Oberliga-Dino |07.08.2021|14:00

ETB: Kreative Köpfe für eine bessere Zukunft

"Klangvoller Name und lange Tradition": Der ETB Schwarz-Weiß Essen.[Foto: privat]

Als am Mittwoch, 4. August, Schwarz-Weiß und Rot-Weiss Essen im altehrwürdigen Stadion Uhlenkrug zum Testspiel aufeinandertreffen, ist es für den Gastgeber so etwas wie der Startschuss in eine bessere Zukunft. Denn der Essener Turner Bund (ETB), der die Farben schwarz-weiß mit Stolz trägt, muss möglichst schnell sein angestaubtes Image loswerden, um nicht das Schicksal vieler Traditionsvereine zu erleiden - vor allem im oft strukturschwachen Ruhrgebiet.

Für seine Geschichte kann sich nämlich auch der ETB nichts kaufen - und dass prominente Fußballer wie DFB-Direktor Oliver Bierhoff oder Jens Lehmann einst das schwarz-weiße Trikot trugen oder Europameister-Trainer Otto "König" Rehhagel dem Verein wohlgesonnen sind, hilft im Hier und Jetzt auch nicht viel.

1900 im vornehmen Süden gegründet und im Gegensatz zum Arbeiterverein RWE aus dem Norden der Stadt etwas spöttisch als "Lackschuh-Klub" bezeichnet, hat der DFB-Pokalsieger von 1959 (5:2-Sieg im Endspiel in Kassel über Borussia Neunkirchen) zumindest ein Alleinstellungsmerkmal vorzuweisen. Seit 1978 sind die Schwarz-Weißen ununterbrochen in der Oberliga am Ball und somit deutschlandweit der einzige Verein, der sich bereits seit mehr als 40 Jahren Oberligist nennen darf. Dies allerdings in drei verschiedenen Etagen, denn anfangs war die Oberliga die dritte Spielklasse, heute ist es die fünfte.

Kooperation mit dem Rivalen

"Wir sind kein Vorortverein. Aus dem Namen Schwarz-Weiß Essen kann man viel machen"

Damit es bloß nicht weiter hinab geht, dafür sorgt eine völlig neue Führungsmannschaft am Uhlenkrug. Mit dem Amtsantritt von Karl Weiß ging der Aufbruch los, der frühere ETB-Trainer trat vor drei Jahren als neuer Vorsitzender des Vereins an, um erst einmal das Schlimmste zu verhindern. Der einst vornehme "Lackschuh-Klub" war nämlich pleite und stand - nicht zum ersten Mal in den zurückliegenden Jahren - vor der Insolvenz. Karl Weiß, Leiter des Jobcenters Herne und daher mit schwierigen Aufgaben vertraut, verordnete dem Verein zunächst einen rigiden Sparkurs. Seine wichtigste Amtshandlung aber war: die lang gelebte alte Rivalität mit dem großen Stadtnachbarn Rot-Weiss zu begraben und eine für beide Seiten vorteilhafte Kooperation an den Start zu bringen.

Wichtigster Mann an der Schnittstelle zwischen Rot-Weiss und Schwarz-Weiß ist Jürgen Lucas. Der 51-Jährige war als Jugendspieler, Profi, Trainer und Sportdirektor fast Zeit seines Lebens ein Rot-Weisser. Seit einem Jahr ist er nun ein Schwarz-Weißer, zunächst als Sportdirektor und inzwischen als Sportvorstand. "Davon profitieren wir ungemein", sagt Günther Oberholz.

Der 57-Jährige ist ein weiterer der neuen Hoffnungsträger an der Spitze des ETB. Zuvor führte er über zwei Jahrzehnte die Geschicke beim FC Kray , den er zwischenzeitlich von der Bezirks- bis in die Regionalliga und zu Derbys vor 10.000 Zuschauer*innen an der Hafenstraße mit RWE führte. "Obi" soll mit seinem Netzwerk neue Partner an den Uhlenkrug lotsen und alte Schwarz-Weiß-Freunde, die sich aus Enttäuschung über den Niedergang am Uhlenkrug vom Verein abgewendet hatten, wieder zurückholen.

