Magazin | 10.08.2025 | 09:15

Weltenbummler Krautzun: "Ich bleibe Student des Fußballs"

Krautzun: "Das ehrenamtliche Engagement, das in Amateurvereinen geleistet wird, ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen."[Foto: imago/Schüler]

Eckhard Krautzun hat dank des Fußballs die Welt gesehen. Auch in Deutschland hat der Fußball-Lehrer erfolgreich gearbeitet und unter anderem mit dem 1. FC Kaiserslautern den DFB-Pokal gewonnen. Aber seine Heimat ist der Amateurfußball. Begonnen hat alles bei Union Solingen und dem Rheydter SV. Heute lebt der 84-Jährige in Heppenheim und verfolgt die Begegnungen der dortigen Sportfreunde und des FC Starkenburgia sehr rege. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht Krautzun über den Fußball in der weiten Welt und direkt vor der eigenen Haustür.

FUSSBALL.DE: Herr Krautzun, mal ehrlich, wie intensiv verfolgen Sie noch den Fußball?

Eckhard Krautzun: Sehr intensiv. Auch mit 84 Jahren bin ich noch voll im Thema und schaue mir alles an. Die Bundesliga, aber auch internationalen Fußball.

Vor Ort oder im Fernsehen?

Krautzun: Vor Ort natürlich, wenn es sich anbietet. Ich versuche, mindestens einmal die Woche irgendwo im Stadion zu sein. Aber natürlich auch im Fernsehen.

Vor allem in Deutschland?

Krautzun: Ja, schon. Aber ich bin auch mehrfach im Jahr in England - zum Beispiel bei Manchester United, Manchester City oder dem FC Liverpool. Aber in erster Linie bin ich in Deutschland unterwegs. Als ehemaliger Trainer von Darmstadt 98 habe ich dort eine Dauerehrenkarte. Ich bin gerne beim FCK auf dem Betzenberg, bei Eintracht Frankfurt, in Hoffenheim und auch bei Mainz 05. Der Fußball war mein Leben lang mein Brotgeber. Also werde ich selbstverständlich auch bis zu meinem letzten Tag Teil des Spiels bleiben. Der Fußball hält mich jung. Ich freue mich darüber, dass ich immer noch als Experte gefragt bin und Vorträge halten darf.

"Der Amateurfußball ist eine super Möglichkeit, Hinzugezogene in die Gemeinschaft zu integrieren"

Interessiert Sie nur der Profifußball oder auch die Amateure?

Krautzun: Der Amateurfußball ist die Basis. Ich bin ja nicht ohne Grund Mitglied in vier verschiedenen Vereinen. Ich bin sehr gerne am Wochenende bei den Sportfreunden Heppenheim oder dem FC Starkenburdia auf der Anlage. Auch wenn der Nachwuchs spielt, bin ich da. Der Frauenfußball interessiert mich inzwischen ebenfalls sehr. Meiner Meinung nach ist das Spiel selbst der beste Lehrmeister.

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der Amateurfußball? Der Fußball vor der Haustüre?

Krautzun: Extrem wichtig. In vielerlei Hinsicht. Auch für uns als Gesellschaft. Ich liebe spannende Lokalderbys, die mit großen Emotionen geführt werden. Das ehrenamtliche Engagement, das in kleinen und größeren Amateurvereinen in ganz Deutschland geleistet wird, ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Das ist einfach nur großartig. Ich freue mich immer, wenn ich am Wochenende ganze Familien auf der Anlage sehe, die dort eine tolle Zeit haben. Der Amateurfußball verbindet. Und er ist übrigens auch eine super Möglichkeit, Hinzugezogene in die Gemeinschaft zu integrieren. Wissen Sie übrigens, welcher Amateurverein für mich in dieser Hinsicht vorbildlich ist?

Nein, verraten Sie es mir.

Krautzun: Der SV Rot-Weiß Walldorf-Mörfelden.

Warum? Was macht für Sie den perfekten Amateurverein aus?

