Otto: "Die Mannschaft gibt mir Motivation"
Henriette Otto: "Ich versuche nur, meine Mannschaft zu unterstützen".[Foto: TSV Westerode Damen/Collage FUSSBALL.DE]
Deutschlands erfolgreichste Torschützin im Oktober kommt aus einer Gemeinde der Stadt Bad Harzburg in Niedersachsen. Henriette Otto spielt seit 2018 für die Frauenmannschaft des TSV Westerode in der zweiten Kreisklasse. Mit ihrer Mannschaft erzielte die Spielerin im vergangenen Monat 20 Tore. Doch damit nicht genug. Die 21-Jährige steht außerdem für die FSG Völksen/Springe, ein Kreisligateam nahe Hannover, auf dem Platz. Dort sammelte sie drei weitere Treffer. Mit sechs Jahren begann die Spielerin bei ihren Eltern im Verein in Bad Harzburg das Fußballspielen. Im Interview mit FUSSBALL.DE sprach Otto über ihren Werdegang, ihre Ziele und ihre besonderen Fußball-Momente.
FUSSBALL.DE Sie haben in der laufenden Saison bereits 34 Tore erzielt. 20 davon sind im vergangenen Monat gefallen. War Ihnen klar, dass Sie mit der Anzahl an Treffern zu den besten Torschützinnen des Landes gehören?
Henriette Otto: Klar sind 20 Tore viel, aber ich habe nicht darüber nachgedacht, dass ich damit bundesweit zu den besten Torschützinnen gehören könnte. Ich versuche nur, meine Mannschaft zu unterstützen und da überlege ich nicht, wie viele Tore ich schieße.
Besonders im Spiel gegen den Hohegeisser SV sind insgesamt 29 Tore für Ihre Mannschaft gefallen. Sie haben 17 davon geschossen. Das entspricht einer Quote von knapp fünf Minuten pro Tor. Was war das Besondere in diesem Spiel?
"Der Erfolg mit der Mannschaft ist immer das Hauptziel"
Otto: Tore schießen macht natürlich Spaß, aber irgendwann kommt auch der Punkt, an dem man überlegt, ob man ein bisschen ruhiger spielt. Wir haben aber mit dem Team besprochen, dass wir den Wert auf das Spielerische legen. So gab es nicht nur mich, sondern viele unterschiedliche Torschützinnen. Der Wert lag mehr auf dem Spaß am Spiel als auf den Toren. So hat jede auch mal treffen können.
Sie sind aktuell mit 17 Toren Abstand die anführende Torschützin der Liga. Bekommen Sie das auch von anderen Teams zu spüren?
Otto: Im Spiel hört man immer mal Kommentare. "Blockt die zu zweit" oder "Wer passt auf die auf". Die Gegner achten also schon darauf, dass ich immer eine feste Zuordnung von Gegenspielerinnen habe.
Gibt es ein Tor, an das Sie sich besonders erinnern?
Otto: Im vergangenen Spiel gegen Arminia Adersheim habe ich drei Tore nach einer Ecke per Kopf gemacht. Ich war bisher nicht so kopfballstark, aber in dieser Saison funktioniert es mit dem Kopf besser als mit dem Fuß.
Was zeichnet Sie denn neben Ihrer neu entdeckten Kopfballstärke vor dem Tor aus?
Otto: Ich probiere immer zu schießen oder eben eine Mitspielerin zu sehen, die besser steht. Ich zögere nicht, wenn ich vor dem Tor stehe. Ich schaue natürlich, wo ich am besten hin schießen kann, aber ich versuche es auch häufiger mal aus Positionen, bei denen man vielleicht denkt, das funktioniert nicht. Häufig sind dann auch meine Mitspielerinnen da, die Abpraller nochmal aufs Tor bringen können.
Jetzt schießen Sie nicht schon immer so viele Tore. Wie kommt es, dass es derzeit so gut läuft?
Otto: Es sind schon deutlich mehr Tore als in den vergangenen Jahren. Als Kind habe ich aber auch erst als Torhüterin gespielt, bevor ich dann eher auf Positionen gespielt habe, auf denen man Tore vorbereitet. Dass ich jetzt mehr im Sturm spiele, hat sich erst in den vergangenen zwei Jahren ergeben. Meine Mannschaft trägt sehr viel dazu bei, weil sie versucht, mich anzuspielen und weil mir mein Trainer immer Mut macht. Wir haben einen starken Zusammenhalt und erleben neben dem Platz auch viel gemeinsam. Wir sitzen nach dem Training und den Spielen häufig noch zusammen. Die Herren gucken unsere Spiele, genau wie wir sie in ihren Spielen anfeuern. In der Mannschaft selbst ist der Zusammenhalt sehr groß, weshalb es so viel Spaß macht. Das alles gibt mir die Motivation, gut zu spielen.