Attraktiv für Partner

Mit Oberholz zusammen wechselte auch Luca Ducree die Farben und heuerte beim ETB an. Der sehr engagierte 24-Jährige, zusätzlich auch frisch gewählter Ratsherr aus dem Essener Osten, hat beim ETB den Posten des Sportlichen Leiters übernommen und kümmert sich zusammen mit Jürgen Lucas um die Geschicke des Oberliga-Teams.

Etwas Geld in den Klub schießt Tobias Gottwald. Der Inhaber eines Onlinehandels für Werbemittel war vor einem Vierteljahrhundert einmal Jugendtrainer beim ETB, übrigens zusammen mit Karl Weiß, und stieg vor einem Jahr als Trikotsponsor ein. "Neben Schalke ist der ETB mein Herzensverein", sagt der Gelsenkirchener. Wie Oberholz, will der zweite Vorsitzende der Schwarz-Weißen vor allem seine Kontakte nutzen, um in Essen und Umgebung für das Potenzial des Vereins zu werben.

Das Marketing des Klubs verbessern möchte auch Andreas Hofer. Der Sohn des langjährigen ETB-Präsidenten Heinz Hofer ist in einem Autohaus in Essen tätig und als "Agent" - so nennt er sich gerne selbstironisch - ebenfalls in der Akquise und Betreuung von Partnern für den Verein tätig. "Der ETB hat einen klangvollen Namen und eine lange Tradition. Außerdem ist er kein Vorortverein, sondern führt, wie Rot-Weiss, die Vereinsfarben und die Stadt in seinem Namen", erklärt "Tobi" Gottwald. "Daraus lässt sich etwas machen, wir müssen es nur geschickt anstellen."

Die neue Führungstruppe will den Verein in Essen und Umgebung "für Interessenten weit öffnen". Ein Wirtschaftsbeirat ist in Gründung, ein Sponsorentreffen, bei dem mit moderner Technik die Potenziale des ETB aufgezeigt werden, in Vorbereitung.

Leistungsstark im Nachwuchs

Wichtig aber ist auf dem Platz. Und da hat der ETB ein Problem. So schön große Spiele wie am 4. August gegen Rot-Weiss Essen, bei dem übrigens für die Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland gesammelt wurde, im Stadion Uhlenkrug auch sind: Die Infrastruktur auf dem Sportgelände ist längst nicht mehr zeitgemäß. Den insgesamt zwölf Mannschaften - neben der Ersten in der Oberliga gibt es die Kreisliga-C-Reserve sowie zehn Jugendteams - stehen nämlich nur der Hauptrasen im Stadion sowie ein Ascheplatz zur Verfügung. Dabei sind die U 15, U 17 und U 19 der Schwarz-Weißen allesamt in der zweithöchsten Spielklasse, der Niederrheinliga, am Ball. "Im Nachwuchs sind wir praktisch heimatlos", drückt es Günther Oberholz drastisch aus. Was der umtriebige Funktionär meint: Die Jugendmannschaften trainieren und spielen auf der mehrere Kilometer vom Uhlenkrug entfernten Anlage "Am Krausen Bäumchen".

Natürlich haben die neuen Macher beim ETB ihr Anliegen bei der Stadt hinterlegt. "Wir haben auf diese besonders schwierige Situation hingewiesen und hoffen natürlich auf Unterstützung", betont Tobias Gottwald. Nur mit einer verbesserten Infrastruktur hätte der Klub die Perspektive, um von unten gesund zu wachsen.

Bis dahin hilft die Kooperation mit dem professionell aufgestellten Regionalligisten RWE, dass zumindest die erste Mannschaft wieder zur besseren Hälfte in der Oberliga aufsteigen könnte. Talente wie Clinton Williams oder Ismael Remmo, die von der rot-weissen U19 zu den ETB-Senioren gewechselt sind, machen schon einmal Lust auf mehr. "Wir können jungen Spielern, die bei RWE nicht den Sprung in die Regionalliga schaffen, eine gute Perspektive bieten", weiß Günther Oberholz.

Die Tradition lebt bei Schwarz-Weiß Essen - und an der Zukunft arbeiten kreative Köpfe, die den ETB wieder zur zweiten Macht in der fast 600.000 Einwohner zählenden Metropole im Ruhrgebiet machen wollen.