Torwartfamilie Mertha: Training mit Neuer
Familienduell: Tjark Mertha (l.) und sein Vater Frank Mertha (r.) könnten sich bald auf dem Feld gegenüberstehen. [Foto: Privat]
Das ist wohl einzigartig in Deutschland! Wenn am Sonntag, 25. Februar, der ESC Geestemünde den OSC Bremerhaven in der Bremen-Liga empfängt, könnte es auf der Torhüterposition zwischen dem bereits 51-jährigen Frank Mertha und seinem 20-jährigen Sohn Tjark zu einem Familienduell kommen. Während Vater Frank trotz seines hohen Alters beim Tabellenzehnten OSC Bremerhaven schon mehrfach in der 5. Liga aushelfen musste, hat sich sein Filius beim ESC Geestemünde einen Stammplatz erkämpft. Kurios: Von allen 16 Mannschaften in der Bremen-Liga kassierten ausgerechnet der OSC Bremerhaven (63 Gegentreffer) und der ESC Geestemünde (60) die meisten Gegentreffer.
Die Merthas sind aber nicht nur mögliche Gegner in der Oberliga, sondern arbeiten auch noch eng zusammen. Seit dieser Saison betreuen Vater und Sohn immer dienstags und donnerstags den Torhüternachwuchs beim OSC. Tjark kümmert sich um die U 14 und U 16, Papa Frank ist für die U 17 und U 19 zuständig.
Im aktuellen FUSSBALL.DE -Doppelinterview sprechen Frank und Tjark Mertha mit Mitarbeiter Peter Haidinger über ihre Torwartgene, ihre Rituale und eine Trainingseinheit mit Welttorhüter Manuel Neuer.
FUSSBALL.DE: Mal Hand aufs Herz, Frank Mertha: Wie verrückt muss man sein, um sich mit 51 Jahren in der Oberliga noch ins Tor zu stellen?
Mein Vater hat mir alles beigebracht
Frank Mertha: Ganz ehrlich: Dafür muss man schon richtig bekloppt sein (lacht). Es war aber auch eine Herzensangelegenheit von mir. Als bei meinem Stammverein OSC Bremerhaven die Torhüter der ersten Mannschaft allesamt verletzungsbedingt ausfielen, musste ich als Notnagel einspringen.
FUSSBALL.DE: Tjark ist schon mit 20 Stammtorwart in der 5. Liga. Was haben Sie von Ihrem Vater mit auf dem Weg bekommen?
Tjark Mertha: Mein Vater hat mir alles beigebracht. Er hat mir im Training gezeigt, worauf ich zu achten habe und schon im frühen Kindesalter die Angst vor dem Ball genommen. Seine Devise lautete immer: Schaue keinem Ball hinterher, sondern fliege danach.
FUSSBALL.DE: Wer ist denn der bessere Torwart?
Tjark Mertha: Ich bin der bessere Keeper, schon allein wegen des Altersunterschiedes. Mein Ziel ist es, irgendwann noch einmal in der Regionalliga zu spielen. Aber auch ein großes Lob an meinem Vater, der seine Sache im Kasten immer noch sehr gut macht.
Frank Mertha: Tjark hat schon Recht. Mein Sohn ist besser ausgebildet, athletischer, bringt zehn Zentimeter mehr Länge mit und ist in seiner ganzen Veranlagung weiter. Schließlich habe ich ihn ja auch trainiert (lacht).
FUSSBALL.DE: Verfolgen Sie vor einem Spiel ein gewisses Ritual?
Tjark Mertha: Ich trage bei jedem Spiel immer den gleichen Pullover unter meinem Trikot. Nachdem unser Zeugwart mal vergessen hatte, meine schwarze Torwarthose einzupacken, laufe ich außerdem mit einer roten Spielerhose auf. Damit haben wir drei Spiele gewonnen. Seitdem bleibt die schwarze Hose im Koffer.
Frank Mertha: Ich beanspruche immer noch meinen alten Platz in der Kabine, ziehe unter dem Trikot noch meine alten Klamotten von früher an. Vor dem Spiel muss ich im Auto immer Musik von Peter Maffay hören.
FUSSBALL.DE: War der Weg des Torhüters für Sie vorbestimmt?
Frank Mertha: Mein Vater Werner war schon Torhüter, mein Onkel Lothar Matuschak hat sogar bei Westfalia Herne in der 2. Bundesliga im Tor gestanden und als Torwarttrainer bei Schalke 04 unter anderem auch Manuel Neuer betreut. Da war der Weg vorgezeichnet.
