Leon Kipry: eSport-Profi und Landesligakicker
Leon Kipry: "Unter dem Begriff 'Profi' verstehe ich eigentlich nur 'Fußballprofi'".[Foto: SSV Jahn Regensburg/Collage FUSSBALL.DE]
Leon Kipry spielt beim bayrischen Landesligisten FC Amberg und ist zugleich begeisterter FIFA-Spieler. Doch für ihn ist Gaming nicht einfach nur ein Hobby. Der 19-Jährige ist nämlich parallel auch für den SSV Jahn Regensburg in der Virtual Bundesliga am Ball. Seine Geschichte ist besonders speziell: Im echten Leben war er beim Jahn bereits als Jugendspieler aktiv, musste seinen Profi-Traum jedoch früh aufgeben.
Rückschläge können sich oft im Nachhinein als positiv erweisen. So war es im Fall von Leon Kipry. Der 19-Jährige spielte in der Jugend des SSV Jahn Regensburg und träumte davon, irgendwann mal für die Zweitliga-Mannschaft aufzulaufen. Doch ein Schädelbasisbruch machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Die Profi-Karriere war vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatte. An sein großes Ziel ist er dennoch gelangt – wenn auch nicht in der realen, sondern in der virtuellen Welt. Er trägt das Jahn-Trikot in der Virtual Bundesliga. "Für mich hat sich damit ein Traum erfüllt. Es ist eine besondere Ehre, es in dem Verein geschafft zu haben, wo ich ich selber früher in der Jugend aktiv war", beschreibt Kipry im Gespräch mit Fussball.de seine Emotionen. Mitunter fühlt sich das für ihn sogar etwas unrealistisch an: "Unter dem Begriff 'Profi' verstehe ich eigentlich nur 'Fußballprofi'".
Na ja, so ein bisschen als Fußballprofi darf er sich dann doch fühlen, denn die Heimspiele finden am Kaulbachweg statt – dort, wo auch die Zweitliga-Profis ihre Trainingseinheiten absolvieren. Die Partien werden im Best-of-3-Format ausgetragen. Für jeden Sieg gibt es drei Punkte, für ein Unentschieden einen Zähler. Alle Spiele werden auf der PS5 gespielt. Jeder Spieltag beginnt mit dem Doppel (2 gegen 2). Danach geht es weiter mit den 1 gegen 1 Duellen. Wer am Ende die meisten Punkte bei den Spielen gesammelt hat, bekommt für den Spieltag 3 Punkte in der Tabelle. Bei Gleichstand gibt es für beide Teams einen Punkt.
"Du hast nicht so viel Zeit zum Überlegen"
"Damit ich nicht durchdrehe, habe ich mich vor die Konsole gesetzt und FIFA gespielt"
Betrachtet man das Pensum der Fifa-Bundesligaspieler nur oberflächlich, dann mag man es unterschätzen. Eine Partie dauert im Schnitt nur 12 bis 15 Minuten. Aber wer auch nur eine Sekunde zu früh abschaltet, zieht schnell den Kürzeren. "Im eFootball geht alles sehr schnell", verdeutlicht Kipry. "Du hast nicht so viel Zeit zum Überlegen wie im realen Fußball und musst ständig konzentriert sein."
Aktuell geht er in seine zweite Saison und hat sich längst an die Anforderungen gewöhnt. Anfangs sei er noch sehr nervös gewesen, wurde aber zunehmend routinierter: "Schon vor meinem Start in der Virtual Bundesliga hatte ich viele Einzelturniere hinter mir", erinnert sich Kipry, "aber gegen die besten Spieler aus Deutschland anzutreten, ist dann nochmal etwas ganz anderes." Das Gefühl vor Zuschauern zu zocken, sei für ihn hingegen nicht neu gewesen. Seit einiger Zeit betreibt er den eigenen Twitch-Kanal "Leonk_ttV" und streamt dort seine Partien.
Übrigens: Auch seine Teamkollegen Johannes Empl (FC Schwaig/Landesliga Bayern) und Thomas Ostermaier (SV Kranzberg/Kreisliga 2) sind im realen Fußball aktiv. Seit der aktuellen Saison betreut Empl die Mannschaft als Spielertrainer und bereitet sie punktgenau auf jeden Gegner vor. In der Analyse ist Detailarbeit gefragt: "Die Partien in der Bundesliga sind sehr eng. Da entscheiden Kleinigkeiten. Wir trainieren sehr viel, um irgendwann auch das Spielglück zu erzwingen." Regelmäßig stehen auch Testmatches gegen Spieler andere Klubs an. "Dadurch, dass wir nicht nur für uns allein spielen, können wir uns auf verschiedene Spielstile einstellen."
