Dorfklub Straelen mischt Regionalliga auf
Der SV Straelen mischt als Superaufsteiger die Regionalliga West auf.[Foto: imago/Herbert Bucco]
Die Regionalliga West ist ein Tummelplatz für ehemalige Bundesligisten: Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen, Wattenscheid 09 und Wuppertaler SV, dazu die Talentschuppen von Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln. Was diese starke vierte Klasse noch interessanter macht: Immer wieder mal mischen kleine Klubs unter diesen klangvollen Namen mit. Aktuell sind es der TV Herkenrath, der 1. FC Kaan-Marienborn – und Superaufsteiger SV Straelen.
Straelen, eine Kleinstadt am Niederrhein. 16.000 Einwohner leben hier in unmittelbarere Nähe zur holländischen Grenze bei Venlo, doch die Gemüseregion ist vor allem dörflich geprägt. Flaches Land, viele Bauern. Das Brauchtum wird mit Schützenvereinen und der bald beginnenden fünften Jahreszeit, dem Karneval, hochgehalten. Und dann ist da noch der örtliche Fußballverein, dank freundlicher Unterstützung eines Gönners, der früher selbst das kanariengelbe Trikot getragen hat: Hermann Tecklenburg. Der Klub ist aktuell besser platziert als Schwergewichte wie Essen oder Oberhausen.
Der Bauunternehmer Tecklenburg, mit der künftigen deutschen Fußball-Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg verheiratet, hat mit seinem Geld den langjährigen Kreisligisten bis an die Spitze des Amateurfußballs geführt. Nach einer phänomenalen Saison in der Oberliga Niederrhein und einem Fußballfest am letzten Spieltag (8:0 gegen den VfR Krefeld-Fischeln ) gekrönten Aufstieg, marschiert der SV Straelen auch eine Etage höher vorne mit. 19 Zähler stehen nach zwölf Spieltagen zu Buche, was momentan Platz vier in der Regionalliga West bedeutet, punktgleich mit dem Dritten Alemannia Aachen. Nur Spitzenreiter Viktoria Köln und Verfolger Borussia Dortmund II haben sich oben schon etwas abgesetzt.
Straelener Gesichter
"Wir hatten uns vorgenommen, der beste Aufsteiger in der Regionalliga zu werden"
Der Vater des Erfolges ist neben „Präsi“ Tecklenburg Trainer Marcus John. Der 44-Jährige wechselte im Frühjahr mitten in der laufenden Serie vom SC West aus Düsseldorf nach Straelen und löste dort Ex-Profi Dietmar „Didi“ Schacht ab. Der Seitensprung hat sich gelohnt: Der SVS schüttelte im Saisonendspurt die starke Konkurrenz aus Schonnebeck und Homberg ab und ist nun auch über die engen Grenzen des Kreises Kleve bekannt. Wer weiß denn heute schließlich noch, dass früher einmal Wolfgang „Otto“ Kleff, Jos Luhukay (als Spieler und Trainer), Peter Közle oder Torsten Wohlert mal in Straelen gekickt haben?
„Wir hatten uns vorgenommen, der beste Aufsteiger in der Regionalliga zu werden“, erklärt Marcus John und fügt hinzu: „Dass es gleich so gut laufen würde, damit haben wir aber nicht wirklich gerechnet.“ Plan A scheint nach etwa einem Drittel der Serie aufzugehen – auch wenn Mitaufsteiger SV Lippstadt ebenfalls stark aus den Startlöchern gekommen ist und als aktuell Sechster die starke Zwischenbilanz von 18 Punkten aufweist. Plan B, wie der KFC Uerdingen direkt in die 3. Liga durchzumarschieren, ist in Straelen aber Utopie.
Volles Haus gegen Gladbach
Sicher hat es der Spielplan bisher ganz gut mit dem SVS gemeint. Denn die ganz dicken Brocken kommen erst jetzt: Gladbachs U 23, Alemannia Aachen, Dortmund II und Viktoria Köln lauten die nächsten vier Gegner. „Das wird für uns sehr anspruchsvoll. Wir können angesichts dieser Aufgaben nicht davon ausgehen, dass es so weitergeht und müssen auch mal mit Rückschlägen rechnen“, weiß John.
Gerade das bevorstehende Derby gegen die Borussia vom Niederrhein ist ein Spiel, auf das ganz Straelen lange gewartet hat. Mindestens 1.000 Zuschauer werden am Samstag (14 Uhr) im Stadion am Römerweg erwartet, viele Fans des kleinen SVS tragen schließlich auch die Gladbacher Raute im Herzen. Auch für Marcus John ist es eine besondere Partie, war er doch vor seiner Zeit als Trainer im Seniorenbereich fünf Jahre lang bei den „Fohlen“ engagiert – als Co-Trainer der U 19. Den jetzigen Gladbacher U-23-Coach Arie van Lent kennt er natürlich ebenfalls gut.
Gegen Top-Teams wie Gladbach II und die nachfolgenden Gegner sind auf Straelener Seite vor allem Spieler wie der Ex-Uerdinger Patrick Ellguth oder Abwehr-Routinier Adi Lachheb (vorher Germania Halberstadt) gefordert. „Wir haben gut eingekauft und die richtige Mischung aus erfahrenen Spielern, die schon mal höher am Ball waren, und jungen Wilden“, umschreibt Marcus John seinen Kader.
Aus dem Iran nach Straelen
In dem ist inzwischen so etwas wie das Vollprofitum eingekehrt. 15 Kicker spielen ausschließlich Fußball, der Rest geht arbeiten oder studieren. Einer von ihnen ist Ahmad Jafari. Der Iraner kam letztes Jahr als politisch verfolgter Flüchtling nach Deutschland. „Ende 2017 stand Ahmad auf einmal mit dem Fahrrad vor dem Klubhaus“, erinnert sich SVS-Kapitän Marian Gbur im Gespräch mit der Rheinischen Post und führt aus: „Er sprach kein Wort Deutsch, aber Englisch und wollte bei uns Fußball spielen." Der 27-jährige fand schnell Anschluss beim SVS und wurde mit sechs Toren in den letzten beiden Spielen zu einem der Straelener Aufstiegshelden.
Nun, in der Regionalliga und mit einem verstärkten Aufgebot, ist der iranische Sportstudent und vorherige Zweitliga-Profi zwar kein Stammspieler mehr, kommt aber immerhin bisher auf sieben Einsätze. In den letzten vier Partien, aus denen der Aufsteiger acht Punkte einfuhr, war er immer zumindest mit Teileinsätzen dabei. „Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagt Jahmad Afari in schon richtig gutem Deutsch. „Das ist ein Traum für mich!“ So etwas nennt man gelungene Integration.