Krautzun: Für mich ist das ein Musterbeispiel für eine hervorragende Vereinsführung und Vereinskultur. Die haben eine tolle Anlage mit drei Kunstrasenplätzen und eine herausragende Jugendarbeit mit mehr als 20 Nachwuchsteams. Hinzu kommt, dass fast alle Trainerinnen und Trainer einen Trainerschein haben. Aber besonders fasziniert mich, wie dort die Menschen mit Migrationshintergrund in das Klubleben integriert werden. Eine Sache, die ich vor allem im Amateurfußball nicht verstehe: Warum holen sich die Vereine nicht erfahrene Trainer, die im Moment keinen Job haben, als Mentoren ins Team? Die könnten doch den Coaches vor Ort oder auch den Eltern, die häufig Jugendmannschaften betreuen, wichtige Tipps geben. Hier werden die Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben, gar nicht ausgeschöpft.

Sie kennen offensichtlich den Fußball vor der Haustür, aber auch den Fußball in der weiten Welt. Sie waren über Jahrzehnte in besonderen Ländern als Trainer tätig und damit auch ein Botschafter für den deutschen Fußball im Ausland. Wie schauen Sie auf diese Zeit zurück?

Krautzun: Nicht nur ich, sondern mehrere Kollegen auch. Wir haben den deutschen Fußball wirklich mit Herzblut im Ausland vertreten. Ich denke dabei zum Beispiel an Burkhard Pape, Holger Obermann, Horst Kriete, Peter Überjahn, Monika Staab, Anja Palusevic, Michael Nees und Markus Weidner. Sie alle haben tolle Auszeichnungen für ihre Tätigkeiten im Ausland bekommen, teilweise von den höchsten Staatsleuten und Würdenträgern vor Ort. Das Feedback war immer positiv. Finanziert und organisiert wurde das durch das Auswärtige Amt, den DFB, den Deutschen Olympischen Sportbund und die Bundeszentrale für internationale Zusammenarbeit. Wir haben unglaublich viel erreicht und eine riesige Wertschätzung bekommen. Ich denke auch gerne an die Lehrgänge zurück, die wir einmal im Jahr für internationale Kolleginnen und Kollegen an der Sportschule Hennef ausgerichtet haben.

Sie waren in Südkorea, Kenia, Malaysia, Kanada, auf den Philippinen, in China, den USA und weiteren Ländern tätig. Die Medien nennen Sie gerne Weltenbummler. Gibt es Momente, die besonders hängen geblieben sind?

Krautzun: Schwierig. Ich könnte unglaublich viele nennen. Wo soll ich anfangen?

"Ich habe von der deutschen Botschaft ein Papier bekommen, auf dem mein Verhalten im Kriegsfall und mein Fluchtweg genau notiert waren"

Am besten bei Ihrer ersten Auslandsstation in Südkorea.

Krautzun: Dort bin ich auf Vermittlung von Dettmar Cramer gelandet, der übrigens zusammen mit Hennes Weisweiler mein Ausbilder war. Von beiden habe ich unglaublich viel gelernt, beiden habe ich unglaublich viel zu verdanken. Die Zeit in Südkorea war nicht ohne. Das war politisch eine unruhige Zeit. Nordkorea hat zweimal einen Krieg provoziert. Ich habe damals von der deutschen Botschaft ein Papier in die Hand gedrückt bekommen, auf dem mein Verhalten im Kriegsfall und mein Fluchtweg genau notiert waren. Das war eine gefährliche Zeit, aber sportlich war es toll. Ich habe die Südkoreaner sehr zu schätzen gelernt.

Später kamen dann zwei Jahre in Kenia…

Krautzun: Ich war von 1972 bis 1974 dort Nationaltrainer. Unglaublich, wie lange das schon her ist. Ich musste meine aktive Karriere als Spieler wegen anhaltender Knieprobleme leider früh beenden und bin dann in jungen Jahren Trainer geworden. Aber zurück nach Kenia: Wir haben dort super Arbeit geleistet und sind sogar vom Staatspräsidenten eingeladen worden. Aber es war herausfordernd. Nicht nur sportlich, sondern auch politisch. In Kenia gab es zahlreiche verfeindete Stämme. Ich stand plötzlich vor der Herausforderung, aus diesen Gruppen, die sich politisch bekriegten, eine Nationalmannschaft zu bilden.

Wie haben Sie es hinbekommen?

