eNationalspieler|29.12.2021|10:30

"Musti" Cankal: Zocken und Gewinnen

Früher am Ball, heute an der Konsole: "Musti" Cankal ist einer der besten Gamer der Welt.[Foto: privat/FC St. Pauli/Collage FUSSBALL.DE]

Und plötzlich ist er die Nummer eins. Nicht irgendwo, sondern bei den Qualifiers der europäischen FIFA Global Series. "Xmusti19" ist nicht zu schlagen. Nach Dylan "DullenMike" Neuhausen ist er der zweite deutsche eNationalspieler, der dieses wichtige Turnier mit insgesamt 1200 Teilnehmenden gewinnt. Das war im März dieses Jahres, und inzwischen sind einige weitere Erfolge hinzugekommen.

"Es läuft", sagt Mustafa Emre Cankal, so sein richtiger Name. Der 20-Jährige gehört seit diesem Jahr zum fünfköpfigen Kader deutschen FIFA eNationalmannschaft . Ende November holte sich die DFB-Auswahl auch den Sieg beim eFriendly Cup 2021, als sich die Jungs an der Konsole beim Sechs-Nationen-Turnier gegen Belgien, Finnland, Israel, Luxemburg und Polen durchsetzten.

Wie alle Gamer, kommt auch "Musti" vom "normalen" Fußball zum eSports. Der gebürtige Hamburger fängt als kleiner Junge direkt beim FC St. Pauli an. "Mein älterer Bruder Issa wollte immer, dass ich auch Fußball spiele. Er hat mich mit nach St. Pauli genommen", berichtet Mustafa Emre Cankal.

Die Familie wohnt ganz in der Nähe des Millerntor-Stadions, bis zu den Sportplätzen an der Feldstraße ist es von zu Hause nur ein Katzensprung. Musti ist talentiert, er spielt mal ganz vorne, fühlt sich aber auch im Mittelfeld wohl. Von der "Pampersliga" bis zur U 14 kickt er für den Kultklub vom Kiez, doch dann reichen seine Leistungen nicht mehr, um in St. Pauli regelmäßig zum Einsatz zu kommen. Er wechselt zu Eintracht Norderstedt , spielt dort immerhin auch noch in der Junioren-Regionalliga und beginnt eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.

"Mein Traum war es, wieder das Trikot des FC St. Pauli zu tragen"

Über die weitere Station Concordia Hamburg landet er beim SC Hansa 1911 , wo er immer noch angemeldet ist. "Aber mein letztes Spiel als Aktiver ist schon mehr als ein Jahr her", berichtet Musti. Ein Kreuzbandriss setzt ihn lange außer Gefecht, und weil er nach einem Comebackversuch erneut umknickt und das Knie wieder dick wird, lässt er es mit dem Fußball auf dem Platz erst einmal bleiben.

Seit 2020 eFootball-Profi

Schon lange ist er dafür im virtuellen Fußball dabei – und wird dort immer besser. "Ich habe mit FIFA 12 angefangen, das ist also schon eine Weile her", meint Musti lachend. "Früher durfte ich nur ein-, zweimal die Woche spielen, mehr haben mir meine Eltern nicht erlaubt. Inzwischen ist das anders." Seit zwei Jahren ist er jeden Tag an der Konsole, bis 2020 noch meist an der Xbox, doch da die großen offiziellen Turniere auf der Playstation ausgetragen werden, ist auch er inzwischen umgeswitcht: "Die Umstellung war kein großes Problem."

Musti wird immer besser, erreicht in der Weekend League regelmäßig den Status "Elite 1" und findet sich bald unter den Top 100 der weltbesten FIFA-Gamer. Also trifft er mit seinen Eltern eine Verabredung. "Nachdem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, haben wir vereinbart, dass ich mich jetzt erst einmal voll auf eSports konzentriere und schaue, wie es läuft", erzählt Mustafa Emre Cankal.

Auch sein ehemaliger Verein wird auf ihn aufmerksam, am 1. Juli 2020 schließt sich der Kreis: Musti unterschreibt auf St. Pauli einen Vertrag als Profi – und zwar als eFootballer. "Mein Traum war es, wieder das Trikot des FCSP zu tragen", gibt er in einem Interview auf der Website des Klubs zu. "Ich bin dem Verein sehr dankbar für die Chance." Nun spielt er in der Virtual Bundesliga , mit dem offensivstarken Musti im Team wird St. Pauli in der vorigen Saison hinter Meister FC Heidenheim Zweiter. Außerdem ist er bei den wichtigsten eSports-Turnieren der Welt dabei – wegen der Corona-Pandemie bisher alles online. "Ich hoffe, dass es irgendwann wieder möglich ist, dass wir uns bei großen Events treffen können", sagt Musti.

Im Team mit dem "eFootballer des Jahres"

Wie beim eFriendly Cup, gehen auch Zweierteams an den Start. Dann daddelt er gemeinsam mit Umut "Umut" Gültekin, vom kicker  zum "eFootballer des Jahres 2020" gekürt. "Wir verstehen uns sehr gut, das passt", so Musti. Vor wichtigen Turnieren trainiert er sechs, sieben Stunden am Tag, immer maximal 90 bis 120 Minuten am Stück, dann braucht es eine Pause vom Bildschirm. Da der aktive Fußball seit einiger Zeit fehlt und er nicht gerne joggen geht, besucht er regelmäßig das Fitnessstudio, um einen Ausgleich zu schaffen.

Im Moment ist aber auch bei FIFA Weihnachtspause. Der nächste große Wettbewerb wartet erst wieder im Februar auf Musti und die anderen eSportler. Dann starten wieder die Qualifiers für die europäische FIFA Global Series – dort, wo für Musti der Aufstieg in die Weltspitze begann.