Engagiertes Duo |14.05.2021|14:00

Petition: "DFB kann da viel mehr erreichen"

Haben eine Petition für den Amateursport im Freien für Kinder und Jugendliche gestartet: Kevin Raue (l.) und Michael Pütz (r.). [Foto: privat/Collage FUSSBALL.DE]

Kevin Raue und Michael Pütz sind leidenschaftliche Amateurfußballer und Funktionäre. Kevin Raue ist als sportlicher Leiter und U 16-Trainer beim 1.FC 06 Erlensee aktiv, Michael Pütz ist Nachwuchsleiter beim FC Hennef 05 und für die sportlichen, wie auch organisatorischen Belange zuständig. Zusammen mit weiteren aktiven Amateursportler*innen hatten Sie bereits im April eine Petition gestartet. Worum es dabei geht, wie sie die neue DFB-Kampagne "Draußen muss drin sein" finden und wie ihre persönliche Situation zurzeit ist, erzählen sie uns im Interview.

FUSSBALL.DE: Michael Pütz und Kevin Raue, Sie haben eine Petition gestartet. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam?

Kevin Raue: In unserer Petition geht es darum, den Amateursport im Freien für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren wieder zu ermöglichen. Der Stellenwert für den Sport und gerade auch für Kinder und Jugendliche ist in der Pandemie nicht sehr hoch, sodass wir (Anm. d. Red., Vereine: TSG Wieseck, FC Hennef 05 und 1. FC 06 Erlensee) uns dazu entschlossen haben, nach der Bundesnotbremse etwas zu unternehmen. Daraufhin haben wir weitere Vereine aus Deutschland (SV 1919 Gonsenheim, Niendorfer TSV) kontaktiert und unsere Idee mitgeteilt.

Michael Pütz: Seit knapp einem Jahr können wir aufgrund behördlicher Auflagen im Kinder- und Jugendbereich kein vernünftiges Training mehr durchführen. Wir haben uns dann mit Forschungen zu dem Thema beschäftigt. Aktuelle Studien und Wissenschaftler wie Klaus Stöhr (hier geht’s zum Interview) legen nahe, dass das Ansteckungsrisiko bei 0,1 Prozent für den Sport im Freien liegt. Daraufhin haben wir uns mit ein paar Leuten aus unserem Netzwerk zusammengesetzt und die Petition gestartet.

"Es geht nicht nur um den Sport, sondern auch um die sozialen Kontakte, die dahinterstehen"

Wen wollen Sie mit der Petition erreichen?

Pütz: Die Petition richtet sich an alle (Amateur-)Sportler, die im Freien trainieren. Bei unserem Verein in Hennef haben wir beispielsweise eine Handballmannschaft, die gerne mal draußen Fußball spielt. Entsprechend wollen wir da alle Sportarten mit ins Boot holen. Da wir aus dem Fußball kommen, haben wir hierauf einen größeren Fokus.

Raue: Generell sind wir dafür, den Amateursport für alle Altersklassen wieder zu ermöglichen. Allerdings leiden die Kinder und Jugendlichen noch einmal vermehrt unter der Situation, keinen organisierten Sport durchführen zu können. Deshalb war es uns wichtig, dass alle unter 18 Jahren damit angesprochen werden, weil die Jugendlichen ab 14 Jahren komplett in Vergessenheit geraten sind. Diese haben seit Ende 2020 keine Schule und können seit Ende November 2020 keinen richtigen Vereinssport durchführen.

Wie fielen die Rückmeldungen der Amateurvereine aus?

Raue: Wir haben durchweg positive Nachrichten von den Amateurvereinen aus ganz Deutschland erhalten. Aber auch von vielen Eltern, die uns geschrieben und sich bedankt haben, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und mit der Petition Gehör finden wollen.

Pütz: Hier kann ich Kevin nur beipflichten. Es geht nicht nur um den Sport, sondern auch um die sozialen Kontakte, die dahinterstehen. Die Vereine leben zum Großteil von der Geschlossenheit, das fehlt nun schon seit einem knappen Jahr. Aus diesem Grund fühlen wir uns sehr unterstützt von allen, die an uns herangetreten sind.

 

Nun startete der DFB die Kampagne "Draußen muss drin sein". Was halten Sie davon?

Pütz: Ich finde das super, da der DFB natürlich eine viel größere Kraft entwickeln kann. Als größter Verband der Welt können hier viel mehr Menschen erreicht werden, als wir das schaffen. Natürlich haben wir das auch über die Sozialen Medien versucht und letzte Woche hat beispielsweise der WDR einen Einspieler bei uns gedreht. Wenn aber der DFB mit seiner Kampagne vorangeht, ist das noch einmal eine ganz andere Hausnummer.

Raue: Ich finde es sehr positiv, dass sich der DFB mit dieser Kampagne noch einmal vermehrt für den Amateursport einsetzt, da alle bisherigen Forderungen und Studien bezüglich des Sports leider in der Politik nicht so ernst- beziehungsweise wahrgenommen wurden.

