Arslan: Erst Klausuren, dann Champions League
Der große Bruder Tolgay (l.) trifft mit Besiktas auf den FC Bayern - Koray Arslan (l. auf Bild r.) will nach einer Verletzung ab Sommer wieder angreifen.
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Im Achtelfinale der Champions League zwischen Bayern München und Besiktas Istanbul steht auch ein Spieler, der erst in seinem Geburtsland den Sprung in die Bundesliga schaffte, ehe er in der Heimat seiner Eltern ein großer Star wurde. Die Rede ist von Tolgay Arslan, geboren in Paderborn, beim Hamburger SV zum Profi und 2016 mit Besiktas türkischer Meister geworden. Sein jüngerer Bruder Koray gilt als ebenso talentiert, doch der 20-Jährige kickte zuletzt in der Bezirksliga - die neueste Folge unserer Serie Familienbande.
Typisch Bayern hieß es in Experten- und Fankreisen, als Mitte Dezember die Runde der besten 16 in der europäischen Königsklasse ausgelost wurde. Während im Knaller Paris gegen Real zwei Titelanwärter in einer Art vorgezogenem Endspiel aufeinandertreffen, galt Besiktas für die Münchner als der vermeintlich leichteste Gegner im Topf. Vielleicht ein Trugschluss, denn RB Leipzig hat in der Gruppenphase gegen den aktuellen Tabellenvierten der SüperLig zumindest beim Auswärtsmatch in Istanbul kein Land gesehen. In Besiktas wird dann auch Koray Arslan vor Ort sein und seinen Bruder Tolgay im traditionell ohrenbetäubend lauten Vodafone Park anfeuern. „Beim Hinspiel am 20. Februar in München kann ich leider nicht dabei sein, sondern muss Klausuren schreiben“, berichtet der Jura-Student.
Geboren im südwestfälischen Paderborn, läuft Koray Arslan schon früh dem Ball hinterher. Mit vier Jahren stellt er sich bei Grün-Weiß Paderborn vor. Am Schützenplatz startet auch sein sieben Jahre älterer Bruder Tolgay seine Karriere. „Er war eher ein Spätstarter und ist erst mit neun in den Verein eingetreten. Oft haben wir auf dem Bolzplatz im Ahorn-Sportpark zusammen gekickt, ich durfte dann immer bei den Großen dabei sein“, erinnert sich Koray Arslan. „Wir hatten immer ein super Verhältnis, er war und ist halt der große Bruder. Natürlich ist er ein Vorbild für mich, er hat im Fußball das erreicht, wovon ich sicherlich zwischendurch auch mal geträumt habe.“
Probetraining bei Schalke 04
„Mein Vater hat immer gesagt, dass ich Tolgay rein spielerisch ein, zwei Schritte voraus war, aber er hatte den unbedingten Ehrgeiz, sich durchzusetzen und Profi zu werden“
Während Tolgay Arslan in der C-Jugend zu Borussia Dortmund wechselt, schließt sich Koray in der C-Jugend der DJK Mastbruch an und in der B-Jugend dem SV Lippstadt . „Mein dortiger Trainer Stefan Fröhlich war ein wichtiger Förderer für mich. Er hat gesehen, was ich fußballerisch drauf hatte, allerdings war ich körperlich noch nicht so weit, sondern klein und schmächtig“, berichtet Koray Arslan und fügt an: „Mein Vater hat immer gesagt, dass ich Tolgay rein spielerisch ein, zwei Schritte voraus war, aber er hatte den unbedingten Ehrgeiz sich durchzusetzen und Profi zu werden.“ So platzt ein Wechsel zum FC Schalke, bei dem der Techniker mit 16 zum Probetraining eingeladen wird.
Ein Jahr später verlässt er, wie zuvor Tolgay, trotzdem das heimische Nest, bei Bayer Leverkusen soll der sportliche Durchbruch gelingen. „Von meiner Familie wegzuziehen, war sehr schwer für mich, ich habe meine Mutter und meinen Vater sehr vermisst, doch ich wollte als Fußballer den nächsten Schritt gehen“, erzählt Koray Arslan. Bei Bayer kickt er unter anderem mit dem heutigen U-21-Nationalspieler Benjamin Henrichs in einer Mannschaft und hat dort den nach seinem Empfinden bisher besten Trainer: Peter Hyballa. „Obwohl ich nicht so oft spielen durfte - ich kam ja als Jungjahrgang von einem kleinen Verein -, habe ich von ihm am meisten gelernt“, sagt Koray Arslan.
À propos lernen: Koray Arslan geht durch eine harte Schule. Von seinem Vater lernen Tolgay und er früh, sich nicht auf den Fußball zu verlassen, sondern eine ordentliche Ausbildung zu machen. Koray absolviert am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium sein Abitur. „Ich bin jeden Morgen um halb sieben aufgestanden, war von 8 bis 16 Uhr in der Schule beziehungsweise hatte zwischendurch auch vormittags Training und nach dem Unterricht natürlich jeden Nachmittag wieder eine Einheit auf dem Platz“, schildert er seinen Tagesablauf.
Weil er mehr spielen will, wechselt er im zweiten A-Jugend-Jahr von Bayer zu Fortuna Köln. Nachbar Viktoria will den Mittelfeldspieler zwar auch haben, doch die Rechtsrheinischen spielen „nur“ in der Mittelrheinliga, während die Südstädter unter den Besten wie Dortmund, Schalke, Leverkusen, Köln und Mönchengladbach in der U 19-Bundesliga mitmischen.
Vorbild Pannewitz
Nach einer starken Hinrunde bei Fortuna Köln und zunächst mit der Aussicht auf einen Vertrag in der 3. Liga verpasst Koray Arslan aber auch aufgrund von Verletzungen den Sprung in den Profibereich. Nach seinem Abitur zieht er zurück zu seiner Familie und schließt sich dem Amateurklub Suryoye Paderborn an. Zunächst kickt er ein Jahr in der Landesliga, nach dem Abstieg dann in der Bezirksliga, ehe er vor dem Winter eine Zwangspause einlegen muss. „Leider musste ich mich an beiden Leisten operieren lassen, so dass ich mich erst einmal bei Suryoye abgemeldet habe“, bemerkt Koray Arslan.
Er zieht nach Osnabrück, hält sich neben dem Studium mit Reha und Individualtraining fit. Spätestens ab dem kommenden Sommer möchte er wieder angreifen, die Liga ist ihm erst einmal egal, aber: „Mein großes Vorbild ist Kevin Pannewitz von Carl Zeiss Jena. Er galt als Riesentalent und hat sogar unter Felix Magath in Wolfsburg gespielt, aber dann stark zugenommen, ehe er sich wieder zurück gekämpft hat.“
Die Champions League wird er auf jeden Fall hautnah erleben - als Fan seines Bruders auf der Tribüne in Istanbul.