Regionalliga |16.03.2016|16:15

Glowacz: "Wattenscheid ist kein Chaos-Klub"

Einer der wichtigsten Erfolgsgaranten bei Regionalligist SG Wattenscheid 09: der 28-jährige Manuel Glowacz. [Foto: MSPW]

Er ist einer der wichtigsten Erfolgsgaranten beim West-Regionalligisten SG Wattenscheid 09. An fast der Hälfte aller Tore des Tabellendritten war Manuel Glowacz (28), der erst vor Saisonbeginn vom Absteiger Sportfreunde Siegen ins Ruhrgebiet gewechselt war, direkt beteiligt. In der Lohrheide blüht der Sohn des langjährigen Bundesliga-Profis Jürgen Glowacz (1. FC Köln, SV Werder Bremen, Bayer 04 Leverkusen) richtig auf.

Mit dem „kölschen Jong“ mischen die Wattenscheider, die in der vergangenen Saison noch bis kurz vor Schluss um den Klassenverbleib bangen mussten, überraschend in der Spitzengruppe der Liga mit und stehen auch im Halbfinale um den Westfalenpokal. Da der Klub auf einen Zulassungsantrag zur 3. Liga verzichtet hat, ist die Qualifikation für den DFB-Pokal jetzt das große Ziel der Mannschaft von Trainer Farat Toku.

"Unsere Mannschaft hätte ganz sicher mehr Unterstützung verdient. Als wir mit einem Sieg gegen Erndtebrück Dritter werden konnten, waren gerade einmal 420 Leute da"

Im aktuellen FUSSBALL.DE -Regionalliga-Interview spricht Manuel Glowacz über den Aufschwung beim ehemaligen Bundesligisten, seine Rückennummer „13“, die Stärke bei Standardsituationen und seinen Vater als Freund und Kritiker.

FUSSBALL.DE: Elf Saisontreffer und zwölf Torvorlagen sind für einen offensiven Mittelfeldspieler eine mehr als beachtliche Quote. Gemeinsam mit Gladbachs Marlon Ritter führen Sie die Scorerliste der Regionalliga West an. Spielen Sie die beste Saison Ihrer Karriere, Herr Glowacz?

Manuel Glowacz: Was die Quote von Toren und Vorlagen angeht, auf jeden Fall. Hinzu kommt der sportliche Erfolg mit der SG Wattenscheid 09 . Ich fühle mich rundum wohl.

Ist das der Grund für die Leistungsexplosion?

Glowacz: Das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Ich hatte auch schon vorher das eine oder andere erfolgreiche Jahr. Beim Regionalliga-Aufstieg mit dem FC Viktoria Köln sind mir beispielsweise 16 Vorlagen und zumindest vier Treffer gelungen. Bei der U 23 von Schalke 04 und vor allem in der ersten Saison bei den Sportfreunden Siegen lief es ebenfalls sehr gut. Im zweiten Jahr war ich dann lange verletzt. Hinzu kam der große Umbruch im Kader, am Ende stand der bittere Abstieg. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich mich danach für Wattenscheid 09 entschieden habe. Hier passt im Moment sehr viel zusammen.

Also alles richtig gemacht?

Glowacz: Definitiv. Ich wollte bei meinem neuen Klub in erster Linie wieder Spaß am Fußball haben, Trainer Farat Toku hat mich dann auch schnell überzeugt. In Wattenscheid kam ich in eine intakte Mannschaft, die mich super aufgenommen hat. Dass es so perfekt laufen würde, damit konnte keiner rechnen. Aber mir war schon sehr schnell klar, dass viel Potenzial vorhanden und der Kader sehr gut zusammengestellt ist.

Welche Rolle spielt die Rückennummer?

Glowacz: Ich habe in Wattenscheid wieder die „13“ - wie früher schon bei Germania Windeck , bei Viktoria Köln und auf Schalke. In Siegen hatte ich erst die „10“ - und verletzte mich schwer. Mit der „7“ kam dann der Abstieg. Deshalb wollte ich unbedingt wieder die „13“, die mir immer Glück gebracht hat. Auch unsere Tochter Sophia wurde an einem 13. geboren.

Als Ihre besondere Stärke gelten Freistöße, Elfmeter und Eckbälle. Woher kommt das?

Glowacz: Ich habe es schon zu Jugendzeiten stundenlang geübt, die Bälle über die Mauer ins Tor zu schlenzen, bin deshalb oft länger auf dem Platz geblieben. Auch jetzt trainiere ich das regelmäßig mit unseren drei Torhütern, die dabei mit ihren unterschiedlichen Stärken eine große Hilfe sind. Umso schöner, dass es aktuell auch in den Spielen so gut klappt.

Offiziell gilt immer noch der sichere Klassenverbleib als Saisonziel. Geben Sie sich damit noch zufrieden?

Glowacz: Der Abstiegskampf ist bei uns aber kein Thema mehr. Wir wollen jetzt selbstverständlich weiter oben mitmischen und so gut wie möglich abschneiden. Sollte es uns gelingen, den dritten Tabellenplatz zu verteidigen, wäre das ein überragender Erfolg. Die mögliche Qualifikation für den DFB-Pokal wäre die Krönung.

Aus wirtschaftlichen, aber auch strukturellen Gründen hat der Verein auf einen Zulassungsantrag zur 3. Liga verzichtet. Nicht enttäuscht darüber?

Glowacz: Nein, dazu gibt es auch keinen Grund. Zum einen sind wir von den Meisterschaftsfavoriten Borussia Mönchengladbach U 23 und Sportfreunde Lotte , die beide eine sehr konstante Saison spielen, noch ein Stück weit entfernt. Bis zum 2:1 gegen Viktoria Köln war es uns zuvor beispielsweise nicht gelungen, einen direkten Konkurrenten aus der Spitzengruppe zu besiegen. Auch deshalb haben wir nicht vom Aufstieg geträumt, sondern wissen genau, woher wir kommen und welche Möglichkeiten der Verein besitzt.

