Bolzplatz: Kicken wie einst Weltmeister Özil
Beste Bedingungen: der Nachwuchs in Gelsenkirchen beim Kicken.[Foto: Heiko Buschmann]
Von solchen Verhältnissen hätte Faisal Wazir früher kaum zu träumen gewagt: ein optimaler Kunstrasen, Tore mit richtigen Netzen und beste Bälle. Was Papa nicht hatte, darf nun sein Sohn Rehan auskosten. An der Caubstraße in Gelsenkirchen-Schalke, keinen Kilometer von der Wiege des Vereins und der legendären Glückauf-Kampfbahn entfernt, hat der FC Schalke 04 in einen seiner bisher zwei Bolzplätze im Stadtgebiet errichtet.
"Ich habe hier als Kind auf Steinen gekickt", berichtet Faisal Wazir und freut sich an dem jetzigen Anblick, wo Rehan eines von etwa 30 Kindern ist, das in den Sommerferien an einem kostenlosen Bolzplatztraining des Bundesligisten teilnimmt: "Das ist wirklich eine feine Sache hier." Er ist ganz in der Nähe aufgewachsen, in seiner Kindheit gab es diesen "Käfig" an der Caubstraße ja auch schon, aber eben nicht in dem heutigen perfekten Zustand.
Ein Paradies für kickende Kids
Consolidation heißt der Ground, in Anlehnung an die gleichnamige frühere Zeche. Im Norden der Stadt, an der Schüngelbergstraße in Buer, gibt es noch den Bolzplatz Hugo, so hieß ebenfalls ein Bergwerk. In Zusammenarbeit mit der RAG-Stiftung wurden hier zwei "Käfige" aufgestellt, die für kickende Kids ein wahres Paradies sind. Insgesamt sollen es in Gelsenkirchen und der näheren Umgebung in der Emscher-Lippe Region diverse weitere Bolzplätze werden, die nächsten beiden in der Nachbarstadt Herne stehen kurz vor der Fertigstellung.
"Wir wollen in den Breitensport gehen, Kinder in Bewegung bringen und die Zusammenarbeit mit dem hiesigen Fußballkreis stärken"
Dreimal in der Woche, jeweils montags, mittwochs und freitags kommen die Kids zum Pöhlen. Es gibt zwei Gruppen, um 10 Uhr sind die jüngeren unter zehn dran, ab 11.45 Uhr dann die elf- bis 15-Jährigen. Die meisten haben – natürlich – ein S04-Trikot an. "Wir waren vom ersten Tag an ausgebucht und haben pro Training zwischen zwölf und 15 Teilnehmer", verrät Richard Weber.
Der 29-Jährige war bis vor einem Jahr noch für den ehemaligen Bundesligisten SG Wattenscheid 09 in der Regionalliga am Ball und musste nach einer Knieoperation im vergangenen Winter seine aktive Karriere beenden. Während dieser hatte er bereits an einer privaten Fernhochschule in Düsseldorf Sportmanagement studiert und ist nun auf Schalke als Projektmanager in der Abteilung Corporate Social Responsibility (CSR) angestellt. Als Co-Trainer beim Oberligisten SV Schermbeck sammelt der B-Lizenzinhaber zudem erste Erfahrungen an der Seitenlinie.
Dem Nachwuchs kann er nun seine Erfahrung aus fast 200 Einsätzen in der Regionalliga und zwei DFB-Pokal-Teilnahmen mit Rot-Weiss Essen weitergeben. "Manche Kinder waren vorher noch nicht im Verein, aber die waren nach den Einheiten auf dem Bolzplatz so begeistert, dass sie sich in einem Verein anmelden wollten", spürt Richard Weber die Freude der Kids am Fußball. "Das ist auch unser Ziel, wir wollen in den Breitensport gehen, Kinder in Bewegung bringen und die Zusammenarbeit mit dem hiesigen Fußballkreis stärken. Wenn einer dabei ist, der so gut ist, dass er für Schalke in Frage kommt, dann haben wir als Trainer natürlich ein Auge darauf. Die Geschichte 'Vom Bolzplatz in die Knappenschmiede' ist natürlich eine schöne, aber das steht nicht im Vordergrund."
Vom Bolz in die Knappenschmiede
Er selbst hat genau diesen Weg hinter sich. Der gebürtige Gelsenkirchener ist selber auf einem Bolzplatz groß geworden – und zwar an der Olgastraße in Bismarck. Der sogenannte "Affenkäfig" hat es durch Mesut Özil zu einer gewissen Bekanntheit in der Fußballszene gebracht. Ob Richard Weber, zwei Jahre jünger als der heutige Profi des FC Arsenal aus London, dort früher mit dem Weltmeister von 2014 zusammen gekickt hat, weiß er aber gar nicht mehr. "Das kann gut sein, aber wenn, dann war es eher unbewusst", meint Richard Weber. "Als Kind hat man nicht darauf geachtet, sondern wollte einfach Fußball spielen."
So wie eben Rehan Wazir und Fabrice Neuer an diesem sonnigen Montagmorgen Anfang August. Die beiden Jungs spielen in der U 11 vom Erler SV 08 . Der Landesligist, Heimatklub des früheren Nationalspielers Rüdiger "Flankengott" Abramczik, ist einer der vielen Vereine in Gelsenkirchen, die von der neuen engen Zusammenarbeit mit Schalke 04 profitieren könnten.
Das Bolzplatztraining soll schließlich keine einmalige Sache gewesen sein, sondern künftig nicht nur in den Ferien stattfinden, sondern auch wenn die Schule wieder läuft, dann natürlich nachmittags. Rehan und Fabrice können jedenfalls nicht genug vom Kicken kriegen, statt Urlaub im Süden gibt es Fußball bis zum Abwinken im heimischen Gelsenkirchen. "Wir haben in Erle zweimal die Woche Training und am Wochenende ein oder zwei Testspiele", erklärt Dennis Neuer, zusammen mit Faisal Wazir Trainer der Erler U 11 und Väter von Rehan beziehungsweise Fabrice. Zusammen mit den Bolzplatz-Einheiten ergibt das: jeden Tag Fußball, eben ein Traum für ihre Söhne.
Mädchen sind bei dem offenen Angebot des FC Schalke übrigens genauso willkommen wie Jungs. Weil das spielerische Niveau zwischen Mädels, die den Fußball erst noch für sich entdecken wollen, und Jungs, die schon im Verein kicken, aber zu unterschiedlich ist, hat Schalke einen zusätzlichen Bolzplatzkurs nur fürs weibliche Geschlecht angeboten. So ist auch für Nachschub für die gerade vollzogene Neugründung der Schalker Frauen- und Mädchenfußball-Abteilung gesorgt.
Nach 75 Minuten packen Richard Weber und Evans Ankomah-Kissi, Trainer der "Knappenschmiede" und Spieler beim Oberligisten SV Schermbeck, die Bälle und Leibchen wieder ein. Zwei Tage später sieht man sich wieder – auf einem Schalker Bolzplatz, der die Herzen von fußballbegeisterten Kids und deren Eltern höher schlägen lässt.