AC Bologna: Eine Familie spielt Fußball
Vier der Bolognas: Moreno, Domenico, Samira und Janosch (von links). [Foto: Peter Heck]
Der Treffpunkt hätte passender nicht sein können: Der Sportplatz in Seelbach, wo die sportlichen Wurzeln der deutsch-italienischen Fußball-Familie Bologna liegen. „Hier war ich zehn Jahre Jugendleiter, hier haben die Kinder gespielt“, sagt Papa Adriano Bologna und nimmt jede Menge Grüße der Anwesenden entgegen.
Die Bolognas kennt man. Nicht nur in der 5000-Seelen-Gemeinde im schönen Schuttertal. Bologna – dieser Name steht für Fußball in der Ortenau. Pierre (37 Jahre), Christian (35) und Raphael (32) haben schon aufgehört, Domenico (30) und Janosch (27) sind eben mit dem SC Lahr in die Verbandsliga aufgestiegen, Sebastiano (22) spielt beim FSV Seelbach , Moreno (16) in der Fußballschule von Racing Straßburg. Und Samira (24) hat als Schiedsrichterin gerade den Sprung in die 2. Bundesliga der Frauen geschafft.
Die Bolognas aus Seelbach sind aber viel mehr. Zwölf Kinder, sieben Jungs und fünf Mädchen, neben Samira noch Nathalie (36), Caroline (34), Elisa (25) und Giulietta (18). „Mein Traum war es immer, eine Großfamilie zu haben. Wir waren zu Hause auch sieben Kinder“, sagt Adriano Bologna, der aus Carpineto in den Abruzzen stammt. In seiner italienischen Heimat hat Adrian Bologna einst in Gissi und Vasto studiert und in den Sommermonaten in einem Sägewerk im Kinzigtal Geld verdient. Und dann kam die Wende in seinem Leben. Als sein Fiat Cinquecento in Reichenbach bei Lahr streikte, half ihm Roswitha, ein badisches Mädel aus Seelbach, den Wagen an die nächste Tankstelle zu schieben und ist danach im Grunde nicht mehr von Adrianos Seite gewichen.
Schwester in der 2. Liga
"Mein Traum war es immer, eine Großfamilie zu haben"
Entstanden ist daraus eine deutsch-italienische Familie wie aus dem Bilderbuch. Mit viel Temperament und einem großen Faible für das runde Leder. „Fußball war bei uns immer wichtig. Die Großen haben gespielt, die Kleinen sind auf den Platz mitgegangen“, erinnert sich Janosch Bologna, der als 20-Jähriger für den VfR Elgersweier in der Bezirksliga mal sagenhafte 38 Tore erzielt hat. Seinen Torriecher unterstrich der bullige Stürmer auch in der vergangenen Saison. In der Winterpause war er zum Lahrer FV gewechselt, „weil ich helfen wollte, hier was aufzubauen“. Der neue SC Lahr stand in den Startlöchern, die Euphorie war unverkennbar und auch Janosch Bologna davon beflügelt. Mit acht Toren in der Rückrunde hatte er maßgeblichen Anteil am Aufstieg in die Verbandsliga. „Unser Spiel war auf Janosch ausgerichtet. Aber die Tore muss man erst mal machen“, sagt Bruder Domenico nicht ohne Stolz.
Janosch und Domenico sind vielleicht die Geschwister, die die engste Beziehung zueinander haben. „Wir sind nur drei Jahre auseinander. Der Freundeskreis ist da oft gleich“, erklärt Janosch. Und auch fußballerisch sind sie viele Wege gemeinsam gegangen. „Oft wollten die Vereine uns beide“, begründet Innenverteidiger Domenico den Umstand, dass sie gleichzeitig beim VfR Elgersweier (damals sogar noch mit Bruder Christian), FV Schutterwald, SV Oberachern und jetzt beim SC Lahr gespielt haben bzw. es noch immer tun. Der 30 Jahre alte technische Bauzeichner hat auch schon Vorkehrungen für die Zeit nach seiner aktiven Karriere getroffen. Gerade eben hat er die Trainer-B-Lizenz erworben.
In ganz anderer Funktion auf dem Fußballplatz steht Samira Bologna. Die 24-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als Schiedsrichterin gemacht. Künftig darf sie sogar Spiele der 2. Frauen-Bundesliga leiten, schon vergangene Saison war sie Assistentin im Team von Christine Baitinger (Oberschopfheim) in der 1. Bundesliga der Frauen. Wenn die Spiele bei Eurosport übertragen wurden, saß die Familie natürlich vor dem Fernsehapparat. „Wir werden auch immer gefragt, ob sie unsere Schwester ist“, freut sich Janosch über die Bekanntheit.
