Serie "Die großen Klubs der Regionalliga" |05.07.2015|08:00

Meppen wie Bilbao: Kameradschaft war Trumpf

Meppens Legende Rainer Persike im April 1988, als er Trainer des damaligen Zweitligisten war. [Foto: Imago]

Wer kann sich noch an das „Wunder von Meppen“ erinnern? Als der heutige Nord-Regionalligist SV Meppen im Jahr 1987 in die 2. Bundesliga aufstieg und damit zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Sprung in den Profifußball schaffte, glich dieser Erfolg einer riesigen Sensation. Der bis heute erfolgreichste Klub aus dem Emsland galt damals nicht nur als großer Außenseiter - schon nach dem ersten Spiel (0:3 gegen Kickers Offenbach) wurde der SVM im Fernsehen sogar schon als „erster sicherer Absteiger“ abgestempelt.

Rainer Persike, der die Niedersachsen als Cheftrainer in die 2. Liga führte, erinnert sich noch genau: „Wir waren deutlich unterlegen und hatten den Kickers nichts entgegenzusetzen. Ich habe die Worte des TV-Kommentators nie vergessen. ‚Ich habe heute mit Meppen den ersten Absteiger gesehen‘, sagte er. Damit lag er glücklicherweise falsch“, so der 67-Jährige, der von 1983 bis 1991 erstmals die Geschicke der Emsländer leitete, im Gespräch mit FUSSBALL.DE .

"Dieser Verein ist etwas Besonderes und hat eine bemerkenswerte, beinahe einmalige Historie"

Obwohl der SVM zu keiner Zeit auch nur ansatzweise die finanziellen Mittel anderer Profi-Vereine besaß, sicherte sich der 1912 in den Farben Blau und Weiß gegründete Klub als Tabellen-14. in seiner ersten Zweitliga-Saison den Ligaverbleib und spielte im Anschluss zehn weitere Jahre zweitklassig.

Die Erfolgsgeschichte des Amateurklubs von der niederländischen Grenze ist bis heute außergewöhnlich. Zu Beginn der Zeit im deutschen Unterhaus trainierte der SV Meppen nur einmal täglich. Spieler und Trainer gingen bis zum Nachmittag ihrem Job nach, weil sie beim SV Meppen nicht genug verdienten, um den Fußball hauptberuflich ausüben zu können.

„Wir sind mit einer reinen Amateurmannschaft plötzlich in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Das kam für den gesamten Verein unerwartet. Spielerisch waren wir den Anforderungen zwar gewachsen. Finanziell und infrastrukturell konnten wir uns aber bei weitem nicht mit den direkten Konkurrenten messen“, erinnert sich Persike, der selbst als Zivilangestellter bei der Bundeswehr angestellt war. „Ich habe nach unserem Aufstieg einen Antrag genehmigt bekommen, nur noch bis 13 Uhr arbeiten zu müssen. So konnte ich mich auf unsere Trainingseinheiten am Nachmittag vorbereiten“, so Persike.

Die einheimische „Einheit“

Beeindruckend war auch die Zusammenstellung des Kaders. Alle Spieler kamen aus einem Umkreis von „maximal 40 bis 45 Kilometern“. Nur wer aus dem Emsland stammte, durfte zu dieser Zeit beim SV Meppen kicken. Um heutzutage noch etwas Vergleichbares zu finden, muss man sich schon ins Ausland begeben.

Der spanische Erstligist Athletic Bilbao verfolgt eine ähnliche Transfer-Politik. Der Klub von der iberischen Halbinsel verpflichtet nur Spieler, die aus dem Baskenland kommen oder bei Vereinen in baskischen Provinzen ausgebildet wurden. Bilbaos Akteuren wird nachgesagt, dass sie sehr loyal sind. Das zeigt sich auch darin, dass sie oft ihre gesamte Karriere im rot-weißen Dress des achtmaligen spanischen Meisters verbringen.

Diese Loyalität und Verbundenheit zum Verein und zur Region war auch in Meppen der Grund, einer solchen Philosophie zu folgen. „Uns hat immer eine große Kameradschaft ausgezeichnet. Die Mannschaft war eine Einheit, die sich mit der Umgebung zu 100 Prozent identifiziert hat. Das war definitiv ein Schlüssel zum Erfolg“, weiß Rainer Persike, der selbst in Meppen aufgewachsen ist und parallel zu seiner aktiven Laufbahn bereits 17 Jahre lang als Jugendtrainer für den SVM tätig war.

Historischer Sieg

Erst einige Jahre passte sich auch der SVM mehr und mehr dem Profifußball an. In der Saison 1992/93 kam erstmals nur noch die Hälfte des Kaders aus der Region. Für Persike, der damals bereits von Horst Ehrmantraut als Cheftrainer abgelöst wurde, war die Umstellung nur eine Frage der Zeit.

