Amateur-Alltag: Gute Vorsätze fürs neue Jahr
Bald geht's wieder los: Jetzt die guten Vorsätze fürs neue Jahr einhalten. [Foto: imago/Ulmer]
Mehr Laufarbeit, weniger Gemecker: Amateurfußballer und Buchautor Joel Grandke wirft in einer neuen Folge seiner Kolumne Amateur-Alltag auf FUSSBALL.DE einen Blick auf die guten Vorsätze, die wohl jeder Amateurkicker in Deutschland schon mal gehört hat.
Fußball-Weisheit #39: "Bei uns hat sich noch keiner ins Team gelaufen!" Da klimpert’s kräftig im Phrasenschwein. Diesen Klassiker haben schon zig übermotivierte Amateurkicker zu hören bekommen, gern mit dem Zusatz: "… schließlich sind wir hier nicht im Leichtathletikverein." Natürlich wissen wir alle, dass Fußball unweigerlich etwas mit Laufarbeit zu tun hat – auch wenn wir alle ein paar Mitspieler im Kopf haben, die regelmäßig das Gegenteil beweisen. Vor allem diejenigen Kollegen sind es dann, die mit der eingangs erwähnten Weisheit ihre unterirdische Laufleistung rechtfertigen. Es käme demnach nur auf Auge und Technik an. Wichtig mögen diese Fähigkeiten zwar sein, aber sie gleichen den 90-minütigen Bewegungsradius einer Telefonzelle leider nicht wirklich aus.
Ein Rekordläufer aus Bremen
Im Profi-Geschäft ist eine Top-Kondition absoluter Standard. Den Bundesliga-Saisonrekord in Sachen Laufarbeit hält übrigens der Bremer Maximilian Eggestein, der am 16. Spieltag gegen Leverkusen stolze 14,01 Kilometer auf dem Tacho hatte. Eine solche Pferdelunge braucht man sicherlich nicht zwangsläufig, um in der Kreisliga erfolgreich zu sein. Dort rutscht das Komma auch gern mal um eine Stelle nach links. Dennoch: Mit ausreichend Luft kommt man deutlich besser über 90 Minuten und kann am Ende vielleicht noch das entscheidende Sprintduell gewinnen. Das Problem ist nur, dass man regelmäßig joggen gehen muss, um sich diese Kondition draufzuschaffen. Und genau dafür ist Disziplin gefragt. Der gemeine Amateurkicker schiebt die harte Arbeit gern vor sich her, was genau jetzt zum Jahreswechsel spannend wird: Bei den Kreisliga-Neujahrsvorsätzen steht ein gesteigertes Lauftraining häufig auf Platz eins, aber es ergeben sich natürlich noch andere Baustellen, die ab Januar endlich angegangen werden sollen.
"Bei uns hat sich noch keiner ins Team gelaufen!"
Je früher man seine Liste an Neujahrsvorsätzen füllt, desto besser das Gewissen. So fängt ein Kreisliga-Kicker spätestens ab dem Sommer an, sich damit abzufinden, dass er in diesem Jahr keine konditionelle Verbesserung mehr erreichen wird. "Aber dafür greife ich ab Januar so richtig an!", nimmt er sich felsenfest vor. Und zack, sofort ist er mit sich im Reinen. Ausreden hat er für die restlichen Monate des Jahres ohnehin genügend parat, vom „leichten Ziehen im Oberschenkel“ bis hin zu den Joggingschuhen, die am großen Zeh immer so „unangenehme Druckschmerzen“ verursachen. Ab dem Korkenknall an Silvester soll dann aber ein neuer Wind wehen. Ja nee, ist klar. Immerhin: Er hat sich vom Weihnachtsmann tatsächlich ein neues Paar Laufschuhe unter den Baum legen lassen. Doch schon beim ersten Versuch am Neujahrsabend wird er nach 200 Metern Strecke feststellen, dass sich eine Blase am rechten Hacken zu bilden droht. Sofortiger Abbruch der Einheit, die Gesundheit geht schließlich vor! Und so nimmt der erste Neujahrsvorsatz für das darauffolgende Jahr schon Anfang Januar Form an…
