Kult-Schiri: Eigene Briefmarke in Norwegen
Mit norwegischer Briefmarke (rechts oben) zum Kult-Status: Kreisliga-Schiedsrichter Peter Hertel.[Foto: privat]
Schiedsrichter aus Deutschland genießen zurecht weltweit einen exzellenten Ruf. Aron Schmidhuber, Markus Merk und Felix Brych wurden sogar mehrfach zum Weltschiedsrichter des Jahres gewählt. Eine offizielle Briefmarke wurde jedoch selbst diesen Größen ihrer Zunft nicht gewidmet. Dieses Kunststück gelang dem Brandenburger Kreisligareferee Peter Hertel. Wenn auch unfreiwillig.
Lustige Anekdoten über Schiedsrichter gibt es viele. Denken wir nur an den Purzelbaum von Walter Eschweiler bei der WM 1982. Oder an Wolf-Dieter Ahlenfelder, der einmal leicht angetrunken ein Bundesligaspiel bereits nach 32 Minuten abpfeifen wollte. Darüber wird noch heute herzhaft gelacht.
Auch die Geschichte von Peter Hertel, die sich vor inzwischen fast 20 Jahren zugetragen hat, sorgt auch heute noch für Heiterkeit. Denn damals landete der Amateurschiedsrichter ohne sein Zutun auf einer Briefmarke der norwegischen Post und wurde so zur Legende.
Zum 100. Gründungstag des norwegischen Fußballverbandes im Jahr 2002 sollte eine Sonderbriefmarke aufgelegt werden. Abgebildet werden sollte der damalige norwegische Topschiedsrichter Lars Johan Hammer. Doch dessen Bild wurde mit einem von Peter Hertel vertauscht. Als der Fehler auffiel, war es bereits zu spät. Die Briefmarken waren schon in hoher Auflage gedruckt.
"Als die norwegische Post das vertauschte Foto zur Freigabe an Lars Hammer faxte, hat der wohl nicht so genau draufgeschaut"
Zu Gast bei Stefan Raab und Günter Jauch
Doch wie kam die norwegische Post nur an das falsche Bild? Peter Hertel kann die Sache aufklären. "Ich hatte 1997 als einer von sechs ausländischen Schiedsrichtern beim Norway Cup teilgenommen, dem weltgrößten Jugendturnier. Offensichtlich wurde ich dort, ebenso wie Lars Johan Hammer, fotografiert, und die Fotos wurden später vertauscht."
Niemandem fiel der Irrtum zunächst auf. Dabei sah Peter Hertel seinem Kollegen überhaupt nicht ähnlich. Außerdem war deutlich zu sehen, dass er auf dem Bild ein deutsches Schiritrikot trug, noch dazu mit einem Brandenburger Emblem darauf. "Aber als die norwegische Post das vertauschte Foto zur Freigabe an Lars Hammer faxte, hat der wohl nicht so genau draufgeschaut. Jedenfalls hat er sein Okay gegeben", erzählt Peter Hertel.
Der Fauxpas machte Peter Hertel berühmt. Es folgten TV-Auftritte unter anderem bei Stefan Raab und Günter Jauch, etliche Interviewanfragen, Einladungen zu Radiosendungen und Briefmarkensammler-Treffen. Bis heute erreichen den Schiedsrichter immer wieder mal Anfragen. Und bis heute pfeift er nach wie vor - zumindest bis zum erneuten Lockdown - an jedem Wochenende mehrere Spiele.
Seit 40 Jahren ist Peter Hertel Schiedsrichter. Erst war er noch selbst Spieler und dabei "kein Kind von Traurigkeit". "Ich habe mir regelmäßig meine Karten abgeholt", sagt der heute 56-Jährige lachend. Dann erlitt er einen schweren Sportunfall. "Die DDR-Sportärzte haben das Allzweckmittel aller DDR-Sportärzte genommen. Eis, Eis und Eis. Danach ist alles falsch zusammengewachsen." Die Spielerkarriere war vorbei. Er konzentrierte sich fortan ganz aufs Pfeifen.
Reisefieber nach der Wende
Er machte seinen Job gut und leitete Amateur- und Jugendspiele, er war Linienrichter bei Partien von DDR-Zweitligisten und durfte einmal sogar ein Schülerländerspiel vor 100.000 Zuschauern im ausverkauften Leipziger Zentralstadion pfeifen. Nur ins Ausland durfte er nie.
Das änderte sich mit der Wende. Peter Hertel packte die Abenteuerlust und das Reisefieber. Er war Unparteiischer bei Spielen und Turnieren unter anderem in Dänemark, der Niederlande, Tschechien - oder eben in Norwegen. "Die Auslandseinsätze habe ich mir alle selber gesucht. Da musste man sich bewerben." Er tat es gerne.
"Ich pfeife streng und sehr gerecht. Ich habe auch mal einen lockeren Spruch drauf. Man muss spontan bleiben. Ich sage immer: Wie man in den Wald hinein schreit, so schallt es zurück", beschreibt Peter Hertel seinen Stil, der bei den Spielern in Hertels Fußball-Landesverband Brandenburg im Bereich Dahme-Fläming gut ankommt.
"Wir freuen uns immer wieder, wenn Peter Hertel für unsere Spiele als Schiedsrichter gesetzt ist. Mit seiner lässigen Art und dem Blick über das ganze Spielfeld trägt er immer wieder zu reibungslosen Spielen zu", schrieb beispielsweise ein User an FUSSBALL.DE .
Vorfreude auf den Restart
Ein Schiedsrichtervorbild hat Peter Hertel nie gehabt. "Ich hatte keinen, den ich kopieren wollte. Aber ich fand einige Schiedsrichter gut. Zu DDR-Zeiten war das etwa Bernd Heynemann. Heute macht Deniz Aytekin einen sehr guten Eindruck auf mich. Auch Manuel Gräfe ist mit zunehmendem Alter richtig gut geworden", freut sich Peter Hertel, dessen Stammverein der SV Frankonia Wernsdorf ist.
Peter Hertel will weiterpfeifen, "so lange mich die Füße tragen. Ich kann das Pfeifen immer noch genießen. Es gibt immer mal den einen oder anderen, der über die Strenge schlägt. Aber ich habe noch keine richtig negativen Erlebnisse gehabt."
Den aktuellen Lockdown empfindet der Finanzbuchhalter als "schlimm", nachdem er den ersten noch ein bisschen genießen konnte. "Da hat mir die Auszeit ganz gut getan." Doch jetzt vermisst er den Fußball sehr. Er will unbedingt bald wieder Spiele pfeifen. Streng, gerecht, locker und in Gedanken ganz weit weg von Norwegen...