Übers Zocken |27.12.2020|08:00

eFootball: "Wir stehen erst am Anfang"

Blask: "Satzungsgemäß ist der DFB verantwortlich für die Förderung und Entwicklung des Fußballs in Deutschland – auf und neben dem Platz."[Foto: Thomas Boecker/DFB]

Das jüngste Kind des DFB lernt laufen: Dr. Holger Blask, Geschäftsführer der DFB GmbH, spricht im Interview über die Chancen des neuen DFB-ePokal powered by ERGO und die langfristigen Ziele im Bereich eFootball.

FUSSBALL.DE: Herr Dr. Blask, mit dem DFB-ePokal powered by ERGO hat der DFB als erster Nationalverband der Welt ein virtuelles Pokalturnier gestartet. Warum engagiert sich der DFB auf dem virtuellen Spielfeld?

Dr. Holger Blask: eSport ist grundsätzlich ein Megatrend. Neue Technologien verändern kulturelle Denkweisen. Das gilt auch für den DFB. Schon satzungsgemäß ist der DFB verantwortlich für die Förderung und Entwicklung des Fußballs in Deutschland – auf und neben dem Platz. Neben dem Platz, das heißt für uns jetzt auch auf dem virtuellen Rasen. Mit unserem Engagement im eFootball sprechen wir gerade die junge Zielgruppe an. Dabei ist die Schnittmenge zwischen den Jugendlichen, die Fußball auf dem grünen Rasen spielen und denen, die an der Konsole zocken durchaus sehr groß. Das wollen wir nutzen. Durch eFootball setzen sich Jugendliche viel intensiver mit dem Thema Fußball auseinander und lernen spielerisch Taktiken, Spielzüge und Tricks, die sie als aktive Spieler auf dem Spielfeld ausprobieren. Dazu gelten in beiden Sphären Werte wie Leistung, Vielfalt und Respekt. eFootball ist also eine Ergänzung des bestehenden Angebots. Unser Ziel ist, von der Community authentisch wahrgenommen und bestenfalls ein Teil von ihr zu werden. In der Rolle des Strukturgebers, Organisators und Wettbewerbstellers.

Mit dem ePokal als Paradebeispiel. Welche Rolle spielt er dabei?

"Der eFootball ist das 'jüngste Kind' des DFB"

Blask: Der DFB-ePokal ist unser Leuchtturmprojekt, wenn es um die Aktivierung der deutschen Casual Gamer in den Sportsimulationen FIFA geht. Wir geben Teams die Chance, unter der Flagge eines Amateurvereins am Wettbewerb teilzunehmen. Am Ende winkt das Match gegen die Profiklubs der Virtual Bundesliga (VBL) und im Erfolgsfall sogar eine Nominierung für die eNationalmannschaft – und somit die Teilnahme am FIFA eNations Cup, der Weltmeisterschaft. Stand heute befinden wir uns inmitten der Qualifikationsphase. Vier regionale Turniere sind gespielt, die ersten Teilnehmer für den Finaltag stehen fest. Bis Ende Januar folgen weitere Quali-Turniere. Schon jetzt haben wir eine fünfstellige Zahl an Userregistrierungen und eine mittlere vierstellige Zahl an Teams auf der Plattform. Entsprechend hoch ist die mediale Aufmerksamkeit. Zuspruch kommt auch von den Landesverbänden und international von den Nationalverbänden. Mit diesen sind wir in stetigem Austausch und bemerken auch, dass wir eine Art Role Model für sie sind.

Um diesen Status zu erreichen und ein solches Format auf den Weg zu bringen, ist sicher einiges an Vorarbeit nötig. Auf welche Herausforderungen sind Sie und Ihr Team dabei gestoßen?

Blask: Der eFootball ist das "jüngste Kind" des DFB. Im März dieses Jahres haben wir die Plattform dfb-efootball.de gelauncht. Von da an haben wir, wie alle anderen Bereiche und Branchen, die Auswirkungen von COVID-19 bei der Vorbereitung und Organisation der Wettbewerbe zu spüren bekommen. Zudem ist das eFootball-Ökosystem etwas anders strukturiert als der Fußball auf dem grünen Rasen. Neben Klubs und Verbänden sind hier noch die Publisher in die Überlegungen einzubeziehen. Unser Ziel ist ganz klar, das eFootball-Ökosystem in Deutschland wachsen zu lassen.

Teil dieses Plans ist der ePokal: Wann kam die Idee auf, dieses einzigartige Projekt zu starten?

