Alemannia vs. RWE: Einst im Pokalfinale 1953
90. Duell seit 1948: Traditionsduell zwischen Alemannia Aachen und Rot-Weiss Essen.[Foto: imago]
Vor dem Traditionsduell in der Regionalliga West zwischen Alemannia Aachen und Rot-Weiss Essen heute (ab 14 Uhr) könnte die Ausgangslage der beiden Ex-Bundesligisten unterschiedlicher kaum sein. Während es für RWE um die Meisterschaft und den seit vielen Jahren ersehnten Aufstieg in die 3. Liga geht, kämpft Aachen gegen den drohenden Absturz in die 5. Liga. FUSSBALL.DE macht den Faktencheck.
Die Ausgangslage: Die Gäste aus Essen verpassten es in dieser Woche, ihre gute Ausgangsposition weiter zu festigen. Im verlegten Revierderby beim Aufstiegskonkurrenten Rot-Weiß Oberhausen reichte es nur zu einem 1:1. Spätestens jetzt ist der Titelkampf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen RWE und dem SC Preußen Münster . Sollte es auch nach der Berufungsverhandlung vor dem Verbandsgericht des Westdeutschen Fußballverbandes (WDFV) dabei bleiben, dass das beim Stand von 1:1 in der 74. Minute nach einem Böllerwurf aus dem Essener Fanbereich abgebrochene Spitzenspiel zwischen RWE und Münster 2:0 für die Gäste gewertet wird, dann trennt die beiden Teams nach 31 absolvierten Begegnungen bei jeweils 70 Punkten nur noch ein Treffer. Die Tordifferenz der Münsteraner (+39) wäre in diesem Fall um ein Tor besser als die der Essener (+38), die dafür jedoch insgesamt mehr Treffer (67) erzielt haben als die Preußen (59). Alemannia Aachen belegt vor dem Klassiker gegen RWE einen Abstiegsplatz. Drei Zähler beträgt der Rückstand auf den rettenden 15. Rang. Auch wenn Aachen zwei Spiele weniger absolviert hat als einige Konkurrenten, steht der frühere UEFA-Pokalteilnehmer unter Zugzwang.
Die aktuelle Form: Für die Aachener waren die zurückliegenden Wochen eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Im gesamten März wechselten sich Siege und Niederlagen immer wieder ab. Auch nach dem wichtigen 2:0-Derbysieg beim FC Wegberg-Beeck verlor die Alemannia zuletzt wieder 0:1 gegen den SV Rödinghausen . Setzt sich dieses Muster auch im April fort, dann müsste gegen RWE wieder ein Sieg folgen. Es wäre ein enorm wichtiger Dreier im Kampf gegen den drohenden Abstieg. Auch die Essener haderten zuletzt mit der Konstanz. Von den zurückliegenden sechs Partien gewann RWE nur drei. Außerdem gab es zwei Remis und eine 0:2-Auswärtsniederlage bei Rot Weiss Ahlen . Soll es für RWE mit dem Titel und dem Aufstieg in die 3. Liga etwas werden, ist in den abschließenden Saisonwochen wieder mehr Konstanz gefragt.
Die Trainer: Bei Alemannia Aachen steht mit Fuat Kilic ein Trainer an der Seitenlinie, der einen besonderen Bezug zum Verein hat. Nachdem er bereits von 2016 bis 2020 Cheftrainer und gleichzeitig Sportlicher Leiter der Aachener war, übernahm er im Oktober 2021 erneut das Ruder. Seine Aufgabe ist klar: Der ehemalige Chefscout des 1. FC Kaiserslautern und Co-Trainer des MSV Duisburg soll den erstmaligen Absturz in die 5. Liga verhindern. Die Essener betreut seit Sommer 2020 Christian Neidhart. Der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer aus Braunschweig hatte zuvor sieben Jahre als Trainer beim SV Meppen gearbeitet. Den SVM führte Neidhart, dessen Sohn Nico Profi beim Zweitligisten Hansa Rostock ist, zunächst zum Aufstieg in die 3. Liga und etablierte den Klub dort. In Essen suchte der frühere Zweitligaprofi (68 Einsätze für den VfL Osnabrück und Eintracht Braunschweig) dann eine neue Herausforderung. Sein Ziel ist klar: Den Traditionsverein zurück in den Profibereich führen. Nach einer erfolgreichen ersten Saison (Vizemeister mit 90 Punkten hinter Borussia Dortmund II und Einzug in das Viertelfinale des DFB-Pokals) soll nun der große Wurf folgen.
