Waled El Said ist eine der ausgewählten Personen, die am Amateurfußballkongress (AFK) des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) über die Zukunft des Amateurfußballs mitdiskutieren darf. Durch seine Leidenschaft für die Entwicklung des Kinder- und Jugendfußballs hat der 30-Jährige in seinem Verein, den Sportsfreunden Troisdorf, ein "Entwicklungskonzept für Vereine" entwickelt und etabliert. Im Gespräch mit FUSSBALL.DE erzählt er, wie dieses Konzept aussieht, welche Ziele er damit verfolgt und welche Erwartungen er an den Amateurfußballkongress hat.
FUSSBALL.DE: Hallo Waled, du hast mit deinem Verein, den Sportsfreunden Troisdorf, ein "Entwicklungskonzept für Vereine" entwickelt und etabliert. Wie genau sieht dieses aus?
Waled EL Said: Wir haben ein Konzept entwickelt, bei der wir in jeder Jugend zwei Mannschaften haben. Also beispielsweise haben wir eine D1 und eine D2. Dabei bestehen die ersten Mannschaften aus einem Team von fünf Trainern mit zwei Co-Trainern und einen Cheftrainer. Dieser Cheftrainer ist in einer Funktion, in der er sich beide Mannschaften genau anschaut. Es ist meistens so, dass in der zweiten Mannschaft die Spieler sind, die körperlich oder technisch schwächer sind. Bei uns versuchen wir, diese gleichwertig zu entwickeln. Das heißt auch, dass diese in der Woche drei Mal trainieren. Die Trainingsinhalte sind dabei auch klar gegliedert, von unten nach oben. Nämlich durch viele kleine Spielformen: 3 gegen 3, 4 gegen 4 usw. Genauso wie das neu eingeführte Funino . Das heißt, jeder Trainer hat die gleichen Trainingsinhalte, das gleiche System, die gleiche Formation. Wir spielen das 4-3-3, welches der DFB als Entwicklungskonzept mit auf den Weg gibt. Und so weiß jeder von klein auf, wie gespielt wird bis nach ganz oben, wo die Durchlässigkeit durchkommt oder NLZs unsere Spieler anfragen. Was uns also ganz klar von anderen Vereinen unterscheidet, ist, dass wir den Kindern Zeit geben, sich zu entwickeln. Deswegen haben wir auch so viele Mannschaften und Kinder. Und das erkennt man auch. Wir haben beispielsweise U17-Spieler, die seit der U11 dabei sind. Das funktioniert also super und dadurch werden wir auch in der Zukunft gut aufgestellt sein.
Dafür braucht man sicher viele Trainer.
"Spieler müssen sich weiterentwickeln und sich nicht schnellstmöglich einem NLZ anschließen"
El Said: Also inzwischen haben wir 40-45 Trainerinnen und Trainer. Wir fangen bei den Kleinsten an, die noch im Käfig spielen und gehen dann durch bis zur U19. Jede Jugend bis auf die U19 hat dann zwei Mannschaften. Wir suchen die Trainer auch nicht einfach so aus, sondern haben da ein Vorstellungsgespräch. Wir wollen uns anschauen, ob diese zu uns passen. Identität, Empathie und Vorbildfunktion ist da ganz wichtig für uns. Da sind wir inzwischen wirklich stark aufgestellt. Stark aufgestellt sind wir aber auch im Individualtraining. Wir nehmen Spieler gerne mal eine halbe Stunde zur Seite und trainieren mit diesen dann individual. Dafür haben wir extra Techniktrainer, Torwarttrainer und Kamerasysteme, mit dem wir Spiele und Training aufnehmen und analysieren können. Das machen wir natürlich nur ab U14 oder U15.
Aus welchem Grund hast du das Entwicklungskonzept umgesetzt?
El Said : Wir sind bei den Sportsfreunden Troisdorf ein Jugendleistungszentrum. Das heißt, wir sind kein klassisches NLZ, wie es die 1., 2., und 3. Ligisten haben, sondern wir sind eine Ebene zwischen Breitensport und Nachwuchsleistungszentrum. Wir wollen die Basics, also diese Dinge, die uns im deutschen Fußball momentan überall fehlen, möglichst einfach gestalten. Sozusagen zurück zu den Wurzeln. Bedeutet den Kindern, die nicht die körperliche und geistige Reife haben, entwickeln. Wenn man sich die U-Teams des DFB anschaut, sind die meisten Spieler alle in der zweiten Jahreshälfte geboren, – vor allem im Januar, Februar und März. Das ist ein Augenmerk auf, das der DFB setzt. Und das sieht bei uns komplett anders aus. Bei uns ist ganz klar die Entwicklung im Vordergrund und vor allem die Durchlässigkeit nach oben. Zum Verständnis: Wir haben in meiner Mannschaft, also der U14, 70% der Spieler aus der zweiten Jahreshälfte. Darüber hinaus sind wir kein Verein, der nur auf Ergebnisse setzt wie die meisten es derzeit tun. Wir sind mehr ein Verein, der die Kinder und Jugendlichen wirklich entwickeln möchte. Wir wissen, dass das Zeit in Anspruch nimmt, aber wir wissen auch, dass wenn wir Zeit haben und bekommen, wir in Zukunft sehr gute Spieler haben werden. Weil meistens ist das so, dass die Spieler, die körperlich nicht so stark sind, sofort abgegeben werden. Die Spieler hören dann, sie seien zu klein oder zu schwach und sie sollen lieber eine andere Sportart ausprobieren. Das ist meiner Meinung nach der größte Fehler, den man machen kann.
