Magazin | 17.05.2025 | 10:45

Schiri Abieba: "Kreisliga oder Regionalliga - ich will jedes Spiel genießen"

Schiri Kenny Abieba: "Ich war zwar auch ein ordentlicher Fußballer, aber da hätte ich es sicher nicht so weit gebracht."[Foto: imago]

Kenny Abieba ist einer der talentiertesten Schiedsrichter im Bayerischen Fußball-Verband. Der 27-Jährige leitet bereits Spiele in der Regionalliga und assistiert in der 3. Liga. Im "normalen" Leben arbeitet Abieba als Erzieher im Jugendamt der Stadt Nürnberg. Wie profitieren in seinem Fall Berufsleben und Schiedsrichterei voneinander? Darüber spricht er mit FUSSBALL.DE.

Kenny Abieba fällt auf. Als meinungsstarke Persönlichkeit. Aber auch wegen seines Erscheinungsbildes. Vor allem wegen seiner Frisur, wegen der schwarzen Locken, die kaum zu bändigen scheinen. Aber es würde Abieba nicht gerecht werden, seine besondere Rolle auf diese optischen Merkmale zu reduzieren. Denn der 27-Jährige hat in der jüngeren Vergangenheit eine ziemlich beachtliche Karriere als Unparteiischer hingelegt. Als Assistent ist er in der 3. Liga im Einsatz, als verantwortlicher Schiedsrichter leitet er Begegnungen bis zur Regionalliga Bayern.

"Eine Schule fürs Leben"

"Die Schiedsrichterei macht mir unglaublich viel Spaß - auch mit allen herausfordernden Aspekten, die es sicherlich gibt", sagt Abieba. "Aber das gehört dazu. Für mich ist es eine Schule fürs Leben. Ich bin davon überzeugt, dass die Schiedsrichterei mich zu einer selbstbewussteren Person gemacht hat. Ich bin total glücklich, dass ich die Entscheidung für die Schiedsrichterei getroffen habe."

Abieba nennt konkrete Beispiele, wie er sich zum Positiven verändert hat: Er sei durch die Tätigkeit auf dem Fußballplatz resilienter geworden. Kritik und unvorhersehbare Ereignisse würden ihn nicht mehr so schnell aus der Bahn werfen: "Als Schiedsrichter lernt man zwangsläufig sehr schnell, wie man mit Kritik umgehen kann und muss. Denn man kann es niemals allen recht machen. Die einen finden eine Entscheidung gut, die anderen können sie oft nicht nachvollziehen." Wichtig sei immer, eine klare und transparente Kommunikation auf Augenhöhe. Seine Erfahrung zeigt, dass das "oft für Verständnis sorgt und den Kritikern schnell den Wind aus den Segeln nimmt."

Abieba weiter: "Ein weiterer positiver Aspekt, den die Schiedsrichterei mir gebracht hat, ist die Tatsache, dass ich keine Probleme mehr habe, vor einer größeren Gruppen von Menschen zu sprechen. Das war schon zu Schulzeiten ein echter Vorteil. Wenn sich alle anderen immer davor gedrückt haben, eine Gruppenarbeit oder ein Referat vorzustellen, habe ich gerne übernommen und eine gute Note bekommen. Ich kann Jugendlichen wirklich nur empfehlen, darüber nachzudenken, Schiedsrichterin beziehungsweise Schiedsrichter zu werden. Mir hat es unheimlich viel gebracht."

"Ich bin in einer nicht ganz einfachen Gegend in Nürnberg groß geworden, außerdem habe ich einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn - deshalb hat mich die Schiedsrichterei schon immer fasziniert"

Abieba hat mit 13 Jahren seinen ersten Schiedsrichterschein gemacht. Vor allem zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend: Erstens wollte er sein eigenes Geld verdienen, um finanziell unabhängiger von seinen Eltern zu sein. Und zweitens war es als Jugendfußballer oft mit den Leistungen der Schiedsrichter nicht einverstanden. Er wollte nicht nur reden und kritisieren, sondern es besser machen.

"Ich bin in einer nicht ganz einfachen Gegend in Nürnberg groß geworden und war recht oft auf mich alleine gestellt", sagt Abieba. "Außerdem habe ich einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Deshalb hat mich die Schiedsrichterei schon immer fasziniert. Ich habe es bis heute keinen Augenblick bereut, darauf meinen Fokus zu legen. Ich war zwar auch ein ordentlicher Fußballer, aber da hätte ich es sicher nicht so weit gebracht."

Als Schiedsrichter hingegen ist Abieba nahezu jedes Jahr aufgestiegen. Wie hat er das geschafft? "Ich versuche einfach immer, meine beste Leistung zu bringen, offenbar ist mir das recht häufig gelungen", sagt Abieba und muss lachen. "Ganz egal, welche Begegnung ich leite. Kreisliga oder Regionalliga - ich gehe in jedes Spiel, als wäre es mein letztes und will es einfach nur genießen. Natürlich gelingt es nicht immer, und hinterher ärgert man sich über eine möglicherweise falsche Entscheidung. Aber auch damit muss mal lernen umzugehen."

Genau das ist jedoch leichter gesagt als getan. Gibt auch Abieba zu: "Ich schlafe nach Spielen oft sehr schlecht und liege noch lange wach, weil ich über das Geschehene nachdenke. Aber nicht nur, wenn ich das Gefühl habe, schlecht gepfiffen zu haben. Auch nach guten Spielen brauche ich sehr lange, um wieder zur Ruhe zu kommen."

"Junge Menschen unterstützen"

Man kann schon sagen, dass Abieba im besten Sinne fußballverrückt ist. Einige Jahre hat er neben der Schiedsrichterei als Jugendtrainer bei der SG Quelle Fürth gearbeitet. Nicht selten war er dann sechs oder sogar sieben Tage in der Woche auf dem Fußballplatz. "Mir ist es einfach wichtig, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und sie zu unterstützen", sagt er. " Deshalb hat mir die Trainertätigkeit auch so viel gegeben. Aber irgendwann hat die Schiedsrichterei so viel Zeit in Anspruch genommen, dass ich das Traineramt schweren Herzens aufgeben musste. Ich konnte leider nicht mehr so regelmäßig vor Ort sein, wie es mein eigener Anspruch ist. Deshalb musste ich die Entscheidung so treffen. Aber sie ist mir wirklich schwergefallen."

Dass Abieba der Nachwuchs wichtig ist, erkennt man auch daran, dass er hauptberuflich als Erzieher tätig ist. Er arbeitet im Jugendamt der Stadt Nürnberg. "Für mich passt es gut zusammen, dass ich am Wochenende als Unparteiischer im Einsatz und während der Woche als Erzieher tätig bin", sagt Abieba. Und gewisse Parallelen sind ja hier auch nicht von der Hand zu weisen: Auch als Unparteiischer muss er oft erzieherische Maßnahmen ergreifen - zum Beispiel in Form von Platzverweisen.