Silja Römer stand in Sportkleidung und mit einer Schreibmappe in der Hand am Sportplatz der SG Trohe/Alten-Buseck. Ein Verantwortlicher des Klubs kam auf sie zu und zeigte der 46-Jährigen den Weg zur Schiedsrichterkabine. Römer musste lachen. "Der dachte wirklich, ich würde gleich das Spiel pfeifen", sagt sie im Gespräch mit FUSSBALL.DE. Doch Römer war aus einem ganz anderen Grund vor Ort.
Seit diesem Frühjahr trainiert sie die erste Männermannschaft der FSG Bessingen/Ettingshausen/Langsdorf . Die Auswärtspartie bei der SG Trohe/Alten-Buseck war ihr Debüt. In Hessen dürfte Römer eine Ausnahmeerscheinung sein. "Mir ist keine weitere Frau bekannt, die eine Männermannschaft trainiert", sagt die Pionierin.
In ihrem Stammverein gab es in der laufenden Saison Probleme. Zwischen den Spielern der Kreisoberliga -Mannschaft und Trainer Steffen Becker passte es nicht mehr. Fußballvorstand Oliver Heil zog deshalb die Reißleine. Er machte sich auf die Suche nach einem Nachfolger für Steffen Becker – und fand eine Nachfolgerin.
Besser als der Bruder
"Es war ungewohnt, vor rund 20 Männern eine Ansprache zu halten"
Silja Römer hatte sich als Jugend- und Frauentrainerin einen Namen gemacht – unter anderem im Nachwuchsbereich von Fortuna Ober-Bessingen. Aber auch im Männerteam der FSG Bessingen/Ettingshausen/Langsdorf war sie bereits bekannt. Als ihr guter Bekannter Steffen Becker im Sommer 2021 für zwei Wochen im Urlaub war, übernahm sie die Trainingseinheiten. "Mein Aufwärmprogramm und die Spielformen haben den Männern sehr gut gefallen", berichtet die Trainerin. Auch dass sie nach dem Training auf zwei, drei Bier am Sportplatz blieb, kam in der Mannschaft gut an. "Und außerdem bin ich absolut fußballverrückt", lacht Römer. Ihr Sohn Moritz (18) teilt die Leidenschaft für den Sport. Tochter Franzi (14) begeistert sich hingegen fürs Reiten.
Schon als kleines Mädchen kickte Römer vor dem Haus, auf dem Schulhof und auf dem Sportplatz. "Mein Zwillingsbruder Sven hatte mit Fußball nichts am Hut, mir hat der Sport umso mehr gefallen", erzählt sie. Ihr zwei Jahre älterer Bruder Marco war in seiner Jugend auch Fußballer. "Dann war ich irgendwann besser als er, und deshalb hat er aufgehört", grinst Silja Römer. So erzählte es zumindest ihre Mutter.
Deutsche Meisterin in Duisburg
Silja Römer schaffte es als Mädchen in die Kreisauswahl, im Frauenbereich ging es hoch bis in die Hessenliga. Sie mochte es aber auch, Fußballspiele zu analysieren und schlug deshalb eine Trainerlaufbahn ein. Sehr schnell stellten sich die ersten Erfolge ein: Römer war Co-Trainerin der Hessen-Auswahl der U 18-Juniorinnen. Als sie das erste Mal zur Deutschen Meisterschaft nach Duisburg fuhr, feierte sie auf Anhieb den Titel.
Römer hat sich als Trainerin ständig weitergebildet und die B-Lizenz erfolgreich abgeschlossen. Vor einigen Wochen fuhr sie zum Auffrischungslehrgang in die Sportschule Grünberg. "Ich war mal wieder die einzige Frau", sagt Römer. Sie hat es genossen, mit den männlichen Kursteilnehmern über Taktik und Trainingslehre zu reden. "Die Stimmung war super locker", erzählt Römer.
Aufgeregt war sie hingegen bei ihrem ersten Spiel als Trainerin in der Kreisoberliga. "Es war ungewohnt, vor rund 20 Männern eine Ansprache zu halten", berichtet die gebürtige Licherin. Während des Spiels war von Anspannung nichts mehr zu spüren. Am Ende gewann ihr Team mit 1:0. Doch die neue Trainerin dachte nicht daran, den Erfolg für sich zu beanspruchen. "Das war eine super Teamarbeit", sagt Silja Römer, die dabei ihren Co-Trainer Timo Günzel hervorhebt.
Stürmersuche läuft
Trotz des Sieges zum Einstand droht der Mannschaft weiterhin der Abstieg. Das stört Römer aber nicht. "Wir sind gerade in einem Verjüngungsprozess, da wäre es nicht tragisch, wenn's in die Kreisliga runter geht", sagt die Trainerin, die für ihre Mannschaft noch einen Stürmer und einen Allrounder sucht. "Vielleicht gibt es ja Fußballer, die Lust haben, unter einer Frau zu trainieren", sagt sie.
Römer hat für die kommende Saison bereits zugesagt. Dann wird ihr auf den hessischen Sportplätzen wohl nicht mehr der Weg zur Schiedsrichterkabine gezeigt.