Marcel Latus: Stürmer mit Torwart-Gen
"Ich hätte am liebsten Freudensprünge gemacht": Marcel Latus pariert gegen den SV Leiferde kurz vor Schluss einen Elfmeter.[Foto: Sebastian Preuß]
Für gewöhnlich geht Marcel Latus für die Zweitvertretung des VfL Knesebeck auf Torejagd. Nachdem der ersten Mannschaft jedoch verletzungsbedingt die Torhüter ausgingen, fand sich der Stürmer plötzlichen zwischen den Pfosten wieder. Keine ungewohnte Situation für den 31-Jährigen, der das Torwart-Gen quasi in sich trägt.
Die erste Mannschaft des VfL Knesebeck verfügt eigentlich über einen breiten Kader. Auf mehr als 20 Spieler kann Trainer Detlef Weber in der Regel zurückgreifen. Einzig auf der Torwartposition ist das Team aus der Kreisliga Gifhorn recht dünn besetzt – und wird dazu auch noch von Personalsorgen heimgesucht. „Unser etatmäßiger Torhüter Lukas Peschka hat sich zu Saisonbeginn einen komplizierten Handbruch zugezogen und ist leider immer noch nicht spielfähig“, berichtet Weber vom Beginn einer echten Verletztenmisere.
Bereits der vierte Schlussmann
Da man mit Peschka als einzigem gelernten Torhüter in die Saison gestartet war, wurde kurzerhand Feldspieler Felix Garms ins Tor beordert. Als dieser sich im Oktober bei einem Zusammenstoß das Schien- und Wadenbein brach, musste der nächste Aushilfstorwart - Maik Szillat - zwischen die Pfosten. Das Verletzungspech blieb den Knesebeckern jedoch treu: Szillat, der normalerweise ebenfalls im Feld spielt, fiel kürzlich mit einem Bänderriss aus. Allmählich gingen dem Verein die Alternativen aus.
"Als ich den Elfer dann auch noch gehalten habe, hätte ich am liebsten Freudensprünge gemacht."
Doch Detlef Weber erinnerte sich an einen Spieler aus der Zweitvertretung des VfL, der bereits Erfahrungen im Tor sammeln konnte. Sein Name: Marcel Latus. Der 31-Jährige war im vergangenenJahr vom TuS Unterlüß gekommen, für den er in der Vergangenheit bereits als Torwart aufgelaufen war. „Ich stand dort vor fünf Jahren schon mal als Aushilfe im Tor“, erklärt Latus im Gespräch mit FUSSBALL.DE. „Daran konnten sie sich im Verein erinnern. Bei einem Hallenturnier hat der Trainer es dann ausprobiert und mich einfach mal ins Tor gestellt.“ Dort blieb er und wurde damit zum vierten Schlussmann in dieser Saison.
„Besonders stark im Eins-gegen-Eins“
Eigentlich als Stürmer bei der zweiten Mannschaft des Vereins gesetzt, hütet Latus nun also seit der Winterpause das Tor der Ersten. Und das äußerst erfolgreich: In fünf Spielen musste er nur fünfmal hinter sich greifen, spielte sogar einmal zu Null. Auch Weber ist voll des Lobes für seinen Schützling. „Er macht sich wirklich gut“, zeigt sich der Trainer zufrieden. „Stark ist er besonders im Eins-gegen-Eins. Solche Situationen kennt er selbst und weiß, wie man sich als Torhüter verhalten muss.“
Erst vor kurzem konnte Latus eben jene Fähigkeiten wieder unter Beweis stellen. In der Partie gegen den SV Leiferde parierte er kurz vor Schluss einen Elfmeter. Die Tatsache, dass er selbst regelmäßig vom Punkt antritt, war dabei von Vorteil. „Ich habe versucht, den Gegenspieler körperlich zu irritieren“, sagt Latus und ergänzt stolz: „Als ich den Elfer dann auch noch gehalten habe, hätte ich am liebsten Freudensprünge gemacht. Das war wahrscheinlich ein besseres Gefühl, als ihn selbst reinzumachen.“
In den Fußstapfen der verstorbenen Mutter
Sein Talent im Tor kommt dabei nicht von ungefähr. Das Torwart-Gen liegt bei ihm gewissermaßen in der Familie, wie Latus erklärt: „Ich trete quasi in die Fußstapfen meiner verstorbenen Mutter – die war früher auch Torhüterin. Ein Bruder war ebenfalls Torwart, mein anderer Bruder ist Torwarttrainer in Knesebeck. Scheinbar wurde uns das in die Wiege gelegt.“
Latus hat die Aufgabe angenommen und wird vorerst weiterhin das Knesebecker Tor hüten. „Solange sie mich hier brauchen, stelle mich ins Tor – das ist überhaupt kein Problem. Da denke ich eher im Sinne des Teamsports als an mich selbst.“ Langfristig will er sich jedoch wieder aufs Toreschießen konzentrieren, anstatt einen Konkurrenzkampf um die Nummer eins zu eröffnen. „Die Jungs in der Zweiten vermissen mich schon. Wenn Lukas wieder da ist, kann er auch gerne wieder ins Tor gehen“, sagt er lachend.