Vereinstreue|10.01.2015|16:00

Herbert Harbich: 35 Jahre Ehrenamt beim FCB

Schluss jetzt: Herbert Harbich beendet nach 35 Jahren seine ehrenamtliche Arbeit bei Bayern München. [Foto: Reinhard Hübner]

Es war nach dem Champions League-Finale 2013. Herbert Harbich lehnt als Zuschauer bei der U17 gemütlich am Zaun, der das Spielfeld der B-Junioren vom Beachvolleyballplatz der Profis trennt. Plötzlich tippt ihm jemand von hinten auf die Schulter. Harbich dreht sich um und sieht in junge, strahlende Gesichter: „Hallo, Herr Harbich“, schallt es ihm entgegen. Da stehen sie nun, die Champions League-Sieger: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller, David Alaba und strecken ihm durch das Drahtgitter die Hände entgegen. „Das“, sagt Harbich, „sind die Momente, in denen du spürst: Es hat sich gelohnt. Das ist mehr wert als 1000 Euro, so etwas motiviert, einen immer weiter zu machen.“

Nun aber ist Schluss. Harbich ist 72, in seinen Augen flackert noch immer das Feuer, man spürt die Leidenschaft, die ihn all die Jahr begleitet hat. Fast 35 Jahre lang hat er als Betreuer der A-Junioren beim FC Bayern Sterne aufgehen und Talente verschwinden sehen, hat junge Karrieren begleitet in den großen, den Profifußball. Und hat Jungs getröstet, deren Träume platzten, deren Hoffnungen wie Sand im Wind einfach zerstoben. Harbich hat Buch geführt, alle Namen notiert und auch die Wege derer weiter verfolgt, die die Säbener Straße in München bald hinter sich gelassen haben. Und wenn er sie wiedertrifft, ist die Freude stets riesig.

Alaba ist ihm ans Herz gewachsen

Vor ein paar Jahren in Kaiserslautern, bei der Beerdigung von Rudi Merk, dem Vater des Schiedsrichters Markus Merk, hat ihn ein junger Mann herzlich begrüßt, Harbich wusste ihn zunächst nicht einzuordnen: „Die Burschen haben sich ja alle total verändert, der Körper ist muskulöser, das Gesicht bärtig geworden.“ Natürlich ist es ihm peinlich, in diesen Situationen nach dem Namen fragen zu müssen, das aber nimmt ihm keiner übel. In 35 Jahren haben rund 500 Spieler die A-Jugend der Bayern durchlaufen. Auch Alex Bugera war ihm nicht böse und als er sich vorgestellt hatte, erinnerte sich Harbich sofort an den Jungen, der aus Amberg gekommen und derart vom Heinweh geplagt war, dass er mehrmals die Woche nach Hause musste. Später hat er 90 Bundesligaspiele bestritten, für Bayern, Duisburg, Unterhaching und Kaiserslautern.

"Das sind die Momente, in denen du spürst: Es hat sich gelohnt. Das ist mehr wert als 1000 Euro, so etwas motiviert, einen immer weiter zu machen."

Wo Harbich auch hinkommt, überall trifft er frühere Schützlinge. „An die allermeisten habe ich gute Erinnerungen. Das waren alles anständige Burschen.“ Und gerade die, die am anständigsten waren, haben dann auch einen guten Weg genommen. Harbich zählt auf: Manni Schwabl, zu dessen Familie er noch heute engen Kontakt pflegt, Christian Nerlinger, Markus Babbel, Max Eberl, Didi Hamann, Thomas Hitzlsperger, Owen Hargreaves, später dann Schweinsteiger, Lahm, Müller und Alaba. Harbich könnte noch viele nennen. Gerade David Alaba ist ihm ans Herz gewachsen: „Ein toller Kerl. Immer sympathisch, zurückhaltend, immer auf dem Boden geblieben.“ Harbich erzählt vom Gastspiel der A-Jugend in Hoffenheim, als Alaba gerade dorthin verliehen war. „Als ich aus der Kabine kam, stand er da, wollte seine alten Kumpels begrüßen, traute sich aber nicht rein. Dabei spielte er damals schon Bundesliga.“

