Flexibles Flüchtlingsteam: Hauptsache kicken!
Auf Asche in der Kölner Kreisliga D: Die SpVg Arminia 09 II (blaue Trikots) ist derzeit Tabellenneunter. [Foto: Kämpf]
Wenn die Anstrengung von vier Nachholspielen in neun Tagen, die defekte Flutlichtanlage und die immer wieder aufkommende Frage nach einem Trainingsplatz locker weggesteckt werden: Die Spieler der SpVg Arminia 09 Köln II haben ganz andere Sorgen. Die Kreisliga-D-Mannschaft besteht aus Flüchtlingen, die Krieg und Verfolgung erleben mussten und sich um ihre Zukunft sorgen. Der Fußball sorgt nun für guten Teamgeist.
Benjamin Meßner muss schmunzeln, als er merkt, was für einen Satz er da gerade in die Welt gestellt hat. „Es werde Licht“, hat er gesagt. Geistige Erleuchtung, was ja durchaus naheliegend wäre, hat der 27-Jährige damit aber keineswegs gemeint. Meßner hat vielmehr einem ganz profanen Wunsch Ausdruck verliehen: Er hofft, dass die Reparatur der Flutlichtanlage am Platz des D-Ligisten SpVg Arminia 09 Köln endlich voranschreitet. Das Problem drängt nämlich mehr denn je. Die Tage sind inzwischen recht kurz, und spätestens mit der Umstellung der Uhren auf die Winterzeit macht der frühe Einbruch der Dämmerung einen abendlichen Trainingsbetrieb ohne Flutlicht schlicht unmöglich.
"Die Jungs haben jede Menge Spaß und ziemlich schnell einen guten Teamgeist entwickelt"
„Bisher konnten wir immer irgendwie Lösungen finden“, sagt Meßner, der vor einigen Wochen bei Arminia als Spielertrainer eine zweite Mannschaft aufgebaut hat und nun 15 Flüchtlinge, zwei Deutsche und einen Montenegriner coacht. Die Trainingssituation verlangt ihm ein hohes Maß an Flexibilität ab. Freitags ist sein Team derzeit Gast auf der Anlage des benachbarten SC Fortuna Köln . Dort gibt es Flutlicht, aber auch nur die Hälfte eines Aschenplatzes. Zusätzlich werden die letzten Stunden mit Tageslicht genutzt oder es geht in die Soccerhalle. Von einer perfekten Lösung ist man damit noch ein gutes Stück entfernt. Denn einige seiner Spieler sind am Nachmittag anderweitig eingespannt, können also nicht so früh zum Training erscheinen und für den regelmäßigen Gang in die Halle fehlt seinen Spielern das Geld. „Wir brauchen aber mindestens zwei Einheiten pro Woche, sonst macht das alles keinen Sinn“, sagt Meßner.
Mit ungewöhnlichen Trainingsbedingungen kennen sich Meßner und seine Spieler bestens aus, schließlich rekrutiert sich der Großteil des Kaders aus einem Mitternachtsfußball-Projekt im Rahmen der Initiative „H.O.P.E.“ des gemeinnützigen Trägers Rheinflanke. Gleich neben einer Flüchtlingsunterkunft bietet Sozialarbeiter Meßner zu später Stunde einen Hallenkick an.
Die Resonanz des Projektes im Kölner Stadtteil Weiden ist seit Monaten ungebrochen groß. Natürlich auch, weil der Zustrom von Flüchtlingen in die Rheinmetropole wie überall im Bundesgebiet nicht abreißt. „Die Leute wollen sich bewegen und Abwechslung erleben“, sagt Benjamin Meßner. Für einen Teil der Flüchtlinge ist auch Vereinsfußball dank Meßners Engagement inzwischen ein paar Kilometer weiter, in Köln-Zollstock, wieder zur Normalität geworden. Doch genau in dieser Normalität steckt für sie immer noch das Besondere. Denn für die meisten dieser jungen Männer ist der Sport mehr als ein Hobby. Fußball lenkt ab. 90 Minuten lang geht es es einfach nur um Zweikämpfe, gegenseitige Anfeuerung, gemeinsamen Erfolg oder den Ärger über misslungene Aktionen. Sonst nichts. 90 Minuten lang ist kein Platz für Erinnerungen an Krieg, Verfolgung, wirtschaftliche Nöte und Flucht. Und auch die Sorgen um die Zukunft sind ganz weit weg.
Ohne Leute wie Meßner oder den Vorsitzenden des Fußballkreises Köln, Werner Jung-Stadié, wäre das alles nicht möglich. Jung-Stadié, selbst in der Klubführung von Arminia 09 tätig, half tatkräftig mit, den Einstieg des Flüchtlingsteams in den Kölner Kreisliga-Fußball zu gewähren. Eine leichte Geburt war aber auch das nicht. „Wir standen zunächst auf einer Warteliste, weil die Staffeln voll besetzt waren“, sagt Meßner. Erst Mitte September, als die Konkurrenz den Meisterschaftsstart längst absolviert hatte, gab es grünes Licht für die Teilnahme am Spielbetrieb. Seitdem befindet sich Arminia II in einer Aufholjagd.
Abendspiele ausgeschlossen
Es gilt, die verpassten Partien nachzuholen - was wiederum ohne Flutlicht alles andere als leicht ist. Abendliche Heimspiele sind schließlich ausgeschlossen. „Wir müssen also alternative Termine finden“, sagt Meßner, den das Nachholprogramm mächtig geschlaucht hat. Ende September absolvierte seine Elf vier Spiele in neun Tagen. „Gott sei Dank ist das vorbei“, sagt Meßner, der die anschließenden englischen Wochen mit zwei Partien als vergleichsweise entspannt empfand. Noch hinkt sein Team dem Spielplan ein wenig hinterher. Sportlich hat die Mannschaft aber längst aufgeschlossen. Die Flüchtlings-Elf belegt einen Platz im Tabellenmittelfeld. Und noch ist der Kader nicht einmal komplett. Acht weitere Akteure warten noch auf ihre Spielberechtigung.
Noch so eine Baustelle für den nimmermüden Meßner, der den Lohn seiner Mühen aber bereits erkennen kann. „Die Jungs haben jede Menge Spaß und ziemlich schnell einen guten Teamgeist entwickelt. Inzwischen sind alle gut vernetzt und haben auch abseits des Fußballplatzes Kontakt miteinander“, sagt der 27-Jährige. Damit hat er sein erstes Ziel erreicht: Die Spieler seiner Mannschaft helfen sich gegenseitig, tauschen Erfahrungen mit Behördengängen und dem Einstieg in die Arbeitswelt aus. „Außerdem habe ich mit meinem Engagement das Vertrauen der Leute gewonnen. Das geht auf dem Sportplatz mit Sicherheit so schnell wie sonst nirgendwo“, erklärt Meßner.
Und genau diese Vertrauensbasis benötigt er, um seiner eigentlichen Aufgabe nachzukommen. Schließlich will er seine Teamgefährten auf den Alltag in Deutschland vorbereiten und ihre Chancen steigern, in der fremden Kultur und Arbeitswelt klarzukommen. Dass sie auch in ihrer neuen Heimat nur mit einem gewissen Maß an Flexibilität und Durchhaltevermögen vorankommen, muss Meßner indes niemandem mehr erläutern.