Kleiner Platz in Karsee: "Alle wissen, was auf sie zukommt"
SVK-Vorsitzende Schmid: "Unsere Gegner finden es witzig, für Auswärtsspiele zu uns zu kommen."[Foto: SV Karsee]
105 Meter lang und 68 Meter breit - das ist die normale Größe eines Spielfeldes im deutschen Fußball. Aber nicht beim SV Karsee. Beim Verein aus dem Württembergischen Fußball-Verband ist alles anders. Und das nicht nur ein bisschen. Der dortige Platz ist nämlich 15 Meter kürzer und 23 Meter schmaler als die Norm. Ist das überhaupt regelkonform? Und hat der Klub aus dem Allgäu dadurch einen Heimvorteil? FUSSBALL.DE hat sich umgehört.
Direkt bei der ersten Frage muss Sylvia Schmid lachen. Die Vorsitzende des SV Karsee muss sie ja nicht zum ersten Mal beantworten. Ist der Platz des Vereins mit diesen außergewöhnlichen Maßen wirklich regelkonform? "Natürlich", sagt Schmid nachdrücklich: "Da ist alles in Ordnung. Unser Platz ist 45 Meter breit und 90 Meter lang. Das sind die vorgeschriebenen Mindestmaße. Er dürfte keinen Zentimeter kleiner sein. Aber so passt alles ganz genau. Das haben wir auch Schwarz auf Weiß."
Platz zwischen Hang und Straße
Der Platz des SV Karsee in Wangen im Allgäu dürfte damit der kleinste in ganz Deutschland sein. Oder anders formuliert: Nirgendwo sonst müssen die Spielerinnen und Spieler weniger laufen als hier. "Sicherlich ist das ungewöhnlich und bestimmt kein Nachteil für unsere Mannschaft", sagt Schmid. "Aber hier in der Umgebung sind die Bedingungen bei uns ja bekannt. Alle wissen, was auf sie zukommt und können sich gut im Vorfeld darauf einstellen."
Die Geschichte ist keineswegs neu. Denn der Platz wurde bereits 1989 gebaut und 1990 eingeweiht - schon damals wurden die Mindestmaße eingehalten, damit er für den geregelten Spielbetrieb in Frage kommt. Die Verantwortlichen haben immer wieder überlegt, ob es nicht eine Möglichkeit der Erweiterung gebe. Aber kurz gesagt: keine Chance. "Unsere Anlage befindet sich in einem Naturschutzgebiet", erklärt die Vorsitzende. "Auf der einen Seite geht es steil bergauf, auf der anderen Seite befindet sich die Hauptverkehrsstraße. Für eine Vergrößerung ist einfach kein Platz."
"Wir hatten mal einen Spieler, dessen Einwürfe waren aufgrund des kleinen Platzes wie Eckbälle"
Letztlich ist man sich beim SV Karsee jedoch schon längst einig, dass ein Ausbau gar nicht nötig ist. "Wir haben eine wunderbare Anlage, unser Platz ist idyllisch in der Natur gelegen", so Schmid. "Wir haben eine schöne, kleine Tribüne, die für unsere Zwecke völlig ausreichend ist. Und mal ganz ehrlich: Unsere erste Mannschaft spielt in der Kreisliga B, da ist der eine oder andere vielleicht sogar ganz froh, dass unser Platz ziemlich klein ist." Dabei muss sie wieder schmunzeln. Man merkt, dass die Geschichte hier auch mit der nötigen Portion Humor genommen wird.
Aber bei aller nötigen Leichtigkeit ist es schon irgendwie besonders, beim SV Karsee Fußball zu spielen. Wer die normalen Maße gewohnt ist, wird zunächst etwas Zeit für die Umstellung brauchen. "Wir hatten mal einen Spieler hier, dessen Einwürfe waren aufgrund des kleinen Platzes wie Eckbälle", erinnert sich Schmid. "Das war schon ein Vorteil für uns. Aber auch unsere Gegner finden es meist ganz witzig, für Auswärtsspiele zu uns kommen."
Dass man trotz der ungewöhnlichen Voraussetzungen beim SV Karsee eine beachtliche Karriere starten kann, hat Schmids Tochter Isabella vorgemacht. Die heute 32-Jährige begann auf dem kleinsten Platz Deutschlands mit dem Fußball und schaffte es bis in die Frauen-Bundesliga zum SC Freiburg und die U 20-Nationalmannschaft des DFB. Mit 19 Jahren kehrte sie Deutschland den Rücken und heuerte beim Women Soccer Team Seminoles der Florida State University an. Nach ihrem Studium der Psychologie lebt sie dort auch heute. Ihre Karriere als Fußballerin musste sie nach einigen Verletzungen alzu früh beenden.
Ski statt Fußball
Beim SV Karsee wird seit 1984 Fußball gespielt. Im Winter allerdings weniger. Denn der kann hier oft länger und intensiver sein als in vielen anderen Regionen. Oft kann man nämlich schon im November je nach Witterungslage nicht mehr auf dem kleinsten Fußballplatz Deutschlands spielen. Matsch oder manchmal sogar der erste Schnee verhindern das. Stattdessen nimmt dann der Skilift bald den Betrieb auf, der fußläufig zu erreichen ist.
Was also tun? "Wir weichen dann auf Kunstrasenplätze in der Nachbarschaft aus, die wir dankenswerterweise nutzen dürfen", sagt Schmid, die seit 1999 Vorsitzende ist, aber schon vorher über viele Jahre andere Ämter in dem Verein ausgeübt hat. "Wir sind beim SV Karsee wie eine große Familie. Es macht einfach Spaß, sich hier ehrenamtlich einzubringen."
Neben der Herrenmannschaft, die im Moment in der Spitzengruppe der Kreisliga B unterwegs ist, gibt es noch einige Nachwuchsteam in einer Spielgemeinschaft mit einem Nachbarverein. Sie alle vereint die Liebe zum Amateurfußball. Und sie alle vereint die Besonderheit, dass sie auf dem vielleicht kleinsten Fußballplatz Deutschlands zuhause sind.