Spielanalyse in der Kreisklasse|04.09.2014|13:45

Zehn Tipps für ein sinnvolles Scouting

Voll im Bilde: Dr. Stephan Nopp arbeitet als Scout für die deutsche Nationalmannschaft. [Foto: Imago]

Scouting ist eine Boom-Branche des modernen Fußballs. Urs Siegenthaler leitet seit einem Jahrzehnt die Gegnerbeobachtung der deutschen Nationalmannschaft. Christofer Clemens und Dr. Stephan Nopp begleiten den Schweizer bei jedem Länderspiel des A-Teams. Zur Beobachtung kommender Gegner jetten die DFB-Scouts durch die Welt. Zusätzlich bedienen sie sich etwa für Videoauswertungen bei der Grundlagenarbeit des Teams Köln, einer Gruppe von rund 50 Studenten der Sporthochschule Köln.

Was die deutsche Nationalmannschaft vorlebt, hat sich auch im Ligen-Wettbewerb durchgesetzt. Um die gegnerischen Abläufe zu verstehen und punktgenau auszunutzen, wird ein immenser Aufwand betrieben. Tendenz steigend. Immer mehr wird ermittelt, immer mehr soll vermittelt werden. Kein Bundesliga-Klub ohne Scouting-Abteilung. Und auch in den unteren Ligen vertraut man zunehmend auf die Aufnahme und Auswertung von Daten. Was aber ist in den unteren Spielklassen überhaupt sinnvoll?

Ehrlich sein

FUSSBALL.DE fragte Christofer Clemens und Stephan Nopp. Licht im Dunkel, Ordnung schaffen im Wirrwarr. Hier ihre zehn Tipps für ein sinnvolles Scouting in der Kreisklasse.

"Es rät sich, ohne Vorurteile oder vorgegebene Auffassungen ein Spiel zu beobachten."
  • Ein guter Plan: Statt mit Begeisterung loszulegen, sollte man erstmal ehrlich darüber nachdenken, worin die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Daraus leitet sich ab, mit welcher Zielsetzung man den künftigen Gegner beobachtet. Stephan Nopp rät: „Auch in der Kreisliga sollte sich der Trainer fragen: Was sind meine Ideen vom Fußball? Was kann meine Mannschaft umsetzen? Genauso planvoll sollte man dann als nächsten Schritt die Gegnerbeobachtung angehen.“
  • Ergiebige erste Viertelstunde: Der Moment ist gekommen. Man sitzt auf der Tribüne. Eine Woche vor dem wichtigen Spiel also sieht man sich eine Partie des kommenden Gegners an. Stephan Nopp warnt: „Bloß jetzt nicht mit dem Block in der Hand jede Beobachtung notieren. Die erste Viertelstunde ist die ergiebigste.“ Dass man möglichst hoch sitzen sollte, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein. „Ebenerdig zu filmen ist eine Verschwendung von Zeit und Material“, warnt Christopher Clemens.
  • Ein guter Stift: Am richtigen Material sollte nicht gespart werden, ob das nun die Kamera oder das Schnittprogramm betrifft. Im Internet können leicht Scouting-Bögen runtergeladen werden. Ebenfalls über das Internet können Schnittprogramme erworben werden, sogar als Freeware.
  • Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte: Wie sich der Gegner bei offensiven und defensiven Eckstößen oder Freistößen verhält, dokumentiert man am besten mit einem Foto. Videoaufnahmen von einer hohen Seitensicht mit möglichst breitem Winkel filmen.
  • Mindest-Wissen

  • Wenn ich nichts weiß über den kommenden Gegner, sollte ich zumindest wissen, wie hoch oder tief sie bei Ballbesitz des Gegners verteidigen und mit welcher Idee sie versuchen, den Ball ins letzte Drittel zu bringen.
  • Der Trichter: Grundproblem des Scouting im Spitzenfußball ist es, dass man unglaublich viele Daten hat, die aber von den Spielern unmöglich alle aufgenommen und verarbeitet werden können. Spieler in den untersten Ligen sind schneller überfordert. Christopher Clemens warnt: „In den unteren Klassen muss vor allem Aufwand und Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Dort mit videogebundenen Halbzeitanalysen zu arbeiten, hat sicher nicht Priorität, aber etwa die Nutzung von Taktiktafeln auf mobilen Tablet-PCs könnte so manche Idee des Trainers visuell zeitgemäß darstellen.“
  • Keep it simple: Die Erkenntnisse der Gegnerbeobachtung müssen an die Mannschaft vermittelt werden. Dabei am besten einfach, prägnant und bildreich formulieren, z.B. „Umschalten wie wilde Pferde“.
  • Keine Erbsen zählen

  • Keine Erbsen zählen: Im Scouting unterscheidet man zwischen qualitativen und quantitativen Analysen. Im Amateurfußball sollte man völlig auf eine statistische Erfassung des Spiels verzichten. Stephan Nopps Ratschlag für Trainer: „Es bringt ihrem rechten Verteidiger herzlich wenig, wenn sie ihm verraten, dass er 70 Prozent seiner Zweikämpfe verliert. Schulen Sie ihn lieber darin, mehr Zweikämpfe zu gewinnen.“
  • Der Faktor Zufall: Stephan Nopp gibt zu, dass hochklassiger Fußball viel geordneter und in gewisser Weise berechenbarer ist. „Eine Spielbeobachtung in der Kreisklasse“, sagt Nopp, „kann schon kommende Woche keinerlei Gültigkeit mehr haben. Weil der Spieler beruflich verhindert ist oder weil die Abseitsfalle nur purer Zufall war.“
  • Die Goldene Regel des Scouting: „Wenn mir vorher jemand erzählt, diese Mannschaft ist technisch schwach, die können nur bolzen, dann sehe ich bei meiner Beobachtung auch jeden versprungenen Ball. Es rät sich, ohne Vorurteile oder vorgegebene Auffassungen ein Spiel zu beobachten.“