Kinderschutz |09.06.2017|16:10

B-Ligist Walberberg: Beim Kinderschutz spitze

Bianca Over (2.v.l.) hat sich des Themas Kinderschutz beim SSV Walberberg angenommen. [Foto: Kämpf]

Bianca Over ist keine Frau, die ein Thema so lange ignoriert, bis es ihr als Problem auf die Füße fällt. Sie steckt voller Energie und packt an. Das tut sie in ihrer Familie, im Job und seit beinahe zehn Jahren auch als Jugendleiterin der Fußballer des SSV Walberberg. Scheu vor unangenehmen Themen kann sie sich da nicht leisten. Sonst läuft es nicht. „Unstimmigkeiten müssen zügig angesprochen werden, damit es erst gar keinen Frust oder Ärger gibt“, sagt sie. Und natürlich gibt es in einem 600 Mitglieder zählenden Mehrspartenverein immer mal wieder unterschiedliche Meinungen, Empfindungen und Ideen. Da macht auch der Klub, dessen Sportplatz idyllisch auf dem kleinen Höhenzug zwischen den Städten Köln und Bonn liegt, keine Ausnahme.  

Von größeren Sorgen und Nöten ist man beim SSV, dessen erste Mannschaft in der Kreisliga B spielt, aber bislang verschont geblieben. Und das soll auch so bleiben. Doch Bianca Over steht mit beiden Beinen im Leben. Sie weiß, dass die schönste Idylle Risse bekommen kann. Der Alltag in den Vereinen ist nun einmal ein Abbild der Gesellschaft - mit Licht und Schatten. Und sie weiß auch, dass Kinder und Jugendliche andernorts schlimme Dinge erlebt haben: Dumme Sprüche, unangemessene Berührungen und sexuellen Missbrauch. In Waisenhäusern und Schulen gab es das - und auch in Sportvereinen. „Genau deshalb haben wir uns von Anfang an auch um das Thema Kinderschutz gekümmert“, sagt Bianca Over. Sie will gestalten, Weichen stellen, vorbeugen -  bevor es auch nur ansatzweise zu ernsten Schwierigkeiten kommt. Dass, so sagt Bianca Over, seien sie und ihre Mitstreiter im Verein sich selbst und den 240 Kindern und Jugendlichen in der Fußballabteilung sowie deren Eltern schuldig.

"Wir nehmen die Kleinen auch mal in den Arm, wenn sie sich wehgetan haben oder traurig sind. Aber das alles geschieht eben mit einer gewissen Kontrolle und im Zweifelsfall mit respektvoller Distanz"

Bis vor einiger Zeit kümmerte man sich in dem Klub im Bornheimer Stadtteil Walberberg vornehmlich intuitiv um die besonderen Belange des Kinderschutzes. „Jeder benahm sich rücksichtsvoll und es ist auch nie etwas Blödes passiert“, sagt Over. Doch im alltäglichen Zusammenspiel von Trainern und Kindern gibt es eben auch eine gewisse Grauzone. Einen Bereich, in dem man Gefühle verletzen kann, ohne es zu wollen, einen Bereich, in dem Missverständnisse entstehen können. Daher haben Bianca Over und die übrigen Verantwortlichen sich inzwischen auf klare Verhaltensregeln verständigt, an die sich alle zu halten haben. „Ich bin ein Freund klarer Vorgaben“, sagt die 43-Jährige, „denn sie erleichtern vieles und verhindern Ungerechtigkeiten.“

Beim SSV herrscht daher grundsätzlich das Sechs-Augen-Prinzip. Das heißt, dass die Betreuer und Trainer nie alleine mit einzelnen Spielern sind. Wenn die Coaches ihre Schützlinge im PKW zu Meisterschaftsbegegnungen kutschieren, sind immer mindestens drei Kinder an Bord, die möglichst alle auf der Rückbank Platz nehmen. Bei den Mädchenmannschaften gibt es einen akribisch geplanten Kabinendienst, den Mütter übernehmen. Für Jungen und Trainer ist die Umkleide damit tabu. Teambesprechungen werden bei diesen Mannschaften zumeist draußen abgehalten. Bei allen  Chats, die bei der Organisation von Spielbetrieb und Training sowie dem Austausch der Mannschaftsmitglieder heute selbstverständlich sind, liest Bianca Over mit. Wer über andere lästert oder dumme Sprüche klopft, handelt sich Ärger ein. Mittelfristig soll zudem ein Ansprechpartner außerhalb der Vereinsführung gefunden werden, der den Kindern als Kummerkasten und neutraler  Vermittler dienen soll. Zudem gibt es regelmäßige Treffen aller in der Jugendarbeit engagierten Verantwortlichen. Mit diesem Bündel von Maßnahmen sieht man sich in Walberberg auf einem guten Weg.

„Das alles hat nichts mit Misstrauen gegenüber unseren Leuten zu tun“, betont Bianca Over, deren Ehemann Franz in Walberberg ebenfalls als Nachwuchscoach tätig ist. Die meisten seien einfach froh, dass das Thema ganz offen angesprochen werde. „Kinderschutz bedeutet nämlich auch Trainerschutz“, sagt die 43-Jährige. Schließlich können auch Missverständnisse und falsche Verdächtigungen böse Konsequenzen haben. Und noch eines betont die Mutter zweier Jungen, die ebenfalls beim SSV kicken: „Hier geht es trotz aller Regeln nicht unterkühlt zu. Natürlich kümmern wir uns um die Kinder, wir nehmen die Kleinen auch mal in den Arm, wenn sie sich wehgetan haben oder traurig sind. Aber das alles geschieht eben mit einer gewissen Kontrolle und im Zweifelsfall mit respektvoller Distanz.“

Dass der Umgang ihres Klubs mit den Rechten und Gefühlen der Nachwuchskicker als besonders vorbildlich eingeschätzt wird, erfüllt Bianca Over, die sich auch als Frauenbeauftragte des Fußballkreises Bonn engagiert, durchaus mit Stolz. Neulich berichtete sogar ein Fernsehteam über den SSV und die Jugendleiterin. „Es gab eine Menge positives Feedback“, sagt sie.  Das alles macht ihr Hoffnung, dass auch andere sich mit Kinderschutz-Belangen auseinandersetzen, bevor das Thema zu einem Problem geworden ist.


Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat mit der Broschüre „Kinderschutz im Verein“ einen Handlungsleitfaden zur Prävention und Intervention von sexualisierter Gewalt im Fußball veröffentlicht. Sie richtet sich an alle Vereinsmitarbeiter, die in ihren Vereinen den Fußball organisieren und somit für ihn Verantwortung tragen. Der Handlungsleitfaden orientiert sich an den konkreten Fragen und Anforderungen zum Thema Kinderschutz im Verein. Er gibt den Vereinen Grundlagen und Hilfestellungen an die Hand, damit diese die nötigen Schritte zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt im Fußball ergreifen und wirksam umsetzen können.

Hier gibt es die Broschüre als Download.