Blask: Die Idee entstand vor rund zwei Jahren und ist durch unser großes Ziel entstanden, möglichst vielen Gaming-affinen Fußballer*innen eine attraktive Leistung anzubieten, sich auch neben dem Platz in digitaler Form mit Fußball zu beschäftigen. Dabei war uns immer wichtig, von der eSports-Community wahrgenommen, bestenfalls ein Teil von ihr zu werden. Um das zu erreichen, musste unser Einstieg authentisch sein. Wir haben uns nicht nur mit Publishern und Agenturen ausgetauscht, sondern auch mit Gamer*innen, Fußballspieler*innen, Vereinen, Landesverbänden und der DFL. Wir wollten wissen, wo Wünsche und Bedürfnisse liegen. Worin sich aber fast alle einig sind, ob auf dem Platz oder an der Konsole: Sie wollen sich im sportlichen Wettbewerb messen und sichtbar sein, egal ob auf Kreisligaebene oder in der Champions League.

Möglichkeiten, die der ePokal bietet. Wie viele Teams spielen denn mit?

Blask: Das lässt sich noch nicht abschließend sagen. Es ist erst einer von drei Strängen des offenen Turnierteils gespielt. Bei den DFB-ePokal-Qualifier hatten wir auf der PlayStation 4 jeweils 128er-Brackets. Das bedeutet, dass wir in jeder der vier Regionen 128 Teams mit jeweils mindestens drei Spieler*innen zeitgleich auf der Plattform hatten. Dazu kommen die Xbox One-Teams. Und Ende Januar 2021 folgen noch die Landesverbands-Trophy und der Club Qualifier – die Anmeldungen dafür sind noch offen. Sofern sich ein Amateur-Team beim ersten Qualifier nicht für die Vorrunde qualifizieren konnte, hat es bei der Landesverbands-Trophy noch die Möglichkeit dazu. Insgesamt sind wir mit den Zahlen der Season 1 zufrieden. Dass das Turnier in Zukunft noch größer werden soll, ist auch klar.

Die teilnehmenden Profiteams zocken parallel in der Virtual Bundesliga. Eine Konkurrenzserie zum ePokal?

Blask: Überhaupt nicht. Die DFL ist mit ihren Formaten ein Pionier im digitalen Sport und gilt als Wegbereiter für zahlreiche andere Ligen weltweit, wenn es um einen FIFA-Spielbetrieb geht. Die VBL Club Championship ist für die teilnehmenden Vereine eine tolle Bühne. Uns freut es vielmehr, dass ein überwiegender Teil der Bundesligaklubs großes Interesse am DFB-ePokal zeigt und mitspielt. Die Wettbewerbe sollen sich gegenseitig befruchten, genauso wie im klassischen Fußball. Die DFL ist einer der Stakeholder, mit dem wir von Anfang an eng im Austausch waren. Wir haben das gleiche Interesse: ein nationales eFootball-Ökosystem aufzubauen, in dem Casual Gamer und eProfis ihren Platz und ihre Bühne haben.

Ein Alleinstellungsmerkmal des DFB-Turniers ist der Modus. Gespielt wird in Teams mit drei bis fünf Spieler*innen. Warum?

Blask: Genau, wie Sie es schon andeuten, steht beim ePokal der Teamgedanke im Vordergrund. Durch dieses Element bringen wir das Spiel noch näher an den analogen Fußball heran. Um beim ePokal erfolgreich zu sein, braucht es eingespielte Teams, eine gute Kommunikation und Abstimmung untereinander. Dinge, die auch auf dem Rasen wichtig sind. Hinzu kommt die taktische Komponente: Vor Spielbeginn können die Mannschaften festlegen, wer in welchem Spiel antritt. Teamgröße und Mannschaftstaktik bieten eine höhere Spannung, als es bei anderen FIFA-Events der Fall ist.

Vor dem Hintergrund der Pandemie: Wie ist es für Amateure umsetzbar, in Teams zu spielen?