Dass die SG Wattenscheid 09 so positive Schlagzeilen geschrieben hat, liegt schon einige Zeit zurück!

Glowacz: Ich weiß noch genau, wie viele Leute mir abgeraten haben, nach Wattenscheid zu wechseln. Da war sogar oft von „Chaos-Klub“ die Rede. Ich kann dazu nur sagen, dass sich nichts davon bewahrheitet hat. Man spürt jeden Tag, wie sich alle Beteiligten für den Verein und die Mannschaft engagieren. Diese Arbeit zahlt sich jetzt aus.

Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsgeheimnis?

Glowacz: Bei uns weiß jeder, dass wir nur als Einheit stark sind. Die eigenen Interessen werden hinten angestellt, der Teamgedanke steht immer im Vordergrund. Auch ein Güngör Kaya, der schon 15 Tore erzielt hat, ordnet sich unter, gibt alles für die Mannschaft. Hinzu kam, dass wir nach einer vermeintlichen schwachen Vorbereitung einiges umgestellt haben und dann gleich gut in die Saison gekommen sind. Spätestens nach dem 3:0 gegen Rot-Weiss Essen ist das Selbstvertrauen immer weiter gewachsen.

Dennoch verlieren sich im großen Lohrheide-Stadion oft nur einige hundert Zuschauer. Ist das nicht frustrierend?

Glowacz: Unsere Mannschaft hätte ganz sicher mehr Unterstützung verdient. Als wir mit einem Sieg gegen Erndtebrück Dritter werden konnten, waren gerade einmal 420 Leute da. Das ist schon schade. Die Fans, die kommen, unterstützen uns aber ausgezeichnet. Wir können nur weiter versuchen, mit sportlichen Erfolgen auf uns aufmerksam zu machen.

Nach aktuellem Stand laufen sämtliche Spielerverträge zum Saisonende aus. Fürchten Sie, dass die gut funktionierende Mannschaft auseinanderfallen könnte?

Glowacz: Das wäre auf jeden Fall jammerschade. Ich will es mal so sagen: Es wäre eine Riesenchance für den Verein, diese Mannschaft zumindest weitgehend zusammenzuhalten und möglichst noch weiterzuentwickeln. Dann könnte hier etwas Großes entstehen. Es ist auch nicht so, dass noch keine Gespräche stattgefunden haben. Der Trainer hat im Winter mit jedem Spieler gesprochen, jeder kann sich vorstellen zu bleiben. Finale Verhandlungen gab es aber noch nicht. Sie sollen in den nächsten Wochen folgen.

Wie sieht es mit Ihnen persönlich aus? Haben die guten sportlichen Leistungen noch keine Begehrlichkeiten geweckt?

Glowacz: Auch für mich gilt, dass ich mir sehr gut vorstellen kann zu bleiben, wenn die Perspektive stimmt. Außerdem müssen Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Ich komme täglich aus Köln zum Training, bilde mit Koray Kacinoglu und Christopher Braun eine Fahrgemeinschaft. Wie schon angedeutet: Vor sieben Monaten bin ich erstmals Vater geworden, muss auch an meine Familie denken.

Familie ist ein gutes Stichwort: Ihr Vater Jürgen Glowacz bestritt mehr als 250 Bundesliga-Spiele, gilt beim 1. FC Köln als Vereinslegende, war beim „Effzeh“ auch lange Vizepräsident. Wie sehr verfolgt er Ihre Karriere?

Glowacz: Wenn er kann, schaut er sich alle unsere Spiele an, gibt mir dann immer sofort eine Rückmeldung über meine Leistung. Einen besseren Freund und Gesprächspartner kann ich mir nicht wünschen. Er weiß genau, wie man sich fühlt, wenn man in der 94. Minute Verantwortung übernimmt und einen Elfmeter verwandelt - wie kürzlich beim 2:2 in Essen. Manchmal geht er auch sehr hart mit mir ins Gericht. Zuletzt meinte er aber auch mal, dass er schon seit Wochen eigentlich nichts mehr zu meckern hatte. (lacht)

Er war auch Mittelfeldspieler. Was können Sie besser als er?

Glowacz: Mein Vater sagt, ich sei schneller und hätte den besseren rechten Fuß. Mit ähnlichen Voraussetzungen hätte er bestimmt zahlreiche Länderspiele bestritten. (lacht) Mir fehlt dafür vielleicht in manchen Situationen ein wenig die Galligkeit oder die Zweikampfhärte, die meinen Vater immer ausgezeichnet hat. Fest steht: Die Anzahl seiner Bundesliga-Spiele werde ich ganz sicher nicht mehr erreichen. Dazu bin ich zu sehr Realist. Das ist für mich aber kein Grund, neidisch zu sein. Ich bin stolz darauf, was er während seiner Karriere geleistet hat.

Sie hatten Ihre Karriere ebenfalls im Nachwuchs des 1. FC Köln gestartet. Warum hat es dort nicht mit dem Durchbruch geklappt?

Glowacz: Wie gesagt: Vielleicht ging mir ein wenig das Durchsetzungsvermögen ab. Mein Name war zu der Zeit, als ich Spieler und mein Vater im Vorstand war, aber sicher auch kein Vorteil. Es ist mir auf jeden Fall sehr schwer gefallen, den FC zu verlassen. Denn ich liebe den Klub genau wie die Stadt. Köln wird definitiv mein Lebensmittelpunkt bleiben.