VfR Alsheim |03.01.2016|19:18

18 Klatschen: Aber Alsheim hat Spaß dabei

Der VfR Alsheim III und Trainer Holger Huth bekommen Wochenende für Wochenende eine Packung - nicht nur auf der heimischen Sportanlage. [Foto: Arens]

Ganz oben thront im deutschen Fußball der FC Bayern München – und ganz unten der VfR Alsheim III. 18 Spiele, 18 Niederlagen – und das bei einem Torverhältnis von satten 16:262. Mit dieser Zwischenbilanz haben sich die Kicker des C-Kreisligisten aus dem Spielkreis Alzey-Worms in Rheinland-Pfalz Ende November in die Winterpause verabschiedet.

Im letzten Spiel des Jahres schenkte der Tabellendritte TV 1895 Albig dem Schlusslicht beim 24:0-Auswärtssieg noch einmal kräftig ein. „Wir standen von Beginn an auf verlorenem Posten. Bereits nach gut 20 Minuten lagen wir mit 0:6 zurück“, berichtet Sigfried Mainka. Da der „Dritten“ mal wieder kein gelernter Torwart zur Verfügung stand, half der 52 Jahre alte Spielausschussvorsitzende aus. Als die personell sowieso schon geschwächte Neuner-Mannschaft des VfR noch einen weiteren verletzungsbedingten Ausfall während der Partie zu beklagen hatte und es keinen Ersatzspieler gab,  wurde die höchste Saisonniederlage in Unterzahl Realität – Mainka verhinderte mit zahlreichen Paraden ein noch schlimmeres Debakel.

Niedergeschlagene Stimmung, eine geringe Trainingsbeteiligung, Undiszipliniertheiten? Das, was anderswo mit dem Misserfolg allzu oft einhergeht, ist beim VfR Alsheim III nicht der Fall. „Die Jungs haben das bis jetzt eigentlich immer ganz gut weggesteckt. Sie wollen kicken. Das Ergebnis ist ihnen nicht so wichtig“, sagt Trainer Holger Huth. Auf Platz fünf der Fairness-Tabelle rangiert sein Team – und die einzigen beiden Gelb-Roten Karten wegen Meckerns „ärgern mich doch sehr. Ich sage den Jungs immer, sie sollen doch den Mund halten. Manchmal passiert es dann doch“, sagt Huth.

Der 47-Jährige war zuvor in der ersten oder zweiten Mannschaft des VfR – beide spielen in den zwei anderen Alzey-Wormser C-Kreisliga-Staffeln – aktiv. Als die Teams vor der Saison mehr als 50 Fußballer zählten, wurde eine weitere Mannschaft für den Spielbetrieb angemeldet. Huth steht gelegentlich auf dem Feld, hat es aber lieber, wenn er von außen coachen kann.  

"Der Spaß steht an erster Stelle – und den lassen wir uns auch nicht durch die hohen Niederlagen verderben"

Flüchtlinge kicken mit

Einige seiner Schützlinge brauchen schließlich eine intensivere Kommunikation: Gleich ein halbes Dutzend Flüchtlinge aus Somalia zählt zum Kader. So wie der 22-jährige Rachmaan haben sie in der rheinhessischen 2.600-Einwohner-Gemeinde nördlich von Worms zumindest vorerst eine Bleibe gefunden. Fußball hält Rachmaan „für sehr gut, um von einer Gesellschaft aufgenommen zu werden und neue Menschen zu integrieren“. Davon ist auch Coach Huth überzeugt. Der Kontakt zu den Ostafrikanern ergab sich rein zufällig. „Anfangs haben zwei oder drei von ihnen mal beim Training oder einem Spiel zugeschaut. Irgendwann haben wir gefragt, ob sie nicht Lust hätten, mitzuspielen“, erzählt er.

Auch für den Vorsitzenden Björn Krämer spielt der soziale Aspekt eine wichtige Rolle: „Wir sind ein kleiner Verein, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, jeder Person das Fußballspielen zu ermöglichen. Aus diesem Grunde wurde vor der Saison die dritte Mannschaft gegründet. Ganz gleich welcher Herkunft die Spieler sind, verbindet alle eins: die Lust am Fußball.“

Die Somalis sind beim VfR und speziell im Team voll integriert, sie kommen regelmäßig ins Training. Die Verständigung läuft über Englisch und ein paar Brocken Deutsch. Auf dem Platz stehen sie für eine ganz besondere Art von Fußball, wie der Coach zu verstehen gibt: „Sie sind sehr offensiv ausgerichtet, schießen lieber ein Tor und verlieren 1:20, als ohne eigenen Treffer nur einstellig zu unterliegen.“ In ein allzu enges taktisches Korsett will er seine Mannen erst gar nicht reinpressen – denn: „Der Spaß steht an erster Stelle – und den lassen wir uns auch nicht durch die hohen Niederlagen verderben.“

Fast der erste Punktgewinn

Der fehlende, gelernte Torwart, mangelndes Abwehrverhalten des gesamten Teams, allgemeine technische Unzulänglichkeiten und der Umstand, dass „nach einer oft noch guten Anfangsphase mit den ersten Gegentreffern irgendwann die Köpfe runtergehen und alle Dämme brechen“, macht der aus Osthessen stammende und vor seiner Alsheimer Zeit im benachbarten Gimbsheim aktive Huth für den anhaltenden Misserfolg verantwortlich.

Aber einmal hätte es beinahe doch geklappt mit einem Punktgewinn: Am 11. Oktober brachten die Alsheimer den TuS Dorn-Dürkheim beim 2:3 mächtig ins Schwitzen. „Da hatten wir mit Torwart Jan Rieger und Stürmer Tim Butty zwei Verstärkungen von oben und außerdem einen guten Tag erwischt. Dorn-Dürkheim hatte in dieser Phase außerdem so seine Probleme“, erinnert sich Huth, der einen hohen Aufwand betreibt, um sonntags dabei zu sein: Fast immer reist er zu den Spielen aus dem 130 Kilometer entfernten Zweibrücken an, wo seine Freundin wohnt.  

Für die gegnerischen Teams hat Huth generell Lob parat: „Viele haben Respekt vor uns und finden es klasse, dass wir das hier so durchziehen.“ Bereits drei Mal habe man so nach einem Auswärtsspiel vom Gegner eine Kiste Bier ausgegeben bekommen. „Dieses Ritual kenne ich sonst nur von Begegnungen der Alten Herren.“ Das Ziel für die restlichen zwölf Spiele nach der Winterpause? „Ein Punkt wäre schön“, sagt der Coach. Freuen würde er sich aber schon „über jedes Spiel, das wir nicht zweistellig verlieren oder mal über eine Halbzeit ohne Gegentor“.