Blask: Im angedachten Modus mit Zwei-gegen-Zwei-Spielen bisher leider gar nicht, da wir bei der Gestaltung des ePokals an die technische Konzeption von FIFA 21 gebunden sind. Deshalb haben wir den Modus kurzfristig an die Corona-Entwicklung angepasst, die für den DFB-ePokal-Qualifier angedachten "2-vs-2"-Matches durch drei "1-vs-1"-Spiele ersetzt. Hintergrund: Es gibt keine Möglichkeit, die aktuelle Version online in 2-vs-2-Matches zu spielen – Spieler*innen müssen physisch am gleichen Ort sein, um im 90er-Modus gegen ein ausgewähltes Gegnerteam zocken zu können. Inwiefern wir für die Qualifikationsturniere Ende Januar wieder zum angedachten Modus mit dem Teamplay-Fokus zurückkehren können, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Welche Auswirkungen hat Corona auf digitalen Sport insgesamt?

Blask: Aus zahlreichen Umfragen und Studien wissen wir, dass digitaler Sport in Pandemie-Zeiten eine größere Aufmerksamkeit erfährt. Ein solcher Einschnitt in unser Leben und den Sport im Speziellen beschleunigt die Relevanz von digitalen Sportereignissen. Sie sind jetzt vollends in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die sportlichen Leistungen von Spieler*innen und Teams, die steigende Nachfrage und die Professionalisierung der Branche werden dafür sorgen, dass wir in absehbarer Zeit digitalen in ähnlichem Umfang wie analogen Sport medial angeboten bekommen.

Auch der ePokal wird auf unterschiedlichen Kanälen zu sehen sein. Zuschauer*innen fiebern häufig mit dem Underdog mit. Halten Sie es für realistisch, dass sich eine Gruppe von Freizeitzockern gegen ein professionelles eFootball-Team durchsetzt?

Blask: Beim ePokal gilt das gleiche Prinzip wie beim DFB-Pokal: Amateure treffen auf Profis. David gegen Goliath. Klein gegen Groß. Deshalb ist das Chancenverhältnis vergleichbar, Überraschungen sollte es geben. Den vermeintlich Kleinen kommt beim ePokal entgegen, dass es gleich drei Qualifikationsmöglichkeiten gibt. Lediglich die zwölf besten VBL-Klubs sind bereits für die Hauptrunde gesetzt. Das entspricht zum einen der DFB-Pokallogik, in der Landespokalsieger auf Bundesligateams treffen und folgt einer gewissen Leistungslogik und ist ebenfalls das Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL. Für Hobbygamer*innen bietet der ePokal die Chance, auf die Großen zu treffen – das allein motiviert. Und Profis sehen die Chance, Premierenchampion bei einem landesweiten Turnier zu werden. Schauen wir mal, wer sich das Preisgeld und einen Platz in der eNationalmannschaft sichert.

Stichwort Premiere: Die Vermutung liegt nahe, dass der Erstauflage weitere Ausgaben folgen sollen. Ist dem so?

Blask: Der ePokal vereint alle Beteiligten: Landesverbände und Vereine, die Klubs der 3. Liga und ihre Fans, die FLYERALARM Frauen-Bundesliga, Profis und Amateure. Eben alle Gamer*innen, von der Basis bis zur Spitze. Für uns genug Gründe, dieses Format als jährlich stattfindendes Event zu verankern. Wir wollen unser Engagement so weiterführen, wie wir es angegangen sind: offen und lernwillig. Als DFB hilft uns eFootball zu verstehen, wie die junge Generation den Fußball wahrnimmt und ihn lebt. Gelingt es uns, eFootball und Amateurfußball zu vernetzen, bleiben wir mit der jungen Zielgruppe im Dialog über unser aller Herzensthema: Fußball.

Sie sprechen davon, eFootball und Amateurfußball näher zusammenbringen zu wollen. Was unternehmen Sie deshalb und wohin wird sich das eFootball-Engagement des DFB künftig entwickeln?

Blask: Für uns geht es vorrangig darum, wie wir Kinder und Jugendliche, die ihren Erstkontakt zu Vereinen über Spiele wie FIFA oder PES haben, für den Fußball begeistern, sie an den Sport binden können. Das Potenzial dieser Wechselwirkung gilt es auszuschöpfen. Idealerweise gelingt es uns, gemeinsam mit unseren Landesverbänden und Amateurvereinen ein für alle Spieler*innen relevantes Angebot zu schaffen und somit einen organisierten virtuellen Spielbetrieb flächendeckend in Deutschland herzustellen. Dabei müssen wir nicht zwingend nur auf altbewährte Muster und Strukturen im Fußball zurückgreifen, sondern wollen die Angebote für die Community zusammen mit ihr entwickeln. Das ist ein Prozess, an dessen Anfang wir stehen und kaum erwarten können, was die Zukunft noch alles bringen wird.