Als Betreuer hat Harbich meist schnell erkannt, wer es mal zu was bringen könnte. Das sind zum einen die Zielstrebigen, die nicht nur Fußball im Kopf haben: „Der Thomas Müller saß bei Auswärtsfahrten immer hinten im Bus und hat für sein Abitur gelernt.“ Müller war auch immer einer, der angepackt hat, wenn es was zu tun gab: „Andere gingen hochnäsig an den Koffern vorbei, statt sie zum Bus zu tragen. Aber auch das gehört für einen Teamplayer dazu.“

Teamplayer nicht nur für Teamplayer

Nie hat Harbich seine Aufgabe allein darin gesehen, Trikots einzupacken, Spielberichtsbögen auszufüllen und für Verpflegung bei Auswärtsfahrten zu sorgen. Seine Tätigkeitsbeschreibung füllt zwei DIN A4-Seiten, ein Punkt ist „die persönliche Betreuung und Beratung einzelner Spieler, wenn gewünscht und erforderlich“. Immer habe er dann gesagt, „du hast Talent, aber hör‘ nicht auf Leute, die dir sagen, du bist schon wer, du hast schon was erreicht. Vor dir liegt noch ein langer, langer Weg.“

Bei einem Jungen, der mit 17 aus Böblingen nach München kam, hat die Mutter den erfahrenen Harbich ausdrücklich gebeten, auf den Jungen zu achten. Sie ahnte, dass er empfänglich sein könnte für die Versuchungen der Großstadt. Harbich hat sich alle Mühe gegeben, „bei manchen aber kannst du reden, reden, reden, es nützt nichts. Die müssen es spüren.“ Wenn möglich nicht ganz so schmerzhaft wie der junge Torwart, der sein Leasingfahrzeug, das man von Bayern bekommt, bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei zu Schrott gefahren hat. „Ich war gerade in Südtirol und sehe den Burschen dort auf der Titelseite der Bild, ich konnte es nicht fassen.“

Klar, dass unter so vielen jungen Menschen, die Harbich in seinen 35 Jahren als Betreuer kennen gelernt hat, auch ein paar schwarze Schafe sind. Dass Fußballer keine Engel sein müssen, weiß Harbich. „Die müssen auch mal die Sau rauslassen dürfen.“ Vieles kam nicht an die Öffentlichkeit, „das haben wir intern geregelt. Und wenn ich die Jungs heute treffe, wissen sie schon, dass sie uns viel zu verdanken haben. Weil wir auch mal schweigen konnten.“

Große Namen, große Veränderungen

Von Reinhard Saftig über Hermann Gerland, Gerd Müller, Björn Andersson bis Heiko Vogel, mit zwölf Trainern hat Herbert Harbich zusammengearbeitet, am längsten und prägendsten waren die zwölf Jahre mit Kurt Niedermayer. Dreimal sind die Bayern in dieser Ära Meister geworden, es war die erfolgreichste Zeit der A-Junioren. Aus der Meistermannschaft von 2002 spielen heute Schweinsteiger und Lahm noch bei den Bayern, Harbich erzählt von der Meisterfeier im Ostpark, als Philipp Lahm, der mit diesem Tag aus der Jugend zu den Erwachsenen aufrückte, nachts um zwei zu ihm kam, ihn umarmte, sich bedankte und alles Gute wünschte. „In solchen Momenten merkt man auch, aus welchem Elternhaus einer kommt.“

Harbich hat große Veränderungen miterlebt, anfangs war die Bayernliga die höchste Spielklasse für A-Junioren, man reiste nach Nürnberg, Würzburg, Memmingen und Rosenheim, heute wird vor Bundesliga-Spielen oft auswärts übernachtet, in Freiburg, Kaiserslautern oder Frankfurt. „Der Aufwand ist viel größer geworden“, zumal es zuletzt während der Woche sogar bis nach Manchester ging, nach Moskau, nach Rom, UEFA Youth League für die U19. „Es ist alles viel professioneller geworden.“