„Von Jahr zu Jahr gelangte der Verein in der 2. Bundesliga immer mehr ins Vollprofitum. Das ist ganz normal. Die Philosophie konnte nicht ewig so fortgeführt werden. Der SV Meppen hat 1992 den Schritt vom außergewöhnlichen zum alltäglichen Fußball-Leben gemacht“, sagt die SVM-Ikone, die 1999 noch einmal als Interimstrainer und von 2009 bis 2013 als Sportlicher Leiter bei den Niedersachen tätig war.

In den 1990-er Jahren schnupperten die Meppener sogar am Aufstieg in die Bundesliga. Zum Ende der Spielzeit 1994/1995 stand aber aufgrund einer Niederlagenserie von vier Spielen „nur“ der sechste Platz zu Buche. Dass die damalige Mannschaft des SVM aber durchaus das Potenzial dazu gehabt hätte, auch im deutschen Oberhaus am Ball zu sein, bewies sie ein Jahr darauf. In der zweiten Runde des DFB-Pokals gewannen die Emsländer gegen den Bundesligisten Eintracht Frankfurt 6:1.

Dass der historische Sieg gegen die Mainstädter der letzte große Erfolg für viele Jahre bleiben sollte, lag vor allem an den finanziellen Problemen, die sich der Verein aufgehalst hatte. Durch die schon einige Zeit zuvor begonnenen Investitionen für ein neues Stadion fehlte das Geld, um den Kader zu verstärken und so konkurrenzfähig zu bleiben.

Nach elf Jahren Zweitklassigkeit folgte der Abstieg in den Amateurbereich - aus dem der SVM bis heute nicht zurückkehren konnte. 2001 erreichte der Verein den absoluten Tiefpunkt. Wegen Verbindlichkeiten in Höhe von 1,6 Millionen Euro musste der SV Meppen Insolvenz anmelden.

Zurückkehrende Euphorie

14 Jahre später hat sich die finanzielle Situation wieder stabilisiert und die sportliche Zielsetzung ist klar definiert. Zumindest mittelfristig soll der Weg des dreifachen Niedersachsen-Meisters (1968, 1979 und 2011) wieder in den Profifußball führen. Seit 2011 spielen die Meppener nun zumindest wieder in der viertklassigen Regionalliga Nord, nachdem sie zuvor für drei Spielzeiten in Liga fünf abgerutscht waren.

Schon in der abgelaufenen Saison beantragte der Verein die Drittliga-Lizenz. Am Ende reichte es für die Meppener zwar nur zum achten Platz. Der Sieg im Halbfinale des Niedersachsen-Pokals (2:1 gegen den Lüneburger SK) und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal lassen die SVM-Anhänger aber wieder in Erinnerungen an glorreiche Zeiten schwelgen.

„Die Fan-Unterstützung war schon immer fantastisch. Nicht nur die Mannschaft, sondern die ganze Region hat es verdient, wieder drittklassig zu spielen. Allein die Kulisse beim Finale des Niedersachsen-Pokals zeigt, wie heiß das Emsland auf Profi-Fußball ist. Obwohl wir bereits für den DFB-Pokal qualifiziert waren, kamen gegen den VfL Osnabrück ( 4:5 nach Elfmeterschießen, Anm. d. Red. ) über 10.000 Zuschauer ins Stadion“, sagt Rainer Persike über die große Begeisterung für den Fußball in seiner Heimat.

Nach 16 Jahren Abstinenz nimmt der SV Meppen in der kommenden Saison erstmals wieder am DFB-Pokal teil. Die Mannschaft von Christian Neidhart, jetziger Cheftrainer und Sportlicher Leiter in Doppelfunktion, erwartet Anfang August den Bundesligisten 1. FC Köln in der heimischen Hänsch-Arena. Erneut hat der „kleine“ SVM die Chance, sich auf der großen Fußball-Bühne einen Namen zu machen.

Dieses Highlight-Spiel wird sich auch Persike nicht entgehen lassen. „Wenn ich es zeitlich einrichten kann, bin ich ohnehin bei jedem Heimspiel. Mein Herz hängt weiterhin sehr am SV Meppen - und das wird auch immer so bleiben. Der 1. FC Köln ist ein hervorragendes Los. Ich freue mich auf die Begegnung und hoffe auf ein volles Haus“, so Ex-Trainer Persike, der aber auch betont: „Wichtiger ist, dass irgendwann der Sprung in Liga drei gelingt. Dieser Verein ist etwas Besonderes und hat eine bemerkenswerte, beinahe einmalige Historie. Die jetzige Mannschaft hat auch das Potenzial, einen Aufstieg in Angriff zu nehmen“, ist der ehemalige SVM-Funktionär überzeugt.