Die Historie: Rot-Weiss Essen lechzt nach der Rückkehr in den Profifußball und spielt mittlerweile seit fast elf Jahren ununterbrochen in der Regionalliga West. Drittklassig (damals noch in der zweigleisigen Regionalliga) war der Klub zuletzt in der Saison 2007/2008. Der DFB-Pokalsieger von 1953 und Deutsche Meister von 1955 klopfte in den vergangenen Spielzeiten immer wieder oben an, musste sich schlussendlich aber doch mehrfach der Konkurrenz geschlagen geben. Diesmal soll es endlich klappen - die gesamte Stadt träumt vom ersten Profijahr seit dem jüngsten Abstieg aus der 2. Bundesliga im Jubiläumsjahr 2007, als die Rot-Weissen kurz zuvor noch ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert hatten.
Bei Alemannia Aachen haben die Fans vermutlich ähnliche Träume von einer Rückkehr in den Profifußball, die Realität sieht allerdings anders aus. Der Bundesligist aus den Jahren 1967 bis 1970 sowie aus der Saison 2006/2007 befindet sich in akuter Abstiegsgefahr. Bevor es für Aachen 2013 runter in die Regionalliga West ging, hatte die Alemannia neben der Zeit in der Bundesliga auch viele Jahre in der 2. Bundesliga und in der 3. Liga gespielt. Zu den größten Erfolgen zählen die DFB-Pokalfinalteilnahmen 1953 (1:2 gegen RWE) und 2004 (2:3 gegen den SV Werder Bremen). In der DFB-Pokalsaison 2003/2004 hatten die Alemannen sogar den Rekordmeister und -pokalsieger FC Bayern München 2:1 besiegt. Als Finalist qualifizierte sich Aachen erstmals in der Vereinsgeschichte für den UEFA-Pokal.
Der direkte Vergleich: Das Duell zwischen Alemannia Aachen und Rot-Weiss Essen gab es seit 1948 schon 89-mal in Pflichtspielen. Sogar in der Bundesliga standen sich die beiden Traditionsvereine in der Saison 1969/1970 gegenüber (2:0 und 0:0 aus RWE-Sicht). Besondere Erwähnung verdient das Aufeinandertreffen im DFB-Pokalfinale 1953. Vor 37.000 Fans im Düsseldorfer Rheinstadion setzte sich RWE 2:1 durch. Die Essener Torschützen waren Franz "Penny" Islacker und WM-Held Helmut "Boss" Rahn. Für die Alemannia traf der spätere Bundestrainer Jupp Derwall zum Endstand. Ähnlich viele Zuschauer*innen gab es 62 Jahre später bei einem Duell in der Regionalliga West im Aachener Tivoli-Stadion - 30.313 Besucher sahen im Februar 2015 einen 1:0-Heimerfolg der Alemannia und sorgten für eine Rekordkulisse in der 4. Liga. Bis heute gab es kein Regionalligaspiel mit einer höheren Zuschauerzahl. Insgesamt fällt die Bilanz zwischen Aachen und Essen zugunsten von RWE aus. Die Essener behielten in 42 Begegnungen die Oberhand, die Alemannia gewann 32 Spiele. Außerdem gab es 15 Remis. In der "neuen" Regionalliga West, die es seit der Saison 2012/2013 gibt, fällt der direkte Vergleich dagegen komplett ausgeglichen aus. Beide Teams holten jeweils sieben Siege. Die beiden weiteren Begegnungen endeten mit Unentschieden. Das Hinspiel gewann RWE im Oktober an der Hafenstraße dank eines späten Treffers von Abwehrspieler Felix Herzenbruch (90.+4) 2:1.
Die weiteren Regionalligen: Nach einem Beschluss des DFB-Bundestages haben die Meister der Regionalligen West und Südwest seit dem Beginn der Saison 2020/2021 jeweils ein direktes Aufstiegsrecht zur 3. Liga. Die Meister der Regionalligen Nord, Nordost und Bayern ermitteln die beiden weiteren Aufsteiger. Die Verbände haben sich dabei für ein "rollierendes System" mit wechselnden direkten Aufsteigern entschieden. In der Spielzeit 2020/2021 durfte der Nordosten einen direkten Aufsteiger stellen (FC Viktoria 1889 Berlin). In dieser Saison ist Bayern dran, in der kommenden Spielzeit 2022/2023 die Nord-Staffel. Die beiden übrigen Meister bestreiten jeweils die Aufstiegsspiele. Im Vorjahr setzte sich der TSV Havelse (Nord) gegen den 1. FC Schweinfurt 05 (Bayern) durch (zweimal 1:0). Diesmal trifft der Nord-Vertreter am 28. Mai und 4. Juni auf den Nordost-Meister. Im nächsten Jahr stehen sich dann die Titelträger der Regionalligen Nordost und Bayern gegenüber.