FC Viktoria Manheim: Zuhause an einem neuen Ort
FC Viktoria Manheim: "Als es dann wirklich so weit war, hat es doch sehr weh getan."[Foto: Privat]
Der Tagebau von RWE hat dafür gesorgt, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes Manheim in Nordrhein-Westfalen ihre Heimat verlassen müssen – mit dem FC Viktoria Manheim auch der ortsansässige Fußballverein. Die Menschen leben nun in Manheim-neu. Der FC Viktoria Manheim hat dort ebenfalls sein neues Zuhause gefunden und nimmt nun, gemeinsam mit den anderen Ortsvereinen, eine ganz besondere Rolle ein. Er hilft dabei, die Menschen zusammenzuhalten und die Eingewöhnung leichter zu machen. Aber der Verein hat von dem Umzug auch profitiert. Wie genau? Eine Spurensuche vor Ort.
Die Abbruchkante kommt näher. Und näher. Täglich, stündlich. Ganz langsam zwar. Aber unaufhaltsam. Bald wird der alte Platz des FC Viktoria Manheim nicht mehr existieren. Er wird dem Tagebau von RWE zum Opfer gefallen sein. Früher hat der Gedanke Spieler und Verantwortliche des Klubs aus dem Fußball-Verband Mittelrhein belastet. Heute nicht mehr. Sie haben damit abgeschlossen. Was einst ihre sportliche Heimat war, hat sich die Natur längst zurückgeholt. Wo die Tore standen, wuchert das Unkraut. Der Elfmeterpunkt existiert nicht mehr. Das Vereinsheim ist schon lange abgerissen, ein aufgegebener Ort – wie fast alles in Manheim-Alt.
Die Menschen und auch der Verein haben inzwischen ein neues Zuhause gefunden. Es trug – wie passend – einige Jahre den Namen Manheim-neu, inzwischen heißt der Ort nur noch Manheim. 1700 Menschen leben derzeit dort. "Natürlich ist uns allen der Umzug zunächst schwergefallen. Wer verlässt schon gerne die Heimat, wo die eigene Familie möglicherweise seit Generationen lebt?", fragt Wolfgang Eßer, 1. Vorsitzender des FC Viktoria Manheim. "Aber zumindest der Verein hat davon profitiert. Früher hatten wir zwei Rasenplätze, wobei einer eigentlich eher ein Acker war. Heute haben wir eine moderne Anlage mit einem Kunstrasenplatz." Und genau das hat sich auch positiv auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt: Damals hatte der Klub 150 Mitglieder, heute sind es konstant über 300 – eine Steigerung um über 100 Prozent.
"Wichtig, dass unser Ort einen starken Fußballverein hat"
"Der Kunstrasen ist natürlich ein ganz starkes Argument für uns, zumal einige Nachbarvereine teilweise nur über einen Rasen- und Aschenplatz verfügen", sagt Eßer. "Die Entwicklung insgesamt ist sehr erfreulich. Aber es ist auch wichtig, dass unser Ort einen starken Fußballverein und die anderen Vereine hat. Denn wir sehen es schon als unsere Aufgabe an, die Menschen hier nach diesem Umzug, der schon ein tiefer Einschnitt war, zusammenzuhalten und das Dorfleben lebendig zu halten. In der Umzugsphase war das wichtiger als jemals zuvor."
Der FC Viktoria Manheim im Verbund mit der Vereinsrunde ist also gerade aktuell viel mehr als nur ein Fußballverein. Er ist vor allem an den Wochenenden sozialer Treffpunkt. Hier tauscht man sich aus, hier löst man Probleme, hier schaut man positiv in die Zukunft. "Das Clubheim in Manheim-alt war schon in der Umzugsphase Treffpunkt zum Erfahrungsaustausch, schwierig wurde es, als der Ort quasi zweigeteilt war und man erst zum Training und Spiel nach Manheim-alt und danach nach Manheim-neu pendeln musste", betont Eßer: "Es war zwar lange abzusehen, dass Manheim-alt irgendwann von der Landkarte verschwunden sein wird. Als es dann wirklich so weit war, hat es doch sehr weh getan. Aber jetzt schauen wir wieder nach vorne und machen das Beste aus der Situation."
Seit dem 1. Juli 2017 befindet sich der FC Viktoria Manheim inzwischen an seinem neuen Ort – also seit fast acht Jahren. Der Vorstand, der den Umzug begleitet und geführt hat, ist heute zu großen Teilen noch immer tätig – beim FC Viktoria Manheim wird auf Kontinuität gesetzt. Auch innerhalb der ersten Mannschaft, die in der Kreisliga B unterwegs ist, ist der Kern des Teams weitestgehend zusammengeblieben. "Bei uns stehen Werte wie Kameradschaft, Teamgeist und Spaß am Fußball an erster Stelle. Das ist allen wichtig", sagt Eßer. "Ich bin seit über 20 Jahren hier in verantwortlicher Position tätig und habe noch nie einem Spieler Geld bezahlt. Und das wird auch so bleiben. Wir sind und bleiben ein kleiner Amateurverein, der vom Ehrenamt lebt."
"Der Verein ist gestärkt daraus hervorgegangen"
Das Schicksal von Manheim-alt, ein Stadtteil von Kerpen im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen, hängt eng mit dessen Lage zusammen, denn im Boden sind große Mengen Braunkohle vorhanden. Deshalb musste Manheim-alt dem Braunkohletagebau von RWE weichen. Kurios: Die Kohle unter Manheim-alt wird wegen des vorgezogenen Kohleausstiegs gar nicht mehr benötigt. Der Ort wird trotzdem verschwinden, weil nun der Sand und das Kies aus der so genannten Manheimer Bucht gebraucht wird, um im Tagebau Hambach die Böschungen für den kommenden See im richtigen Gefälle aufzuschütten. Nur die alte Kirche soll stehen bleiben. Ihre weitere Verwendung ist noch ungewiss.
Wer durch Manheim-alt fährt, spürt schnell, dass der Ort keine Seele mehr hat. Fast alle Häuser sind abgerissen und die Bäume gerodet. Die Kirche ist nur noch eine Fassade, sie wurde schon vor vielen Jahren entweiht. Die Straßen und Gehwege sind leer. Nur der RWE-Wachdienst ist noch regelmäßig unterwegs. Ganz wenige Einwohnerinnen und Einwohner sind noch da, sie werden auch in Kürze den Ort verlassen.
Der FC Viktoria Manheim ist nicht mehr da. Der Verein hat sich an neuem Ort neu aufgestellt. Der Klub ist derzeit mit drei Herrenteams im Spielbetrieb dabei. Auch im Jugendbereich sind fast alle männlichen Altersklassen besetzt – dazu gibt es die Alten Herren in einer Spielgemeinschaft mit dem SV Blatzheim. Eßer sagt: "Es waren, sind und bleiben herausfordernde Zeiten. Aber der Verein ist gestärkt daraus hervorgegangen. Vielen Dank an alle, die dabei geholfen haben. Deshalb sehen wir es auch als unsere Aufgabe, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben."