Magazin | 28.11.2025 | 10:25

Senß beim Ahlhorner SV: "Elisa war die Chefin auf dem Platz"

"Es war eine tolle Zeit damals": Nationalspielerin Elisa Senß über ihre Anfänge beim Ahlhorner SV.[Foto: Yuliia Perekopaiko/DFB]

Elisa Senß hat sich zur Stammspielerin in der Frauen-Nationalmannschaft entwickelt. Die inzwischen 28-Jährige von Eintracht Frankfurt hatte ihre ersten Berührungspunkte mit dem Fußball beim Ahlhorner SV im Niedersächsischen Fußball-Verband. FUSSBALL.de begibt sich vor den Finalpartien der UEFA Women's Nations League gegen Spanien heute (ab 20.30 Uhr, live im ZDF) in Kaiserslautern und am Dienstag (ab 18.30 Uhr, live in der ARD) in Madrid auf Spurensuche.

Es ist beschaulich beim Ahlhorner SV. Ruhig, die Welt scheint hier in Ordnung zu sein. Bremen und Oldenburg erreicht man mit dem Auto jeweils in weniger als einer Stunde Fahrtzeit. Hier hat Elisa Senß mit dem Fußballspielen begonnen, hier hat die heute 28-Jährige ihren Weg bis in die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gestartet. Heute möchte sie mit dem DFB-Team in Kaiserslautern den Grundstein legen und die Nations League dan am Dienstag in Madrid zum ersten Mal gewinnen.

"Sie war besser als fast alle Jungs"

Für dieses ehrgeizige Vorhaben hat Bundestrainer Christian Wück die Mittelfeldspielerin wieder in den Kader berufen. Natürlich hat er das, schließlich war Senß zuletzt regelmäßig dabei und hat sich mit ihrer Dynamik, Ballsicherheit und Zweikampfstärke einen Platz im defensiven Mittelfeld erspielt. Senß geht auch dorthin, wo es wehtun kann. Das hat sie schon immer so gemacht. Auch während ihrer Anfänge beim Ahlhorner SV.

Mit fünf Jahren ist sie zu dem Verein aus dem Niedersächsischen Fußball-Verband gekommen und hat dort von 2002 bis 2011 gespielt. Danach ist sie über den VfL Wittekind Wildeshausen, den SV Meppen, die SGS Essen und Bayer 04 Leverkusen bei Eintracht Frankfurt gelandet. Inzwischen hat Senß 28 Länderspiele bestritten und dabei zwei Tore erzielt. Aber begonnen hat alles beim Ahlhorner SV.

"Es war eine tolle Zeit damals, ich denke noch sehr gerne daran zurück"

"Es war eine tolle Zeit damals", sagt Elisa Senß gegenüber FUSSBALL.DE. "Ich denke auch heute noch sehr gerne daran zurück. Beim Ahlhorner SC bin ich zum Fußball gekommen, dort hat alles angefangen. Mein Papa war früher mein Trainer in Ahlhorn. Er hat mich unglaublich unterstützt, aber auch meine ganze Familie. Ich weiß noch, dass sich mein Papa auch vor oder nach dem Training Zeit genommen hat, um mit mir zu üben. Wir haben dann zum Beispiel Pässe oder Torschüsse trainiert."

Wenn man mit einigen ihrer ehemaligen Weggefährten spricht, fällt auf, dass Elisa Senß von allen nur in höchsten Tönen gelobt wird. Horst Krägermann war lange alsTrainer im Nachwuchsbereich des Ahlhorner SV tätig. Er hat von den F- bis zuden A-Junioren alle männlichen Jugendmannschaften betreut. Und Senß war damals gerne und recht regelmäßig als Gastspielerin dabei. Krägermann erinnert sich gut daran: "Elisa hat zu jener Zeit bereits für den SV Meppen gespielt. Aber dadurch, dass sie lange das Trikot unseres Vereins getragen hat, war und ist die Verbundenheit eng. Wann immer es ihr Zeitplan zugelassen hat, hat sie bei uns mittrainiert. Und was schon damals offensichtlich war: Sie war besser als fast alle Jungs, mit denen sie auf dem Platz stand."

