Ex-Nationalspieler im Amateurfußball|25.06.2015|20:00

Mineiro: Nach Nationalteam jetzt Kreisliga

Große Vergangenheit: Mineiro (links) als brasilianischer Nationalspieler im Sommer 2007 beim Länderspiel gegen Argentinien im Duell mit Superstar Lionel Messi. [Foto: Imago]

Er hat für Brasilien und beim FC Chelsea gespielt, seine Trainer hießen unter anderem Luiz Felipe Scolari, Dunga und Guus Hiddink. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gehörte er zum Kader der Selecao. Jetzt steht er im verregneten Gelsenkirchen und trainiert A-Jugendliche bei einem Kreisligisten.

Der SV Hessler 06 hat eine lange Tradition und gehörte früher einmal zu den besseren Adressen im Gelsenkirchener Amateurfußball. Der vor wenigen Tagen verstorbene Günter „Ille“ Karnhof, Schalker Meisterspieler von 1958, kam ebenso hierher wie Schalkes legendärer Torhüter Norbert Nigbur und auch ein gewisser lkay Gündogan, aktueller Nationalspieler beim in Gelsenkirchen nicht wirklich beliebten Nachbarn Borussia Dortmund.

Aktuell fristen die Blau-Weiß-Blauen ihr Dasein in der Kreisklasse, das gilt für die erste Mannschaft ebenso wie für die älteste Jugendmannschaft. Deren Trainer ist ab sofort kein Nobody aus dem Stadtteil, sondern ein gewisser Carlos Luciano da Silva, kurz Mineiro.

Was ein Fußballer, der während seiner aktiven Karriere Weltmetropolen wie London und Berlin gesehen hat, ausgerechnet im Ruhrpott und in Gelsenkirchen macht, ist schnell erzählt: Mineiros letzte Station im Profifußball war der FC Schalke 04. Im Sommer 2009 kam er von den „Blues“ des FC Chelsea zu den Königsblauen. Trainer-Manager Felix Magath suchte für seine junge Schalker Truppe einen erfahrenen Leitwolf und verpflichtete den damals 34-jährigen Brasilianer. Mineiro spielte zwar nur ein Jahr auf Schalke und kam lediglich auf sieben Bundesligaeinsätze für S04, blieb aber in der Stadt. „Mir hat es hier gefallen“, sagt er.

"Mein Ziel ist es, dass mir die Jungs als Trainer Vertrauen schenken"

Seine 16-jährige Tochter Gaby geht aufs Ricarda-Huch-Gymnasium und der 13 Jahre junge Sohn Juan spielt bei Westfalia 04 in der C-Jugend. Inzwischen ist die Familie zwar nach Recklinghausen gezogen, aber sportlich hat Papa Mineiro seine Heimat wieder in Gelsenkirchen gefunden: bei Hessler 06.

Christliche Fußballprojekte

Der Kontakt zum Verein, der 17 Jugend- und drei Seniorenteams stellt, kam über den Vorsitzenden Rainer Konietzka zu Stande. Das Klub-Urgestein lud Mineiro vor einem Dreivierteljahr zu einem Training ins Jahnstadion ein, bei dem sozial benachteiligte Kinder aus Spaß ein wenig mit dem berühmten Fußballer kicken konnten. Mineiro war gleich mit Feuereifer bei der Sache, denn derlei Angebote für den guten Zweck sind zur Herzenssache für den streng gläubigen Christen geworden.

In seiner Heimat Sao Paulo betreibt Mineiro mit seinem Bruder André ein ähnliches Projekt und für die christliche Organisation „SrS e.V.“ („Sportler ruft Sportler“) ist er als Mentor tätig. Aus dem einmaligen Angebot zum Training im September 2014 in Zusammenarbeit mit der Pfingstgemeinde in Schalke wird nun eine richtige Trainerstelle.

Zum Sichtungstraining an diesem Dienstagabend sind zwölf Jungs im Alter zwischen 15 und 18 Jahren gekommen. Sieben spielten schon vorher in der A-Jugend der 06er, fünf sind zum ersten Mal hier auf dem Jahnplatz. Leon Hanke ist einer von ihnen und gibt zu: „Mit Mineiro zu trainieren, ist schon cool.“

Mineiro hält sich aber nach einer ersten Ansprache in der Kabine zurück. Das Programm übernimmt zunächst Co-Trainer Dieter Volkmann. Er sieht auch eher aus wie ein Kreisliga-Coach im Ruhrpott. Graue Haare, Schnurrbart, leichte Wölbung unter der Trainingsjacke und ein knorrig-kumpeliges Auftreten. Zum Aufwärmen gibt es Passfolgen auf kleinem Feld, was die Freizeitkicker auf dem nicht gerade wembley-tauglichen Rasen schon mal in Nöte bringt.

Der Star ist bescheiden und leise

Mineiro, der früher mit einigen der besten Fußballern der Welt zusammengespielt hat, stört das nicht. „Ich bin glücklich, dass ich den Jungs etwas von meiner Erfahrung weitergeben darf. Ich habe ja in Porto Alegre selbst mal in einem kleinen Verein angefangen“, sagt er bescheiden.

Hier geht es zunächst darum, eine Mannschaft aufzubauen, um die erste Mannschaft mit Talenten zu unterstützen. Heute folgt ein zweites Sichtungstraining. „Dafür haben sich schon fast 20 Spieler angemeldet“, sagt Jugendleiter Tonino Arra stolz. „Wir sind ein Verein, der auf die Nachwuchsarbeit setzt“, betont Jugendgeschäftsführer Dario Guidone.

Mineiro scheint der richtige Trainer dafür, denn seine große Zeit im Fußball ist schließlich schon etwas her. Dass das spielerische Niveau bei Hessler 06 nichts mit dem zu tun hat, das er von früher gewohnt ist, macht ihm nichts aus und als Trainer ist er eben erst ein Neuling mit einer C-Lizenz „Mein Ziel“, sagt er in seiner leisen Art, „ist es, dass mir die Jungs als Trainer Vertrauen schenken.“