Seit wann machst du das und auf welche Resonanz stößt das Konzept im Verein?
El Said: Wir machen das seit 2-3 Jahren und bei den Spielern kommt das super an. Und wie bereits gesagt, habe ich in meiner Mannschaft 70% aus der zweiten Jahreshälfte. Alle diese Spieler haben in Freundschafts- und Meisterschaftsspielen Einsatzzeiten erhalten. Wir sind zwar fußballerisch die beste Mannschaft, aber körperlich sind wir oftmals die Schwächeren. Viele Trainer wollen ab einem bestimmten Zeitpunkt die stärksten und schnellsten Spieler, denn sie wollen gute Ergebnisse einfahren. Bei uns ist das nicht so. Bei uns dürfen die Kinder einfach spielen, egal wie groß, stark oder schnell man ist. Und das kommt bei den Eltern und auch den Trainern, die neu zu uns kommen, richtig gut an. Und vor allem natürlich bei den Spielern, weil diese in einer Comfort Zone sind und das volle Vertrauen von uns bekommen.
Was war denn die größte Herausforderung bei der Entwicklung und Umsetzung des Konzepts?
El Said: Die größte Herausforderung sind auf jeden Fall die Ergebnisse. Ohne das spielerische zu betrachten, sind die Ergebnisse herausfordernd, weil das dazu führt, dass die Spieler ein wenig gehemmt sind und manche die Laune verlieren. Das ist für die Trainingsvorbereitung natürlich nicht optimal. Du musst dann mit den Spielern sprechen. Das ist allerdings normal, weil das ein Entwicklungsprozess auf Zeit und nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. In einem oder zwei Jahren wird man die Fortschritte erkennen und die Kinder haben wieder ihre gute Laune zurück.
Was sind die Ziele des Entwicklungskonzepts für die kommenden Jahre?
El Said: Wir möchten das auf jeden Fall weiterentwickeln, weil wir auch eine enorme Nachfrage haben. Wir haben fast täglich um die zehn neuen Anfragen von neuen Spielern auf dem Tisch liegen. Wir sehen da nur eine kleine Gefahr, bei der ich auch an alle Trainer aus dem Breitensport appellieren will. Wir sind gut aufgestellt, aber haben leider noch keine Scoutingabteilung. Das heißt, wir sind immer noch in der Situation, dass wir auf Spieler von außen warten müssen. Viele gute Spieler werden von ihrem Trainer "versteckt", weil dieser Angst hat, seinen besten Mann zu verlieren. Eigentlich sollte jeder Trainer nur eines im Kopf haben: Die Entwicklung der Spieler. Im Breitensport hat man eben nicht die Möglichkeit, die wir haben. Wir müssen da an einem Strang ziehen und wir haben alle ein Ziel. Spieler müssen sich weiterentwickeln und sich nicht schnellstmöglich einem NLZ anschließen.
Nun nimmst du am Amateurfußballkongress teil. Was war deine Motivation, sich dort anzumelden?
El Said: Ich bin schon seit einigen Jahren im Fußball dabei und ich habe mir sehr gerne den internationalem Fußballkongress angeschaut, bei dem beispielsweise Ralf Rangnick, Matthias Sammer oder Julian Nagelsmann ihre Ideen und Konzepte vorgestellt haben. Da wollte ich immer mal teilnehmen und mich mit anderen austauschen. Ich bin auch jemand der viel hospitiert, zu Stützpunkten geht und tagtäglich was dazulernen möchte. Deswegen habe ich mich angemeldet und Glück gehabt, dass ich dabei sein darf.
Und mit welchen Erwartungen reisen sie an?
El Said: Das Ziel ist auf jeden Fall neues Wissen anzueignen und Erfahrungen zu sammeln. Erfahrungen und Erfahrungsaustausch ist meiner Meinung nach das Wichtigste im Leben. Von anderen Trainern möchte ich neue Dinge lernen: Wie leiten die das Training? Was sind deren Ziele? Wie sehen diese den Fußball in der Entwicklung momentan? Was müssen wir verändern, um dahin zu kommen, wo wir früher mal gewesen sind? Was können wir tun um es besser zu machen? Wie können wir Kinder fördern, die einfach nur kicken wollen? Bei den Fragen bekomme ich gerade schon Gänsehaut.