An welche Situationen in Westerode erinnern Sie sich besonders gerne, an welche weniger?
Otto: Ein Höhepunkt war mein erstes Jahr beim TSV. Damals habe ich dort zusammen mit meiner Schwester gespielt. Gemeinsam haben wir die Liga aufgemischt, weil uns keiner so richtig auf dem Schirm hatte. Ein Tiefpunkt kam dann im vergangenen Jahr, weil wir unsere Mannschaft zur Rückrunde aufgrund von zu wenigen Spielerinnen abmelden mussten. In den sechs Monaten haben wir uns aber so verstärkt, dass wir jetzt wieder eine Mannschaft melden konnten. Wieder auf dem Platz zu stehen und mit der Mannschaft wieder spielen zu können, war ein schöner Moment.
Jetzt laufen Sie aber nicht nur für den TSV Westerode, sondern auch für die FSG Völksen/Springe in der Kreisliga auf. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Otto: Genau, der TSV ist meine zweite Mannschaft, bei der ich ein Gastspielrecht habe. Ich habe noch eine weitere Spielerlaubnis bei der FSG, weil ich durch mein duales Studium dort die meiste Zeit verbringe. In welcher Mannschaft ich wann spiele, darf ich natürlich selbst entscheiden. Ich versuche, immer möglichst viel zu spielen. In dieser Saison hat das bislang ziemlich gut funktioniert, sodass ich noch kein Spiel verpasst habe. Es kann dann schon mal vorkommen, dass ich zwei Spiele an einem Wochenende habe. Mal gucken, wie es in der Rückrunde weitergeht.
Was macht es für Sie aus, ein Teil in beiden Teams zu sein?
Otto: Die FSG Völksen/Springe spielt im 11er-System und damit automatisch Kreisliga, in der ich dann auch schon mal häufiger gefordert bin. Beim TSV Westerode liegt mir wirklich der Verein am Herzen. Und somit habe ich sowohl die spielerischen Ansprüche als auch das Drumherum. Dadurch habe ich auch in der Zukunft keine Ambitionen, den Verein wechseln zu wollen.
Mit der Torjäger*innenkanone für alle zeichnen wir die erfolgreichsten Torschützen einer Saison aus. Ist die Auszeichnung vielleicht ein Ziel für die kommenden Jahre, wenn es mit dem Toreschießen so weitergeht?
Otto: Wenn sich das mal ergibt, würde ich mich natürlich darüber freuen. Ich schaue ab und zu darauf, welche Torschützinnen wie viele Tore geschossen haben. Ich habe von meiner Mannschaft schon mal einen kleinen Pokal erhalten und der bedeutet mir am meisten, weil er unseren Zusammenhalt in der Mannschaft widerspiegelt. Das zeigt, dass wir uns als Teamkolleginnen gegenseitig wahrnehmen und uns nicht als selbstverständlich sehen. Für mich steht generell immer erstmal der Spaß im Vordergrund.
Gibt es denn ein persönliches Ziel in der laufenden Saison?
Otto: Der Erfolg mit der Mannschaft ist immer das Hauptziel. Nachdem ich aber jetzt in den ersten Spielen so viele Tore geschossen habe, ist mein Ziel, in dieser Saison die Torschützenkönigin der Liga zu werden. Die vergangenen Jahre bin ich immer knapp auf dem zweiten Platz gelandet. Aktuell habe ich gute Chancen. So lange aber die Mannschaft erfolgreich ist, bin ich zufrieden.
Mit dem TSV stehen Sie momentan auf Rang zwei und demnach nicht weit von einem möglichen Aufstieg in die erste Kreisklasse entfernt.
Otto: Nachdem wir uns im vergangenen Jahr für sechs Monate abmelden mussten, ist das Ziel für diese Saison, gut zu spielen, zusammenzuhalten, um damit auf uns aufmerksam zu machen, damit wir wieder mehr Zuwachs bekommen. Mit einem größeren Kader könnten wir dann auch wieder eine 9er-Mannschaft anstelle von einer 7er melden. Da kommen wir nämlich eigentlich her und von daher ist das unser langfristiges Ziel.