Tjark Mertha: Schon als kleines Kind habe ich zu Hause die Torwarthandschuhe meines Vaters getragen. Es kam für mich nie eine andere Position infrage. Mit neun Jahren habe ich dann auch selbst einmal Manuel Neuer getroffen, der damals U 19-Torhüter bei Schalke 04 war. Die Trainingseinheit mit ihm werde ich nie vergessen. Lothar Matuschak hatte diese Begegnung damals möglich gemacht.
FUSSBALL.DE: Stichwort Manuel Neuer, der längst zum Welttorhüter aufgestiegen ist und das Torwartspiel mit seiner Art revolutioniert hat. Wie nehmen Sie als "alter Hase" die Veränderungen wahr?
Frank Mertha: Der Torhüter muss für mich der am besten ausgebildete Fußballer auf dem Platz sein. Seine Aufgabe ist hoch komplex: Er entscheidet, ob ein Spiel schnell oder langsam gemacht wird, muss beidfüßig ausgebildet sein und zwischendurch auch noch einige Bälle halten. Außerdem müssen seine Pässe auf den Punkt genau kommen. Insgesamt ist das eine sehr hohe körperliche Belastung.
FUSSBALL.DE: Im ersten Spiel nach Ihrer Reaktivierung setzte sich der OSC beim KSV Vatan Sport 4:3 durch. Wie sehr taten die Knochen weh und was ging Ihnen nach dem Erfolg in der Kabine durch den Kopf?
Frank Mertha: Ich brauchte eine Woche, bis ich mich wieder richtig bewegen konnte. Früher hatte es ein Tag gedauert. In erster Linie überwog aber die Freude über den Sieg.
FUSSBALL.DE: Tjark lernte auch schon die Schattenseiten kennen. Die 1:10-Packung gegen Tabellenführer Bremer SV war die bislang höchste Niederlage. Wie haben Sie sich danach gefühlt?
Tjark Mertha: Zehn Gegentore hatte ich zuvor noch nie kassiert. Kein Fußballer verliert gerne zweistellig. Die Niederlage habe ich zwei Wochen mit mir herumgeschleppt und hatte daran richtig zu knabbern, weil ich der Mannschaft auch nicht helfen konnte. Insgesamt haben wir alle an diesem Tag eine desolate Leistung abgeliefert. Die Zuschauer hätten meinen können, dass wir noch nie zuvor Fußball gespielt hatten.
FUSSBALL.DE: An welchen Torhüter haben Sie sich in Ihrer Jugend orientiert? Wer ist Ihr Vorbild?
Tjark Mertha: Früher war Oliver Kahn mein Held. Sein Motto, niemals aufzugeben, hat mir imponiert. Heute ist es Manuel Neuer, der mit seiner Spielweise ein noch höheres Level erreicht hat.
Frank Mertha: Bei mir waren es damals der schwedische Nationaltorhüter Ronnie Hellström vom 1. FC Kaiserslautern und Weltmeister Sepp Maier, der eine unglaubliche Strafraumbeherrschung hatte.
FUSSBALL.DE: In Fußballer-Kreisen sagt man, dass Torhüter und Linksaußen ganz spezielle Menschen sind. Welchen Tick haben Sie?
Tjark Mertha: Ich lege großen Wert auf Ordnung, alles muss in der Kabine an seinem Platz sein. Bevor es zum Spiel geht, packe ich meine Sporttasche immer in der gleichen Reihenfolge. Erst die Unterhose, dann die Handtücher, danach die Schienbeinschoner.
Frank Mertha: Grundsätzlich muss man schon bekloppt sein, wenn man sich überhaupt in Bälle schmeißt, nur um ein Gegentor zu verhindern. Das ist schon eine innere Gabe und Kunst, die man haben muss, um am Ende den Schmerz spüren zu dürfen (lacht).
FUSSBALL.DE: Direkt nach der Winterpause könnte es am 25. Februar in der Bremen-Liga zum direkten Vergleich kommen, wenn der ESC Geestemünde den OSC Bremerhaven empfängt. Wie groß ist die Vorfreude auf das Familienduell?
Tjark Mertha: Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf das Derby, will gegen meinen Vater unbedingt gewinnen. An diesem Tag werde ich auch keine Rücksicht darauf nehmen, dass es gegen ein Familienmitglied geht.
Frank Mertha: Als Vater schlagen zwei Herzen in meiner Brust. So ganz objektiv werde ich das Spiel - ob nun als OSC-Torwart oder als Zuschauer - so oder so nicht betrachten können. In meinem Kopfkino spiele ich auch bei meinem Sohn immer mit und schaue, was Tjark hätte besser machen können.