Krautzun: Eigentlich ganz einfach: Ich habe ziemlich schnell deutlich gemacht, dass wir sportlich nur erfolgreich sein können, wenn wir auf dem Platz zusammenhalten und ein Team sind. Das hat nach anfänglichen Schwierigkeiten auch hervorragend funktioniert. Aber die Stammesführer haben immer sehr genau geschaut, wie die Verteilung der Spieler war. Selbst der deutsche Botschafter in Kenia hat mich dann damals eingeladen und wollte wissen, wie ich es geschafft hatte, die verfeindeten Stämme in einer Nationalmannschaft zu vereinen.

War es auch gefährlich, dort zu arbeiten?

Krautzun: Die Frage kann ich gut mit einer kleinen Anekdote beantworten. Wir waren zu einer großen Feier in einem Hotel in Mombasa zusammengekommen. Es war eine schöne Party. Aber am nächsten Morgen fand jemand eine Person, die vor dem Hotel tot in einem Gebüsch lag. Logischerweise waren wir alle geschockt. Es stellte sich heraus, dass das der Schiedsrichter-Obmann war, dem wohl jemand Gift ins Getränk gemischt hatte, weil man mit seinen Entscheidungen nicht zufrieden gewesen war. Auch solche Geschichten habe ich leider erleben müssen.

Da war es sicher ganz hilfreich, dass Sie sportlich erfolgreich waren.

Krautzun: Oh ja, sportlich lief es zum Glück relativ gut. Das hat vieles erleichtert. Ich weiß noch, dass wir den Ostafrikapokal gewonnen haben. Das war ein riesiger Erfolg für das Land.

Sie waren auch Nationaltrainer der Philippinen.

Krautzun: Gut, dass Sie dieses Kapitel meiner Karriere ansprechen. Denn das war wirklich eine sehr besondere Zeit.

Wie war es 1990 fußballerisch auf den Philippinen, als Sie dort waren?

Krautzun: Sagen wir es mal so: Fußball hat dort zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle gespielt.

"Die Spieler der Philippinen kamen beim ersten Mal in Sandalen oder barfuß"

Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Krautzun: Es war ganz offensichtlich: Als ich die Nationalmannschaft zusammengerufen habe, kamen die Spieler beim ersten Mal in Sandalen oder barfuß. Niemand hatte Fußballschuhe. Kein Spaß, so war es wirklich. Als ich dorthin kam, waren die Philippinen ungefähr Platz 200 der FIFA-Weltrangliste. Die wichtigsten Sportarten waren dort Basketball, Baseball und Boxen. Fußball spielte im Grunde keine Rolle. Das Team hatte seit Jahren nichts mehr gewonnen. Die hatten wirklich immer verloren. Ich sollte die Mannschaft im Rahmen eines Kurzzeitprojektes innerhalb von drei Monaten auf die Südostasienmeisterschaften vorbereiten. Die Philippinen waren Gastgeber. Es war ein Himmelfahrtskommando.

Eine Nationalmannschaft, die barfuß spielt?

Krautzun: Nein, nein. Ich habe dem Auswärtigen Amt ein Fax geschickt, dass ich dringend 30 Paar Fußballschuhe brauche. Nach einigem Hin und Her habe ich die dann auch bekommen. Und 20 Bälle haben sie mir auch mitgeschickt. Ich werde nie vergessen, was die Spieler für Augen gemacht haben. Einige von denen haben da zum ersten Mal in ihrem Leben Fußballschuhe getragen. Das war unglaublich.

Dann konnte es ja losgehen...

Krautzun: Moment, nicht so schnell. Auch die infrastrukturellen Bedingungen waren kaum zu beschreiben: Es gab keinen Fußballplatz, auf dem wir trainieren konnten. Wir sind dann in ein Ressort, dessen Rasenfläche wir nutzen konnten. Der war aber so hoch gewachsen, dass wir den erst mal mähen mussten. Tore gab es auch nicht. Ein fußballbegeisterter deutscher Manager, der dort lebte, hat uns dann zwei Tore herstellen lassen. Ich musste ihm aber vorher eine Zeichnung mit den genauen Maßen anfertigen. Die Tore waren unglaublich schwer und stabil. Ich habe die ganze Mannschaft zusammengerufen, und wir haben sie dann gemeinsam an die richtigen Stellen geschleppt und dort auf der Anlage eingepflockt. Es war wirklich eine besondere Erfahrung, heutzutage unvorstellbar.

Und dann ging die Niederlagenserie weiter?