Der Jüngste ist der Beste
Auch bei der sportlichen Karriere der Tochter hatte Papa Adriano die Hände im Spiel. Er meldete Samira zu einem Schiedsrichter-Neulings-Lehrgang an, begleitete sie danach auch zu den Spielen. Heute benötigt die junge Frau keinen Aufpasser mehr. Samira Bologna weiß sich zu behaupten. „Man hat gelernt, Persönlichkeit zu entwickeln und sich durchzusetzen.“ Auch beruflich ist Samira Bologna dem Fußball eng verbunden. Im September 2013 hat sie ein Praktikum auf der Geschäftsstelle der TSG 1899 Hoffenheim begonnen und ist geblieben. Heute arbeitet sie in der Mitgliederverwaltung und der Administration der Fußballschule des nordbadischen Bundesligisten. „Da die Fußballschule noch im Wachstum ist, kann man noch viel mitgestalten. Das ist das Schöne an diesem Job“, erklärt Samira Bologna, die einen Bachelor-Abschluss im internationalen Sportmanagement hat.
Apropos Nachwuchs: Dem jüngsten Bologna, dem 16 Jahre alten Moreno, wird der Sprung nach oben zugetraut. Das Nesthäkchen der Familie, ein klassischer „10er“, war schon beim Offenburger FV und beim SC Freiburg aktiv und spielt derzeit mit der Jugend von Racing Straßburg in der höchsten französischen Liga sowie der südbadischen U 17. Der Jung-Legionär, der von der deutschen Nationalmannschaft träumt, ist begeistert: „Frankreich ist was Neues, was anderes. Es macht einfach Spaß.“ In Deutschland, findet der Seelbacher, werde viel mit Taktik gearbeitet, „in Frankreich ist der Fußball technischer, aber auch aggressiver“.
Sein größter Fan ist natürlich der Papa, der den Jüngsten so oft es geht begleitet. „Moreno ist der talentierteste von allen in der Familie“, findet Adriano Bologna und liefert die Begründung gleich mit: „Jedem fehlte etwas. Janosch beispielsweise hätte mit einem besseren Kopfballspiel mehr erreicht, Domenico fehlt ein bisschen die Schnelligkeit, um ganz nach vorne zu kommen. Doch Moreno ist der kompletteste Fußballer von allen. Er hat Schnelligkeit, Technik und Intelligenz. Da stimmt alles“, freut sich Bologna senior, der ein großer Fan von Juventus Turin ist und auch seine Familie damit infiziert hat. „Juventus verkörpert die deutschen Tugenden. Und Juve-Fan zu sein, ist bei uns eine Erbdynastie“, schmunzelt das Familien-Oberhaupt, dessen Kinder bei Hobby- und Krempelturnieren in der Vergangenheit schon gemeinsam dem runden Leder hinterherjagten. Einen passenden Namen hatte das Team auch: „AC Bologna.“ Natürlich bei dieser deutsch-italienischen Familie, in der die Kinder aber eines bedauern: Sie sprechen alle nicht so gut Italienisch, wie sie es gerne würden.
Italiener sind fußball-verrückt. Fußball-TV-Übertragungen sind auch bei den Bolognas eine ganz spezielle Angelegenheit. „Da reden alle durcheinander. Ich bekomm’s da schon mal ans Herz“, lacht Mama Roswitha, die das Leben in der Großfamilie, zu der auch zehn Enkel gehören, genießt. Drei ihrer zwölf Kinder leben noch im Familienhaushalt, und Roswitha will gar nicht daran denken, wenn die Letzten das Haus verlassen. „Moreno hatte die Möglichkeit, ins Internat zu gehen. Das wollten wir aber nicht. Es ist schön, wenn er noch zu Hause ist.“ Rein theoretisch und auch praktisch steht bei den Bolognas alle zwei Wochen ein Familienfest an. Alle sind nicht immer da – mit einer Ausnahme: „Weihnachten wird es eng, deshalb feiern wir Heiligabend zwischen Weinreben in Gengenbach-Reichenbach bei Tochter Caroline“, schmunzelt Adriano und verabschiedet sich jetzt mit viel „Ciao“ vom Fußballplatz des FSV Seelbach: Noch in der Nacht will er mit Moreno nach Carpineto fahren. Auf der Fahrt wird es – man muss kein Prophet sein – vor allem um eines gehen: Um Fußball, die große Leidenschaft der Bolognas.