Der „Treue Charly“ des Amateurfußballs
„Treuer Charly“: Rudi Hirschmann ist seit 56 Jahren beim FSV Stadeln aktiv. [Foto: fussball.de]
Den Verein wechseln? Für Rudi Hirschmann kam das nie in Frage. Seit der Gründung des FSV Stadeln, seit 1958, seit mittlerweile 56 Jahren gehört er dem Klub aus Bayern an. In seinem Verein hat er nahezu alles gemacht. Aktiv war er in schon in der Jugend, der Ersten Mannschaft und den Alten Herren. Trainer war er, Schriftführer, Zweiter Vorstand und Erster Vorstand – und das mittlerweile seit 1974.
Damit ist Rudi Hirschmann für den Amateurfußball das, was der „Treue Charly“, Karl-Heinz Körbel, für die Bundesliga ist. Im Interview mit FUSSBALL.DE sprach Redakteur Maximilian Schwartz mit dem 70-Jährigen über Vereinstreue, Veränderungen im Ehrenamt und darüber wie man Familie, Beruf und Verein unter einen Hut bringen kann.
FUSSBALL.DE: Herr Hirschmann, Sie sind seit 1958 Mitglied des FSV Stadeln. Erinnern sie sich noch an die Gründung?
Rudi Hirschmann: Ja, da war ich 15. Fußball wurde seinerzeit hier in einer Spielgemeinschaft gespielt. Wir wollten aber einen eigenen Verein gründen. In der Gründungsversammlung waren wir um die 70 Leute, inklusive mir und meinem Vater.
Danach waren Sie zunächst bis 1961 in der Jugend und anschließend bis 1981 in der Ersten Mannschaft aktiv. Was für ein Spielertyp waren Sie?
Hirschmann: Ich war, wie man bei uns in Bayern sagt, immer der Leithammel. Der, der vorangegangen ist. In der Ersten Mannschaft habe ich ungefähr zehn Jahre im Angriff und zehn Jahre in der Abwehr als Libero gespielt.
Wissen Sie, wie viele Spiele Sie für den FSV Stadeln gemacht haben?
Hirschmann: Ja, ich habe über 800 Spiele in der Ersten Mannschaft gemacht. Wenn ich darüber nachdenke, ist das schon eine wahnsinnige Zahl!
Ab 1966 waren Sie dann Schriftführer und zweiter Vorstand, ehe Sie 1974 zum Ersten Vorstand gewählt wurden. Wie haben Sie diese vielen Tätigkeiten vereint?
Hirschmann: Ich war einer, der immer positiv zu allem gestanden hat. Ich hatte gute Leute und Freunde an meiner Seite, die mir gegenüber immer loyal waren. Das hat mir in der ganzen Zeit geholfen. Ich bin ja auch durch meinen Vater zur ehrenamtlichen Tätigkeit gekommen, das war eben selbstverständlich.
Hat dabei auch ihr Charakter als „Leithammel“ und Führungspersönlichkeit geholfen?
Hirschmann: Ja, klar. Wenn wir früher mal keinen Trainer gehabt haben, dann habe ich sogar auch mal ein paar Wochen das Training geleitet. Das war überhaupt kein Problem für mich, zusätzlich zur Tätigkeit als Spieler und Vorstand.
Was hat sich insgesamt in den 56 Jahren im Verein getan?
Hirschmann: Es ist alles viel, viel größer geworden. Mittlerweile haben wir drei Rasenplätze, einen Kleinfeld-Rasenplatz und sechs Tennisplätze, die auch zum Verein gehören. Und ein Vereinsheim mit zwei Wohnungen, zwei Kegelbahnen und ein eigenes Fitnessstudio mit über 100 Mitgliedern sind entstanden. Das ist eine riesige Sache, was wir da geschaffen haben. Der ganze Verein hat derzeit knapp 1.000 Mitglieder.
Wie definieren Sie eigentlich den Begriff „Vereinstreue“? Gibt es so etwas heutzutage noch?
Hirschmann: So eine Vereinstreue ist in der jetzigen Zeit nicht mehr üblich. Vor allem wenn du als Spieler höherklassig spielen willst, ist es eigentlich nicht mehr möglich. Die Zeit früher, die war anders als heute. Wenn irgendeinem etwas nicht passt, dann geht er woanders hin. Und wenn es ihm da dann wieder nicht passt, dann geht er wieder woanders hin. Und so weiter.
Hat Ihnen auch mal etwas nicht gepasst? Haben Sie dann überlegt zu wechseln?
Hirschmann: Also jetzt, in meinem Alter, brauche ich auch nicht mehr weggehen (lacht) In der Zeit als junger Spieler habe ich es mal überlegt. Da gab es Angebote, ich wollte aber bei meinem Verein bleiben.
Warum wollten Sie bleiben? Was gab den Ausschlag?
Hirschmann: Wenn man aus einem Ort kommt, zusätzlich noch ehrenamtlich engagiert ist und es gefällt einem dort, weil alles passt, dann bleibt man bei seinem Verein. Ich habe immer gesagt: Meine Wurzeln sind in Stadeln und da bleibe ich auch!
Wie konnten Sie Ihr Engagement für den Verein mit Familie und Beruf vereinen?
Hirschmann: Das musste eben funktionieren! (lacht) Frau und Kinder müssen dazu stehen und mit dem Beruf muss es passen. Ich hatte immer gute Vorstandskollegen, die immer an meiner Seite standen und mich unterstützt haben. Im Beruf konnte ich auch einige Kontakte für den Verein nutzen. Das Wichtigste ist aber der Spaß: Wenn du als Ehrenamtlicher keinen Spaß an der Sache hast, dann wird es ganz schwierig, das durchzuziehen.
Nach 56 Jahren beim FSV und 40 Jahren im Vorstand – wie lange soll es noch weitergehen?
Hirschmann: Irgendwann muss natürlich mal ein Generationswechsel kommen – wobei ich noch gut drauf bin und das gerne noch ein bisschen weiter mache (lacht) . Es macht mir einfach noch Spaß und ich arbeite gern mit den jungen Leuten.
Obwohl die heute größtenteils eine andere Auffassung von Vereinstreue haben?
Hirschmann: Man muss auch die Meinung von den jungen Menschen respektieren. Die werden die Sache irgendwann in die Hand nehmen. Aber man muss sehen, ob die dann die Möglichkeit haben, noch so viel Zeit in die Vereinsarbeit zu stecken. Beruflich ist das ja oftmals gar nicht mehr möglich.
„Rudi Hirschmann, die treue Seele des Vereins“ – wenn das auf jemanden zutrifft, dann auf Sie, oder?
Hirschmann: Ja, ich war auch in meiner Firma 48 Jahre beschäftigt, ich bin wirklich eine treue Seele! (lacht) Aber eins möchte ich noch sagen: Bitte übertreiben sie nicht, ich bin ein ganz normaler Ehrenamtlicher, der immer für seinen Verein da war. Davon gibt es so viele in Deutschland.
Am Freitag zeigt „Vollspann“ – das Amateur-TV-Magazin auf FUSSBALL.DE einen Beitrag über den FSV Stadeln mit Rudi Hirschmann und einem weiteren „Treuen Charly“.