Krautzun: Sie werden es nicht glauben: Wir sind sensationell bis ins Viertelfinale gekommen und erst dort am späteren Titelträger Thailand gescheitert. Die Stadien waren bei unseren Spielen ausverkauft. Es war eine Sensation, dass die Philippinen plötzlich Fußballspiele gewannen. Das hatte es vorher so nicht gegeben.

Jetzt müssen Sie aber auch Ihr Geheimnis verraten: Wie haben Sie die Mannschaft in so kurzer Zeit stark gemacht?

Krautzun: Auch das ist eine besondere Geschichte: Als ich morgens um 6 Uhr aufstand, saßen die Spieler bereits zusammen und haben Schach gespielt, clevere und intelligente Jungs. In dem Moment war mir klar, dass wir unsere fußballerischen Defizite ausgleichen können, wenn wir uns taktisch schlau anstellen. Ich habe dann nach jeder Trainingseinheit noch eine Stunde taktische Dinge mit den Jungs besprochen. Die haben das super angenommen. Und der Erfolg hat uns recht gegeben.

Wer gehörte damals noch zu Ihrem Trainerteam?

Krautzun: Trainerteam? Es gab nur mich, sonst niemanden. Nach ein paar Wochen habe ich einen Kollegen überredet, dass er auf die Philippinen kommt und das Torwarttraining übernimmt. Ich habe ihm Teile meines Gehalts dafür gezahlt. Das war eine sinnvolle Investition. Unser Torhüter hat sensationell gehalten.

Sie werden oft auf Ihre internationalen Tätigkeiten reduziert. Aber auch in Deutschland waren Sie lange tätig. Sie haben mit dem 1. FC Kaiserslautern 1996 den DFB-Pokal gewonnen.

Krautzun: Eine Woche vorher waren wir gegen Leverkusen aus der Bundesliga abgestiegen. Alle werden das Bild kennen, auf dem sich Rudi Völler und Andreas Brehme weinend im Arm liegen - der eine vor Freude, der andere vor Enttäuschung. Und ich stand dann plötzlich vor der Herausforderung, einen Absteiger, der im Tal der Tränen war, auf das DFB-Pokalfinale eine Woche später vorzubereiten. Wie sollte das funktionieren?

Gegenfrage: Wie hat es funktioniert? Sie haben 1:0 gegen den Karlsruher SC gewonnen.

Krautzun: Da war ich in erster Linie als Psychologe gefordert. Ich habe ein paar Tricks angewendet. Irgendwie musste ich die Spieler wieder aufbauen. Das war eine verdammt große Herausforderung.

Dann erzählen Sie mal!

Krautzun: Ganz wichtig war, dass wir das Hotel getauscht haben. Eigentlich war es vorgesehen, dass wir mitten in der Stadt wohnen sollten. Ich hatte jedoch den Plan, dass wir uns komplett zurückziehen. Pele Wollitz gehörte zum Kader, der sich in Berlin super auskannte. Ich habe zu ihm gesagt: "Pele, such' uns ein Hotel irgendwo außerhalb, in dem uns niemand findet." Das hat er gemacht. Wir sind dann an den Stadtrand an irgendeinen See gezogen. Niemand wusste, wo wir waren. Dort konnten wir uns in Ruhe auf das Finale vorbereiten, und ich konnte viele Einzelgespräche führen. Wir haben uns gemeinsam Filme angeschaut - zum Beispiel über den Boxer Muhammed Ali, der nach Rückschlägen auch immer wieder aufgestanden ist.

"Als die anderen schon längst unter der heißen Dusche standen, haben Beckham und Ronaldo noch Freistöße trainiert"

Was noch?

Krautzun: Heute wissen ja alle, dass man die Spieler einbeziehen muss, wenn man Erfolg haben will. Damals war das noch etwas anders. Aber ich habe in den Tagen nach dem Abstieg gespürt, dass ich die Jungs in die Verantwortung mitnehmen muss, um sie aus dem Loch rauszuholen. Das hat funktioniert. Je näher das Finale kam, desto mehr wuchs die Überzeugung, dass wir gewinnen können.

Die Karlsruher waren klar favorisiert.