Fataler Unfall als Start in eFootball
Die Umstände, die zu seiner Verletzung führten, erinnern ein wenig an einen Horrorfilm. Er fuhr mit seiner Mannschaft in das Trainingslager und war heiß darauf, durchzustarten. Nach der Rückkehr passierte das Unglück: Als er mit einem Freund an der frischen Luft unterwegs war, schlug ein Blitz in einen Baum ein, der sich in unmittelbarer Nähe befand. Der Baum fiel ihm in den Rücken, durch den Schwung prallte Kipry mit voller Wucht frontal gegen ein Geländer. Die Ärzte setzten ihm im Rahmen der folgenden Behandlung zwei Implantate ein.
Kipry ließ sich jedoch nicht unterkriegen: "Ich wollte irgendwas mit Fußball machen. Damit ich nicht durchdrehe, habe ich mich vor die Konsole gesetzt und FIFA gespielt." Schon lange vorher hatte er sich eine Gaming-Ausrüstung zugelegt, diese aber selten genutzt. Er nahm an internationalen Turnieren teil und steigerte sich von Turnier zu Turnier. Auf einmal stand er unter den besten 100 Spielern der Welt. "Da habe ich gemerkt, dass es sich lohnt, anzugreifen", erinnert sich Kipry.
Zu Gute kommt ihm dabei, dass seine Familie durch und durch fußballbegeistert ist. Fast alle haben bereits im Verein Fußball gespielt. "Daher habe ich von klein auf ein Gefühl für Taktiken und Systeme"; sagt er. Sein Vater Markus ist Trainer bei der DJK Gebenbach (Bayernliga-Tabellenführer) und gibt ihm wertvolle Tipps, sowohl für das reale Feld als auch die Konsole: "Er kennt meine Spielweise in beiden Disziplinen und kann mir daher sehr gut helfen", sagt er. Während Kipry im eSport durchstartete, lief es für ihn im realen Fußball nicht ganz so glatt. Im ersten Herrenjahr kam er bei der SpVgg SV Weiden, die im Sommer den Aufstieg in die Bayernliga gelang, nur auf wenige Kurzeinsätze. "Mir fiel es schwer, wieder reinzukommen. Die Corona-Einschränkungen haben es natürlich auch nicht einfacher gemacht", erinnert er sich. Daher folgte zur aktuellen Saison der Wechsel zum FC Amberg. Der Wechsel hat sich scheinbar ausgezahlt. Er ist bei den Oberpfälzern absoluter Stammspieler.
"Ich mache mir jede Woche einen Zeitplan"
Der zeitliche Aufwand ist enorm, denn neben seinen Fußballaktivitäten macht er eine Ausbildung zum Industriekaufmann und muss sich auf seine Prüfungen vorbereiten. "Ich mache mir jede Woche einen Zeitplan. Wenn es Überschneidungen gibt, versuche ich das so schnell wie möglich zu klären." Zur Zeit befindet er sich im letzten Ausbildungsjahr und bereitet sich parallel auf seine Prüfungen vor. Dass Fußballer in beiden Bereichen auf allerhöchstem Level agieren, dürfte vor allem aufgrund der zeitlichen Belastung eher die Ausnahme bleiben.
Viele Trainer sehen es eher skeptisch, wenn der eigene Leistungsträger nebenbei noch im eFootball aktiv ist. Kipry hat dafür jedoch Verständnis. "Eine optimale Regeneration sieht anders aus. Nach Trainingseinheiten sollte man sich erholen und nicht lange Abende an der Playstation verbringen." Dennoch ist er sich sicher dass das öffentliche Interesse am eFootball in den nächsten Jahren immer stärker werden wird. "Wichtig wäre, dass man möglichst vielen Fans ermöglicht, die Spiele auch vor Ort zu verfolgen", sagt er.
Aktuell können Fans die Partien zwar nicht vor Ort, dafür regelmäßig auf "Twitch" verfolgen. Die Übertragungen sind von der VBL vorgeschrieben. Abhängig vom Gegner loggen sich meisten 20 bis 90 Fans mit ihrem Account ein und geben dabei auch Kommentare zum Spiel ab. Werden die Spiele auf dem VBL-Hauptaccount übertragen, dann erhöht sich die Zahl nochmals. Um den Sport populärer zu machen, müsse den Fans ermöglicht werden, die Mannschaften live anzufeuern. Für die Zukunft hofft Kipry darauf, dass die vorhandenen Potenziale noch stärker ausgeschöpft werden. "Das Potenzial ist deutlich höher. Man könnte aus dem Thema noch viel mehr machen als bis jetzt passiert ist" findet er "denn es gibt mittlerweile so viele Möglichkeiten den eSport nach vorne zu bringen."