen die schwedische Verwandtschaft in Västerhaninge in der Nähe von Stockholm oder machen dort einfach Urlaub. Und manchmal fahren wir natürlich auch nach Schweden, um ein Länderspiel der Nationalmannschaft zu sehen.
FUSSBALL.DE: Ein gutes Stichwort! Am Samstag treffen Deutschland und Schweden in Sotschi aufeinander. Zu wem halten Sie?
Rettig: Das ist sehr schwer für mich, da bin ich eigentlich neutral, denn natürlich schlagen beim Spiel Deutschland gegen Schweden zwei Herzen in meiner Brust. Weil ich mir aber wünsche, dass beide weiter kommen, Deutschland aber das erste Spiel gegen Mexiko verloren und Schweden gegen Südkorea gewonnen hat, drücke ich dem Weltmeister etwas mehr die Daumen.
FUSSBALL.DE: Wie lautet Ihr Tipp?
Rettig: 2:1! Dann kann ich einmal auf der einen Seite jubeln und zweimal auf der anderen (lacht).
FUSSBALL.DE: Das DFB-Team steht seit der 0:1-Auftaktniederlage gegen Mexiko stark in der Kritik. Hätten Sie solch eine Leistung des Weltmeisters für möglich gehalten?
Rettig: Nein, damit hat ja keiner gerechnet, auch wenn die Testspiele vorher nicht vollends überzeugend waren. Man muss aber zugeben, dass es Mexiko gegen Deutschland sehr gut gemacht hat, sie haben schnell gekontert und so immer wieder Nadelstiche gesetzt. Die Niederlage tat weh, aber besser man verliert in der Gruppenphase ein Spiel als in der K.o.-Runde, denn dann kann man es nicht mehr korrigieren.
FUSSBALL.DE: Was muss der Weltmeister gegen Schweden anders machen, um nicht schon vorzeitig zu scheitern?
Rettig: Gegen Schweden wird es ein ganz anderes Spiel. Schweden ist nicht so konterstark, sondern lebt von seiner mannschaftlichen Geschlossenheit und der starken Defensive. Das hat beim 1:0 gegen Südkorea klasse funktioniert, ja eigentlich hätte der Sieg höher ausfallen müssen. Sie lassen wenige Chancen zu und sind vorne vor allem bei Standards gefährlich. Dabei müssen die Deutschen natürlich besonders auf Emil Forsberg und Marcus Berg aufpassen, sie können ein Spiel entscheiden. Trotzdem gewinnt Deutschland, schließlich soll der Weltmeister ja seinen Titel verteidigen!
FUSSBALL.DE: Ein 4:4 wie 2012 in der Qualifikation für die WM 2014 wird es also nicht wieder geben…
Rettig: Das kann ich mir nicht vorstellen, das war ein absolutes Ausnahmespiel. Erst führt Deutschland 4:0, dann drehen die Schweden plötzlich richtig auf.
FUSSBALL.DE: Damals noch mit Superstar Zlatan Ibrahimovic!
Rettig: Er war viele Jahre lang der Spieler, der für Schweden den Unterschied ausgemacht hat. Jetzt ist er nicht mehr dabei, und das hat Vor- und Nachteile. Als Zlatan noch dabei war, konnte man sich darauf verlassen, dass er noch etwas reißen kann. Jetzt funktioniert Schweden noch mehr als Team, das wird also für Deutschland am Samstag eine sehr schwere Aufgabe.
FUSSBALL.DE: Nach den ersten Stationen Überlingen und Pfullendorf sind Sie die Nachwuchsleistungszentren des VfB Stuttgart von RB Leipzig und des 1. FC Nürnberg durchlaufen, ehe Sie letztes Jahr nach Braunschweig in die U 23 der Eintracht gewechselt sind. Wie geht es für Sie weiter?
Rettig: Ich habe in meiner ersten Saison im Seniorenbereich 28 Spiele für die U23 in der Regionalliga Nord gemacht und durfte mich auch bei den Profis im Training zeigen. Mein Vertrag in Braunschweig läuft noch ein Jahr und ich möchte auch jetzt wieder den nächsten Schritt gehen.
FUSSBALL.DE: Nach Schweden zu gehen war nie eine Option?
Rettig: Nein, in der Jugend war es nie ein Thema. Die fußballerische Ausbildung in Deutschland ist super. Davon habe ich den letzten Jahren sehr profitiert und hoffe nun, hier oder gegebenenfalls auch in Schweden den Sprung in den Profibereich zu schaffen.