Verrückte Vita |03.12.2020|15:00

Möllering: Aus der Sackgasse nach New York

Glücklich in der Regionalliga: Konstantin Möllering beim SV Straelen.[Foto: imago]

Konstantin Möllering kann auf eine ungewöhnliche Vita verweisen. Der 30-Jährige hat unter anderem bei New York Cosmos und dem Toronto FC gespielt, außerdem hat er hat beim BVB unter Jürgen Klopp trainiert. Inzwischen steht der Mittelfeldspieler beim West-Regionalligisten SV Straelen unter Vertrag. Zum großen Durchbruch hat es bisher nicht gereicht. Warum eigentlich nicht?

Konstantin Möllering hatte Pech, viel Pech sogar. Sonst würde er heute wahrscheinlich in der Bundesliga spielen. So, wie viele Weggefährten, mit denen der 30-Jährige in den vergangenen Jahren zusammengespielt oder wenigstens trainiert hat. Wenn Möllering ein paar Namen aufzählen soll, weiß er gar nicht, wo er beginnen und wo er enden soll. Zu lang ist die Liste. Marcel Halstenberg (RB Leipzig), Kerem Demirbay (Bayer Leverkusen), Jonas Hoffmann (Borussia Mönchengladbach), Marius Bülter (Union Berlin), Marvin Ducksch (Hannover 96), Mario Vrancic (Norwich City) und Jeremy Dudziak (Hamburger SV) zählen neben vielen weiteren dazu. Sie haben es bis ganz nach oben geschafft. Möllering nicht, sein Körper hat ihm einen Strich durch diese Rechnung gemacht.

Möllering hatte in seiner Karriere unglaubliches Verletzungspech. Viele andere hätten wahrscheinlich die Lust am Fußball verloren, sie hätten aufgehört. Für Möllering war das nie eine Option. Er hat sich immer wieder zurückgekämpft. Das war ziemlich oft nötig. Und wenn er gerade wieder Anschluss gefunden hatte, kam der nächste Rückschlag. Mehrere Muskelbündelrisse zu ungünstigsten Zeitpunkten, einen Adduktorenabriss, eine langwierige Schambeinentzündung – und viele weitere kleinere Blessuren haben verhindert, dass er den ganz großen Durchbruch schaffen konnte. Dabei deutete in der Jugend vieles auf eine große Karriere hin.

Mit 17 Jahren hatte Möllering seinen ersten Profivertrag bei Preußen Münster unterschrieben. Trainer war damals Roger Schmidt, der heute den Europa-League-Teilnehmer PSV Eindhoven coacht, bei dem auch Mario Götze unter Vertrag steht. Drei Jahre später wechselt Möllering in die U 23 von Borussia Dortmund . Lars Ricken wollte ihn unbedingt im Verein haben. Das war auch die Zeit, als Möllering regelmäßig bei den Profis mittrainiert. Und keinem geringeren als Jürgen Klopp, Trainer der U 23 war David Wagner.

"Als ich dort angekommen bin, hat es sich für mich wie eine andere Welt angefühlt"

"Eine unglaubliche Zeit"

"Das war eine unglaubliche Zeit für mich", sagt Möllering. "Die Mannschaft hat in dieser Zeit fast alles gewonnen, was man gewinnen konnte. Der Weg nach ganz oben war bei dieser Qualität für mich zu diesem Zeitpunkt zu weit. Es war trotzdem ein unbeschreibliches Gefühl, mit diesen Jungs während der Woche auf dem Platz zu stehen." Und auch die Arbeit unter Klopp beeindruckte den Mittelfeldspieler: "Er ist genauso, wie man ihn im Fernsehen erlebt. Kloppo strahlt eine unglaubliche Motivation aus. Für ihn geht man durchs Feuer. Aber er kann auch sehr klar ausdrücken, wenn man etwas nicht zu seiner Zufriedenheit macht. Das habe ich auch erlebt."