Krägermann kann sich heute noch gut an ein Spiel der D-Junioren erinnern, bei dem Elisa Senß dabei war - obwohl sie im Gegensatz zu den Jungs sogar noch zum jüngeren Jahrgang zählte. "Sie war das einzige Mädchen auf dem Platz, und es war beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit sie das Spiel an sich gerissen hat", erinnert er sich. "Man hat direkt erkannt, dass sie das Spiel versteht. Sie war die Chefin auf dem Platz, die die Richtung vorgegeben hat. Sie hat schon damals das gezeigt, was sie auch heute ausmacht. Eine Spielerin wie Elisa hilft jeder Mannschaft weiter."

"Eine außergewöhnliche Fußballerin"

Rico Lütdke hat damals mit Elisa Senß zusammengespielt. "Das ist verdammt lange her", sagt er und muss schmunzeln: "Aber Elisa hat Eindruck hinterlassen. Sie war eine außergewöhnliche Fußballerin. Auch unter uns Jungs gab es keine Diskussion darüber, dass sie natürlich Teil unseres Teams ist. Sie hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt und uns als Gemeinschaft mit ihrer herzlichen Art und Weise bereichert."

Der 29-Jährige spielt auch heute noch für den Ahlhorner SV und erinnert sich gerne an die gemeinsamen Begegnungen mit der späteren Nationalspielerin: "Es war natürlich nicht abzusehen, dass sie so einen Weg gehen würde. Dass sie aber Talent und den absoluten Willen hatte, war ganz offensichtlich. Wir sind stolz darauf, dass eine Nationalspielerin früher zeitweisezu unserem Team gezählt hat."

Martin Gramsch ist 2. Vorsitzender des Ahlhoner SV und stellvertretender Abteilungsleiter. Er sagt: "Es ist schon eine besondere Ehre für unseren kleinen Verein, dass eine Spielerin und Persönlichkeit wie Elisa bei uns mit dem Fußball begonnen hat. Ihr Vater Holger war dabei nicht nur ihr Vorbild, sondern vermutlich auch ihr größter Förderer. Viele erinnern sich gut daran, dass sich im Hause Senß fast alles um Fußball drehte. Logistisch und finanziell bedeutete das für die Eltern sicher enorme Aufwendungen, die man nur mit besonderer Motivation auf sich nimmt. Die Familie Senß hat diese Herausforderung beeindruckend gemeistert - eine echte Ausnahmeleistung."

"Es ist eine besondere Ehre für unseren kleinen Verein, dass eine Persönlichkeit wie Elisa bei uns mit dem Fußball begonnen hat"

Elisa Senß ist der bekannteste Name, den der Verein fußballerisch herausgebracht hat. Der Ahlhorner SV wurde 1921 gegründet und zählt heute rund 800 Mitglieder, die Fußballabteilung umfasst etwa 300 Mitglieder. "Als klassischer Breitenfußballverein sind wir in den vergangenen Jahren überwiegend auf Kreisliga-Niveau aktiv gewesen", so Gramsch. "Unser zentrales Ziel ist es, den Bürgerinnen und Bürgern aus Ahlhorn den Fußball zugänglich zu machen - unabhängig von Alter, Herkunft oder Geschlecht."

Im Klub sind sie stolz darauf, dass der Ahlhorner SV einer der wenigen Vereine in der Region ist, der seit 2008 auch Mädchenfußball anbietet. Gramsch: "In den vergangenen 17 Jahren haben zahlreiche Mädchen über uns den Weg in den Fußball gefunden. Gleichberechtigung, Inklusion und Integration sind dabei unsere wichtigsten Antriebskräfte. Jedes Jahr organisieren wir den Tag des Mädchenfußballs und gewinnen dadurch nach den Sommerferien regelmäßig zehn bis 15 neue Spielerinnen hinzu. Aktuell spielen rund 50 Frauen und Mädchen bei uns Fußball."

Wenn Elisa Senß Zeit hat und bei Freunden oder Familie in der Gegend zu Gast ist, reist sie gerne auch mal kurz zurück in die Vergangenheit und stattet dem Ahlhorner SV einen Besuch ab - sie ist dann dort, wo für sie alles begonnen hat.