Krautzun: Natürlich. Die hatten viele Nationalspieler in ihren Reihen. Niemand hatte uns etwas zugetraut. Wir waren Absteiger, wir waren am Ende. Aber wir haben es geschafft. Das 1:0 war eine absolute Sensation. Vorher war der FCK total am Boden. Dieser Erfolg war die Auferstehung des Vereins. Ich bin davon überzeugt, dass er die Grundlage dafür war, dass der FCK 1998 unter Otto Rehhagel als Aufsteiger Deutscher Meister geworden ist. In der Nacht nach dem Triumph im DFB-Pokal habe ich höchstens eine Stunde geschlafen. Dieser Erfolg war sicher einer der ganz besonderen Momente meiner Karriere. Das war prägend.

Was viele nicht wissen: Sie haben sogar Diego Maradona trainiert…

Krautzun: Ich war bei al-Ahli Dschidda in Saudi-Arabien tätig. Der Verein hatte 50-jähriges Jubiläum, das groß gefeiert werden sollte. Am besten mit namhaften europäischen Vereinen. Die meisten waren nicht verfügbar, weil sie noch im Europapokal dabei waren und keine Zeit hatten. Ich habe dann Bröndby Kopenhagen mit den Laudrup-Brüdern und Benfica Lissabon verpflichtet. Und auf einmal sagte mir der Prinz, dass auch Diego Maradona für zwei Spiele kommen werde. Ich dachte, der erlaubt sich einen Scherz mit mir. Ich habe nur gefragt: "Welchen Diego Maradona meinen Sie genau?" Aber ein paar Wochen später stand wirklich Diego Maradona bei mir auf dem Trainingsplatz. Der Diego Maradona mit der Hand Gottes. Unglaublich!

Konnten Sie ihm etwas beibringen?

Krautzun: Ich hoffe es. (lacht) Aber im Ernst: Maradona war unglaublich freundlich. Er hat sich der Mannschaft vorgestellt und sich super integriert. Er hat alles mitgemacht und hatte überhaupt keine Starallüren. Ich habe ihn zum Kapitän der Mannschaft gemacht und nur zu ihm gesagt: "Diego, spiel' einfach so, wie du immer spielst. Deine Position ist hinter den Spitzen. Zaubere da ruhig etwas. Zeige, was du kannst." Er hat die Mannschaft zum 5:2 gegen Kopenhagen geführt und dabei zwei Treffer gemacht. Es war unglaublich, was der am Ball konnte. Im Training haben wir zum Aufwärmen natürlich Sechs gegen Zwei gespielt. Diego musste nie in den Kreis. Der hatte so kleine Füße, man wusste einfach nicht, was der als Nächstes mit dem Ball anstellt. Der konnte einfach alles. So etwas hatte ich vorher und habe ich nachher nicht erlebt.

Auch eine andere große Persönlichkeit spielt eine wichtige Rolle in Ihrem Leben: Alex Ferguson ist einer Ihrer besten Freunde.

Krautzun: Wir kennen uns seit 40 Jahren. Ich habe Alex damals bei einem Trainerlehrgang in England kennengelernt. Heute ist er einer meiner besten Freunde. Alex ist natürlich eine Legende bei Manchester United. Ich denke gerne an die Zeiten zurück, als ich ihn während seiner Tätigkeit bei ManUnited besucht habe. Ich stand mit Alex zusammen auf dem Platz, als er Weltklassespieler wie David Beckham und Cristiano Ronaldo trainiert hat. Beide haben mich beeindruckt: Sie waren die ersten auf den Rasen und die letzten, die wieder in die Kabine gegangen sind. Als die anderen schon längst unter der heißen Dusche standen, haben Beckham und Ronaldo noch Freistöße trainiert. Das waren absolute Profis.

Zum Schluss noch eine ganz persönliche Frage: Sie sind im Januar 84 Jahre alt geworden. Sie wirken aber viel jünger. Wie machen Sie das?

Krautzun: Ich fühle mich auch jünger und mache vieles dafür. Ich gehe zum Beispiel regelmäßig schwimmen. Ich halte mich körperlich und geistig fit. Aber ich habe selbstverständlich auch meine altersbedingten Wehwehchen. Allerdings habe ich zum Glück gute Gene: Meine eine Schwester wird jetzt 90 Jahre alt, meine andere Schwester ist 82 Jahre alt. Mein Bruder ist leider vor ein paar Wochen mit 86 Jahren verstorben. Auch der Fußball hält mich jung. Es mag blöd klingen: Aber solange ich die Möglichkeit habe, bleibe ich Student des Fußballs. Am liebsten bis zu meinem letzten Tag.