Den Sprung zu den Profis schaffte Möllering nicht. Gerade als er nah dran war, kam ein Muskelbündelriss. Dann der nächste, dann der dritte. Möllering entschied sich zu einem Wechsel, um Spielpraxis auf höherem Niveau zu bekommen. Er ging zum VfL Bochum. Dort funktionierte es nicht, er zog weiter zu den Sportfreunden Siegen . Auch dort musste er wegen einer Blessur acht Monate pausieren. Seine Verletzungsanfälligkeit hatte sich inzwischen herumgesprochen. Trotz seines großen Talents verzichteten die Klubs darauf, Möllering zu verpflichten. Das Risiko war ihnen einfach zu groß.

Dieser eigentlich unglückliche Umstand entwickelte sich für Möllering zum großen Glück. In Deutschland steckte er gefühlt inzwischen in einer Sackgasse. Über Beziehungen eröffnete sich ihm fast zeitgleich eine ganz neue Welt. Möllering hatte plötzlich ein Angebot aus der Major League Soccer auf dem Tisch liegen. Er brauchte nicht lange zu überlegen, um eine Entscheidung zu treffen: Im Jahr 2014 unterschrieb er einen Vertrag beim Toronto FC. Dort hatte er plötzlich Nationalspieler als Mannschaftskameraden – zum Beispiel Michael Bradley (USA) und Sebastian Giovinco (Italien).

"Für mich war es dort großartig. Ich hatte eine überragende Zeit", sagt Möllering im Rückblick. "Wir mussten uns um nichts anderes kümmern, als ums Fußballspielen. Wir hatten Ärzte, Köche, Physiotherapeuten und alles, was man sich vorstellen kann. Das war richtig professioneller Fußball." Möllering hatte in diesem Moment Lunte gerochen. Er wusste: Es geht noch mehr, es geht noch besser. Also zog einer nach einem Jahr weiter zu New York Cosmos.

Heimweh am "Big Apple"

"Als ich dort angekommen bin, hat es sich für mich wie eine andere Welt angefühlt. New York ist genauso, wie es immer beschrieben wird. Es ist eine Stadt, die niemals schläft", sagt Möllering. Er sog alle Erfahrungen und Eindrücke auf, wie ein Schwamm das Wasser. Und auch sportlich lief es gut für ihn. Aber es gab ein Problem: Familie, Freunde und Freundin lebten sieben Flugstunden entfernt in Deutschland. Möllering bekam Heimweh und trug einen inneren Kampf mit sich aus. New York oder Deutschland? Die weite Welt oder das bekannte Umfeld? Letztlich entschied sich Möllering in der Winterpause 2016/2017 für eine Rückkehr. 

Ob das der richtige Entschluss war? "Ja, ich denke schon", sagt Möllering. "Ich hatte dort wirklich eine tolle Zeit. Noch immer habe ich gute Freunde in New York. Ich versuche, sie regelmäßig zu besuchen. In diesem Jahr war das wegen Corona natürlich nicht möglich. Es war richtig, den Schritt dorthin zu wagen. Es war aber auch richtig, dann nach Deutschland zurückzukehren."

Über den SV Rödinghausen und den Berliner AK landete Möllering schließlich in der Winterpause 2019/2020 beim SV Straelen. Mit dem Klub stieg er zunächst aus der Oberliga in die Regionalliga auf. Dort ist der Verein gerade dabei, sich zu etablieren. Hat sich damit für Möllering, der inzwischen 30 Jahre alt ist, der Traum vom Profifußball erledigt? "Man weiß nie, was kommt. Das hat mir meine eigene Karriere bisher eindrucksvoll gezeigt", sagt er. "Klar ist, dass ich mich in Straelen sehr wohl fühle. Wir bekommen hier alles geboten, was sich ein Fußballer wünschen kann."

Zudem absolviert Möllering gerade eine Ausbildung im Unternehmen von Hermann Tecklenburg, dem Hauptsponsor des Vereins. "Ich bin jetzt in einem Alter, in dem andere Dinge langsam wichtiger werden, als der Fußball. Ich muss an meine berufliche Zukunft denken", sagt Möllering. So lange es geht, möchte er aber weiter Fußball spielen – am liebsten ohne neue Verletzungen, die ihn schon so oft ausgebremst haben.