Bielefeld gewinnt Champions League in Reese
Großer Jubel: Arminia Bielefeld gewinnt das Walking-Football-Turnier im Shootout knapp mit 3:2.[Foto: Heiko Buschmann]
Um kurz vor 18 Uhr verwandelt Roland Wallmann den entscheidenden Elfmeter. Eigentlich ist es ein Schuss aufs leere Tor, so sind die Regeln hier. Der Ü-60-Kicker ist Walking Footballer bei Arminia Bielefeld. Beim 1. internationalen Walking-Football-Turnier am 9. Oktober setzen sich die Ostwestfalen im Finale gegen den 1. FC Nürnberg durch. 1:1 heißt es auf der Bezirkssportanlage Emscherbruch nach regulärer Spielzeit, im Shootout gewinnt der DSC mit 3:2 gegen die Franken.
Dirk "Paule" Baumann ist begeistert. "Vom herzlichen Empfang hier über die Organisation des Turniers und die Spiele selbst: Das war alles super, ein besseres Turnier haben wir bisher noch nicht erlebt!" Das edle Lob geht an Peter Colmsee und sein Team vom FV Viktoria Resse . Insgesamt 17 auswärtige Mannschaften sind dem Ruf des Ausrichters von den "Old Boys Resse" gefolgt.
Der goldene Oktober meint es an diesem Samstag auch so richtig gut mit den etwas betagteren Kickern. Als um 10.30 Uhr zum ersten Anstoß die Sonne so richtig durchkommt, ist die Laune bei allen Beteiligten prächtig. Twente Enschede, die Sportfreunde Glanerbrug und die PSV Eindhoven haben den Weg aus den Niederlanden ins Ruhrgebiet auf sich genommen, Club Brügge ist aus Belgien angereist und von den deutschen Vertretern haben der 1. FC Nürnberg und Eintracht Frankfurt die weiteste Anfahrt. Die meisten von ihnen übernachten auch gleich vor Ort, die mit Schalke befreundeten Jungs vom "Club" verbringen sogar das komplette Wochenende in Gelsenkirchen.
Ehemalige Profis mit dabei
„Das Schöne am Walking Football ist, dass man zu den anderen Mannschaften ein freundschaftliches Verhältnis hat“
Ihrem Ruf als Turnierfavorit werden die Spieler des FCN fast gerecht, nur das Endspiel geht eben verloren. "Das ist natürlich schade", ärgert sich Reiner Kraus ein wenig. Der inzwischen 65-jährige Ex-Profi spielte in den 70ern für den "Club" in der zweiten Bundesliga und holte mit seinem heutigen Walking-Football-Teamkollegen Werner Dorok 1974 die Deutsche A-Juniorenmeisterschaft. In Rudi Sturz ist für die Franken noch ein weiterer Ex-Profi (Nürnberg, St. Pauli, 1860 München) in Resse am Ball. "Wir hätten das Turnier zwar gerne gewonnen, aber es war trotzdem ein wunderbares Wochenende", resümiert Reiner Kraus.
Noch besser ist die Stimmung natürlich bei den erfolgreichen Bielefeldern. "Natürlich hat man auch in unserem Alter noch den Ehrgeiz, wenn man auf den Platz geht, das Ding auch zu gewinnen", befindet "Paule" Baumann. Aber: "Das Schöne am Walking Football ist ja, dass man zu den meisten Spielern der anderen Mannschaften ein freundschaftliches Verhältnis hat."
Freunde: Ummeln und Arminia
Die Arminen zum Beispiel sind eng verbunden mit dem VfL Ummeln. Der Klub aus einem Bielefelder Stadtteil wird hinter Bielefeld, Nürnberg, Schalke und Glanerbrug Fünfter und somit bester Amateurvertreter. "Das ist ganz gut gelaufen", meint Heiko Stange, Teamkapitän der Ummelner. "Wir haben schon einmal an einem Champions-League-Turnier teilgenommen, das war 2018 in Bremen, und damals haben wir gewonnen." Dass die Nachbarn vom DSC den Sieger- und Wanderpokal mit nach Hause nehmen durften, war für ihn okay. "Entweder wir oder die Arminia", erklärt Heiko Stange grinsend.
Keine Probleme gibt es im Emscherbruch auch zwischen zwei eigentlich stark rivalisierenden Nachbarn – gemeint sind natürlich Schalke und Borussia Dortmund. "Bei uns Walking Footballern gibt es diese Feindschaft nicht", betont Jürgen Spielhoff von den Königsblauen. "Das wichtigste Spiel haben wir aber gewonnen", wirft derweil Jörg Seveneick an. Das Derby geht mit 2:0 an die Schalker.
Trotz der Niederlage gegen S04 ist auch Cornelia Versteegh gut drauf. Die Niederländerin ist 1980 von Almelo nach Bochum gezogen und gehört zu den wenigen Frauen im Walking Football. "Ich gehe schon lange zum BVB und vor ein paar Jahren bin ich angesprochen worden, ob ich nicht beim Walking Football mitmachen möchte", berichtet die inzwischen pensionierte frühere Krankenschwester. "Es hat riesig viel Spaß gemacht, hier zu kicken. Außerdem war es sehr schön, einige Landsleute von mir zu treffen", freut sich Cornelia Versteegh über regen Austausch mit den Vertretern aus Enschede, Glanerburg und Eindhoven.
Mit Stevens in Eindhoven gespielt
Einer von ihnen hat früher sogar mit Huub Stevens zusammengespielt: Harry Lubse. Der inzwischen 70-Jährige kann sogar ein Länderspiel für die Elftal vorweisen (1975) und absolvierte von 1968 bis 1980 254 Einsätze in der Eredivisie für Eindhoven. "Huub war ein harter Hund", erzählt Harry Lubse lachend. "Schade, dass er heute nicht kommen konnte, ich hatte ihn gerne wiedergesehen."
Als um 18 Uhr das Endspiel abgepfiffen wird und anschließend die Sieger geehrt werden, kann auch Peter Colmsee durchatmen. Der Macher von Viktoria Resse hat zusammen mit einem Riesenteam von ehrenamtlichen Helfern aus dem Verein das größte Walking-Football-Turnier Deutschlands auf die Beine gestellt. "Insgesamt waren etwa 90 Leute an der Organisation beteiligt", verrät der 66-Jährige. "Vor zehn Monaten haben wir bereits angefangen, das Turnier zu planen. Wegen Corona wussten wir aber nicht, wann und unter welchen Auflagen es stattfinden konnte. Jetzt sind wir alle glücklich, dass wir solch einen schönen Tag für unsere Veranstaltung erwischt haben."
Die gesamten Einnahmen sind für die Jugendabteilung des FV Viktoria bestimmt. Etwa 600 Zuschauer legten zwei Euro Eintritt pro Kopf hin, durch den Verkauf von Bier und Würstchen sowie eine Tombola kamen weiteren wertvolle Gelder zusammen. "Jetzt können wir unsere Jugendmannschaften endlich einmal komplett ausstatten, auch das war in der Coronazeit nicht möglich", strahlt Peter Colmsee.
Nach über sieben Stunden auf dem Platz sind die nicht mehr ganz jungen Beine der Kicker etwas schwer. Doch als mit Einbruch der Dunkelheit im Emscherbruch die Players Party startet, werden aus den "Old Boys" und den anderen Walking Footballern fast schon wieder junge Hüpfer. Das nächste Turnier kommt bestimmt.