Pütz:  Der DFB als Institution kann da viel mehr erreichen und mit wirklicher Kraft die Entscheidungsträger in der Politik ansprechen und bewegen. Das hat nochmal eine andere Wirkung.

Raue: Ich unterstütze die Kampagne des DFB zu 100 Prozent, da der Sport endlich als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems gesehen werden muss. Nachweislich gab es keinerlei Ansteckungen auf dem Platz, Sport trägt zur physischen und psychischen Gesundheit bei und die soziale Komponente ist ein weiterer wichtiger Faktor, den der Sport hier leisten kann.

Sehen Sie die DFB-Petition als Konkurrenz zu ihrer eigenen? 

Pütz: Überrumpelt waren wir nicht, wir waren eher überrascht, dass es jetzt erst passiert. Wir hätten uns das viel früher gewünscht, zumal von der DFB-Spitze auch immer wieder kritische Töne zu hören waren, dass die Kinder wieder Fußball spielen sollten. Nun also die Kampagne, die wir absolut befürworten und positiv aufnehmen.

Raue: Zunächst war ich schon etwas überrascht, allerdings gleichzeitig sehr froh, weil der DFB mit seiner Strahlkraft doch noch einmal mehr erreichen kann als eine Privatperson oder ein einzelner Verein. Daher kann man eher von einer positiven Überraschung sprechen!

Wie ist denn die aktuelle Lage in Ihren Amateurvereinen?

Pütz: Aktuell ist natürlich noch kompletter Stillstand im Training. Bei uns im Rhein-Sieg-Kreis ist die Inzidenz seit ein paar Tagen auf unter 100 gefallen. Wir hoffen dementsprechend, dass die bundeseinheitliche Notbremse aufgehoben wird und wir zumindest eingeschränkt wieder trainieren dürfen. Für die "Kleinen" wäre das klasse, da bis zu 20 Kinder wieder zusammen trainieren könnten. Für alle "Älteren" stehen wieder Kleingruppen auf dem Programm. Das ist zwar ein Anfang, aber die Jungs wollen, gerade in dem Alter, sich mit anderen messen. Nur mit Passspiel, Stabilisationsübungen und Ball hochalten ist es da nicht getan. Da wäre unser Wunsch, dass auch in dem Bereich ein normales Training mit Zweikämpfen und allem was dazugehört wieder möglich ist.

Raue: Wir trainieren seit Anfang März wieder auf dem Platz. Hierbei werden die vorgegebenen Hygienekonzepte der Verbände strikt eingehalten. Das Training erfolgt auf freiwilliger Basis und wird von allen sehr gut angenommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal einen Dank an unseren Vorstand, unsere Trainer*innen, unsere Fußballer*innen und Eltern richten, die alles sehr gut umsetzen und möglich machen.

Wir sprachen schon viel über die Kinder und Jugendlichen. Was bedeutet der Amateurfußball denn für Sie beide persönlich?

Raue: Der Amateurfußball ist für mich persönlich ein wesentlicher Bestandteil in meinem Leben. Die Jungs und Mädels in der wöchentlichen Trainingsarbeit voranzubringen und ihnen Werte für das alltägliche Leben zu vermitteln, bereitet mir sehr viel Freude. Außerdem legen wir an der Basis die Grundlage für den weiteren fußballerischen und auch beruflichen Weg der Kinder und Jugendlichen. Zurzeit vermisse ich es vor allem, mit den Jungs auf dem Platz zu stehen und ein normales Training mit der gesamten Mannschaft durchzuführen. Auch die Spiele am Wochenende oder auch das Beisammensein im Vereinsheim fehlen enorm.

Pütz: Für mich ist der Amateurfußball die absolute Basis des Fußballs. Wir müssen uns nur mal gucken, mit welchen Geldern und neuen Wettbewerben der Profifußball sich mittlerweile beschäftigt. Das ist für mich nicht der ursprüngliche Fußball. Dieser findet für mich vor allem im Amateurfußball und der Jugend statt. Ich schaue zum Beispiel lieber ein Jugendspiel an als ein Seniorenspiel. Das macht mir sehr viel Freude, gerade auch bei uns im Ort die Kinder und Jugendlichen zu sehen, die man von klein auf Aufwachsen sieht. Gerne schaue ich mir auch mal ein Bezirksligaspiel um die Ecke an. Die Leute essen eine Bratwurst, trinken ein Bier und unterstützen den lokalen Fußballverein, das finde ich schön.  

Haben Sie zum Abschluss noch eine Botschaft an die Politik?

Pütz: Hört auf die Wissenschaftler*innen die sagen, dass Sport im Freien unbedenklich ist. Es geht auch nicht darum, den Spielbetrieb wieder hochzufahren, sondern einfach Möglichkeiten zu schaffen, dass die Jungs und Mädels wieder trainieren können. Lasst die Leute im Freien Sport treiben.

Raue: Der Amateursport muss in Deutschland endlich den Stellenwert erlangen, den er verdient hat. Und für mich als Jugendtrainer ist es enorm wichtig, dass die Jugend nicht so stiefmütterlich behandelt wird, sondern ihnen Respekt und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie sind unsere Zukunft!