Aufstieg |09.06.2018|11:00

Horst 08 II: Irrer Aufstieg in der 92. Minute

Grenzenloser Jubel in Horst nach dem Last-Minute-Tor von Thomas Sgraja (r.)[Foto: privat/Collage: FUSSBALL.DE]

Thomas Sgraja ist der jüngste Held an der Emscher. Der Außenverteidiger der Reserve des SV Horst 08, der im Beinamen auch die Bezeichnung Emscher trägt, ist normalerweise nicht für die großen Momente vor dem gegnerischen Kasten zuständig. Am Sonntag aber ist er es, der den Ruhrpott kochen lässt.

Im Entscheidungsmatch um den Aufstieg in die Bezirksliga auf dem Gladbecker Jahnplatz führt der VfB Kirchhellen bis kurz vor Schluss mit 1:0. Die Horster, in der Kreisliga A 2 Gelsenkirchen mit vier Punkten Vorsprung Meister vor Adler Feldmark, geben aber nicht auf. In der 86. Minute gleicht Benedikt Foelting die Kirchhellener Führung durch Dominik Selm (45. +1) zum 1:1 aus. Dann kommt der große Moment von Thomas Sgraja. Der Horster Abwehrkicker nimmt nach einer abgewehrten Ecke sein Herz in beide Hände und knallt den Ball aus 25 Metern aufs Tor: Die Kugel schlägt rechts oben im Winkel ein, ein Traumtor zum perfekten Zeitpunkt.

Schiedsrichter Cengiz Kabalakli pfeift 60 Sekunden nach dem 2:1 ab – und die Party der 08er kann beginnen. „Als der Ball kam, habe ich sofort gewusst: Jetzt alles oder nichts!“, schildert Thomas Sgraja die Szene um 17.49 Uhr. Danach sieht er Sterne. „Alle Spieler sind auf mich gestürzt und sogar Fans sind auf den Platz gelaufen“, erzählt Thomas Sgraja. „Ich habe es gerade so überlebt...“

„110 Jahre haben wir als Verein auf dem Buckel und jetzt haben wir uns ein Denkmal gesetzt“

Historischer Tag

Mit seinem fulminanten Treffer wäre Thomas Sgraja nicht nur ein super Kandidat für die ZDF-Torwand, sondern der Maschinenbau-Student an der Technischen Universität Dortmund hat wahrhaft Historisches geleistet: Noch nie spielte die Reserve des SV Horst 08 überkreislich. „110 Jahre haben wir als Verein auf dem Buckel und jetzt haben wir uns ein Denkmal gesetzt“, wird der Vorsitzende Randolf Rimböck in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) zitiert.

Schon ein Jahr zuvor sind die Horster dicht dran an der Bezirksliga, ehe sie das Rennen um die Kreisliga-Meisterschaft am Ende gegen Genclerbirligi Resse verlieren. „Vor dieser Saison haben uns die anderen Vereine schon zum Favoriten gekürt“, berichtet Trainer Franco Busu und meint: „Wir sind verdient Meister geworden und waren nun im Entscheidungsspiel um den Aufstieg gegen einen starken Gegner aus Kirchhellen im richtigen Moment zur Stelle.“

Nach einer Spontanfete auf dem Jahnplatz in Gladbeck ging die Party auf dem Schollbruch weiter bis in die Nacht – im Feiern sind die Horster schon erprobt. Schon am drittletzten Spieltag macht die U 23 der 08er schließlich die Meisterschaft klar. Bis zum Aufstiegs-Showdown dann den Spannungsbogen hoch halten, ist unter Kreisliga-Kickern nicht so einfach. „Ich musste die Jungs zuletzt schon noch einmal an den Ernst der Lage erinnern“, betont Franco Busu.

Doppelaufstieg

Mit dem Aufstieg der „Zwoten“ in die achte Liga hat der Klub im Schatten des FC Schalke 04 zum 110-jährigen Jubiläum glatt einen Doppelerfolg hingelegt. Denn eine Woche vor dem Unterbau schafft bereits die erste Mannschaft der 08er nach dem bitteren Abstieg vor einem Jahr nun als Landesliga-Vizemeister die sofortige Rückkehr in die sechste Spielklasse. „Es gibt in unserer Region nicht viele Vereine, deren erste Mannschaft in der Westfalenliga spielt und die zweite in der Bezirksliga“, meinte Rimböck. Alexander Thamm, mit seinem Kumpel und Ex-Schalker Jens Grembowietz Spielertrainer in der ersten Mannschaft, half sogar bei beiden Triumphen mit und stellte sich am Sonntag der Reserve als Anführer auf dem Platz zur Verfügung.

Der SV Horst-Emscher 08 hat ohnehin eine Erfolgsgeschichte hinter sich, die gerade im immer noch strukturschwachen Ruhrgebiet und gerade im armen Gelsenkirchen alles andere als selbstverständlich ist. Hinter dem alles überstrahlenden Champions-League-Starter Schalke 04 haben sich die Schwarz-Weißen als Nummer zwei in der Stadt etabliert. 26 Mannschaften sind auf der Anlage „Auf dem Schollbruch“ am Ball, darunter 20 Nachwuchsteams. Über 1.000 Mitglieder, davon über 550 Jugendliche und Kinder, treiben bei den 08ern Sport. Der eigene Unterbau ist das wichtigste Standbein der Fußballer. Als die erste Mannschaft 2014 den Durchmarsch von der Bezirks- in die Westfalenliga schafft, besteht die Hälfte der Aufsteiger aus Spielern, die aus der U 19 gekommen sind und das erste Jahr im Seniorenfußball hinter sich haben.

Thomas Sgraja ist einer der vielen Horster Jungs, die von Kindesbeinen an am Schollbruch kicken und dann nie mehr den Verein wechseln. „Ich spiele hier, seit ich sechs bin“, sagt der 22-Jährige. Immer in der Abwehr, die Mission lautet: den Gegner ausschalten und Tore verhindern. In der Kreisliga-Saison hat er einmal getroffen – Standard für ihn. Seit Sonntag, 3. Juni, aber ist Thomas Sgraja der aktuell wertvollste Goalgetter in Horst. „Ich muss mir in jedem Training anhören, wie ungefährlich ich vor dem Tor bin“, verrät er feixend. „Das ist jetzt vorbei!“