Die beste A-Jugend, die Harbich bei den Bayern erlebte, war die von 1990/91: „Da spielten Didi Hamann, Uwe Gospodarek, Harald Cerny und Max Eberl, alle elf Stammspieler wurden später Profis.“ Doch der Titel blieb ihnen versagt, schon in der Vorrunde scheiterte man am späteren Meister VfB Stuttgart. „Wir hatten nach dem 1:3 in Stuttgart im Rückspiel bis zur Pause den Rückstand schon aufgeholt, als Markus Münch während einer Verletzungspause seinen Gegenspieler ohrfeigte und mit Rot vom Platz flog.“ Trainer Hermann Gerland tobte, brüllte Münch an: „Komm bloß nicht her, ich erschlag dich.“ Im Elfmeterschießen kam das Aus.

Geschichten für mehrere Bücher

Herbert Harbich könnte stundenlang erzählen, es sind Erlebnisse und Erfahrungen, von denen er ewig zehren wird. Keine Sekunde der 35 Jahre hat er bereut, auch wenn er, respektive seine Frau, auf vieles verzichten musste. „Gemeinsamen Urlaub gab es für uns nicht.“ Daran musste sich seine Gattin gewöhnen. Wenn er die Zeit brauchte für Trainingslager oder Turnierreisen, fuhr sie eben in ihre norddeutsche Heimat zu ihrer Mutter. „Da war ich auch sehr gerne.“ Herbert Harbich aber opferte jede freie Minute dem FC Bayern. Zu verdanken hatte er das Simon Hasch, einst Jugendleiter der Bayern und Vorgesetzter Harbichs bei der Bundeswehr. Der hatte ihn 1973 überredet, als Trainer einzusteigen. Harbich machte die B-Lizenz und den Schiedsrichter-Schein, übernahm erst die D- und dann die C-Jugend, 1979 dann die Betreuung der A2, „als Probelauf quasi“, ehe er ein Jahr später zur A1 aufrückte. Und dort bis heute blieb. Ehrenamtlich, nur gegen eine geringe Aufwandsentschädigung.

Mit den Bayern hat er die halbe Welt bereist, war in Brasilien, Mexiko, Venezuela, Saudi-Arabien, Australien und Malaysia, seine Wohnung im Münchner Fasangarten ist voll von Erinnerungen, Meisterwimpeln, Mannschaftsfotos, Widmungen und Dankschreiben. Vor fünf Jahren bekam er das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten überreicht, Anerkennung für Menschen, die im Ehrenamt große Leistungen vollbringen. Genauso viel wert ist ihm aber der Brief des Bürgermeisters von Friesoythe, wo die Bayern mal bei einem internationalen Turnier angetreten sind. Der Bürgermeister hat an Karl-Heinz Rummenigge geschrieben und das Auftreten der Münchner Delegation gelobt, besonders Herbert Harbich hervorgehoben, den er als „Seele der Mannschaft“ bezeichnete, der „mit unendlich viel Herzblut seinem FC Bayern und dem Fußball verbunden“ sei.

Es sind diese Momente, die ihn rühren, ihn zusätzlich motivierten, die ihn jetzt, mit 72, mit großem Stolz auf seine Zeit beim FC Bayern zurückblicken lassen. Er wird sie weiter verfolgen, seine Jungs, Wochenende für Wochenende, viele von ihnen auch in der Champions League oder bei den großen Turnieren. Als im Sommer dann fünf von ihnen in Brasilien Weltmeister geworden sind, da hat es ihn nicht mehr im Fernsehsessel gehalten. Er ist aufgesprungen, hat sich unglaublich gefreut mit Lahm, Schweinsteiger, Müller, Kroos und Hummels, „seinen“ Weltmeistern. Ein paar Tränen sind dann auch geflossen, Tränen der Freude. Schließlich war Herbert Harbich zumindest ein klein wenig beteiligt an ihrer Entwicklung. Und wenn nun ein bisschen vom Glanz auch auf ihn abfällt, wäre es nur verdient. Das aber würde Herbert Harbich gar nicht wollen, dafür ist er viel zu bescheiden geblieben.