Noch erfolgsversprechender ist wohl nur seine Absicht, dass die Abende vor dem Spiel in Zukunft ruhiger angegangen werden. An jedem Sonntag, an dem er sich mit explodierendem Kopf zum Sportplatz aufmacht, schwört er sich aufs Neue: „Die Sauferei muss ein für alle Mal ein Ende haben!“ Man kann auch mal einen ruhigen Abend mit der Partnerin auf dem Sofa verbringen, es muss ja nicht immer mit den Teamkollegen eskaliert werden. Die Leistungsfähigkeit am Sonntag nimmt zu und die Beziehung zuhause wird gepflegt – da schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Dabei vergisst er allerdings, dass der Kreisliga-Kicker ein Herdentier ist. Genauso wie die heimische Beziehung muss auch der Teamgeist gepflegt werden, was am besten an unbeschwerten Samstagabenden funktioniert. Dabei gilt das mathematische Gesetz: Die Team-Chemie steigt proportional zu den Promillewerten in der Runde. Somit wird auch dieses Vorhaben spätestens zu Beginn der Rückrunde bereits zu den Akten gelegt, schließlich ist man ja ein absoluter Teamplayer…
Die Verbundenheit zur Mannschaft führt uns direkt zum nächsten Vorsatz: mehr Unterstützung beim Platzdienst. Es ist in jedem Verein das Gleiche: Der Sportplatzdienst wird jede Woche von der gleichen Handvoll Leute gemacht. Vom Platzkreiden bis hin zu Reparaturarbeiten an der Bratwurstbude – wenn freiwillige Hilfe aus Reihen der Mannschaft gefragt ist, stehen immer die gleichen Spieler auf der Matte. Jeder weiß, dass es nur fair wäre, auch mal eine Stunde mehr am Sonntag für den Verein zu opfern, aber verliert am Ende doch immer den Kampf gegen die Gemütlichkeit. Genauso sieht es auch nach Mannschaftsfeiern im Vereinsheim aus: Am Abend geben 50 Mann bis tief in die Nacht Vollgas, aber beim Aufräumdienst tags darauf wischen und räumen die paar üblichen Verdächtigen den Raum allein. Der Vorsatz, diesen Kollegen mal häufiger unter die Arme zu greifen, ist längst überfällig und nur gerecht, aber auch ihm steht ein bissiger innerer Schweinehund ohne Maulkorb gegenüber, der einen nicht aus der Wohnung lassen möchte.
Es geht um Gerechtigkeit
Entscheidend ist für viele schließlich das, was am Ende auf dem Platz passiert. Auch hier gibt es viele motivationsgeladene Vorhaben für das neue Jahr. Dabei an erster Stelle: "Ich höre endlich auf zu meckern und lasse den Schiedsrichter in Ruhe!" Wir kennen alle unsere Pappenheimer, die 90 Minuten lang um die Karten betteln, indem sie jeden Pfiff des Unparteiischen kommentieren – egal, wie glasklar die Entscheidung war. Wenn der Schiri dann irgendwann genug hat und den Kollegen noch vor der Halbzeit mit einer Ampelkarte vom Platz schickt, fällt dem Sünder – wenn überhaupt – erst in der Kabine auf, dass er seiner Mannschaft gerade einen Bärendienst erwiesen hat. Es könnte eigentlich so einfach sein, die Laberei zu unterlassen, aber für den Spieler geht es dabei ums große Ganze: um Gerechtigkeit. Man lebe schließlich in einem freien Land, in dem man seine Meinung noch frei äußern dürfte. Da er sich somit für einen Freiheitskämpfer im Kostüm eines Fußballers hält, wird auch dieser Vorsatz quasi nie eingehalten.
Die Liste an guten Vorhaben könnte im Amateurfußball noch beliebig erweitert werden. Vorsätze sind leicht zu fassen, aber schwer zu halten. Spätestens, wenn man Anfang Januar seine erste Runde um den Block joggt und dabei ein kleines Steinchen im Schuh landet, wird einem bewusst, dass Disziplin halt nicht mit ein paar Raketen und Böllern erkauft werden kann. Und wenn das Steinchen noch längerfristige Schmerzen am Fuß verursacht, klappt es wohl auch nicht mit dem Platzdienst beim ersten Rückrundenspiel. Aber man kann ja auch im Jahr darauf nochmal so richtig angreifen. In diesem Sinne: Einen guten Rutsch allerseits!
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.