Mitdiskutieren|23.09.2023|19:20

Stein: "Gemeinsam etwas auf den Weg bringen"

Wird am Amateurfußballkongress des DFB über die Zukunft des Amateurfußballs mitdiskutieren: Laura Stein.[Foto: DFB/ Privat/ Laura Stein]

Laura Stein ist eine der ausgewählten Personen, die am Amateurfußballkongress (AFK) des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) über die Zukunft des Amateurfußballs mitdiskutieren wird. Ihre Leidenschaft und Ideen für den Frauenfußball überzeugen: Mit vielen Freizeitevents und Kooperationen mit Schulen schafft sie es, immer mehr Mädchen für den Fußball zu gewinnen – und diese auch im Verein zu halten. Im Gespräch mit FUSSBALL.DE erzählt sie, warum sie so leidenschaftlich für den Frauenfußball kämpft, mit welchen Konzepten ihr Verein so viele Mädchen anwirbt und welche Erwartungen sie an den Amateurfußballkongress hat.

FUSSBALL.DE: Du hast dich beim Amateurfußballkongress beworben. Was war deine Motivation dort mitzumachen?

Laura Stein: Ich finde es vor allem interessant, weil man einfach mal über den Frauen- und Mädchenfußball spricht. Denn ich glaube, es ist einfach wichtig, die Basis mitzunehmen und zu schauen, was in den kleinen Vereinen passiert. Was machen zum Beispiel andere Vereine, um neue Mitglieder zu gewinnen? Und wie kann man sich dabei gegenseitig helfen? Warum sollte man seine guten Ideen und erfolgreichen Konzepte nicht an andere Vereine oder Verbände weitergeben? Zum Beispiel können wir unsere Erfahrungen von unseren Events teilen. Wenn wir unsere ausgearbeiteten Konzepte mit den anderen Vereinen teilen, brauchen die anderen sich nicht nochmal die Arbeit machen. Es ist sehr wichtig, dass wir uns mit den Verbänden oder den anderen Vereinen im Kreis nicht in Konkurrenz sehen, sondern wir alle gemeinsam versuchen, etwas auf den Weg zu bringen und für alle die Situation zu verbessern.

Du bist im Vorstand und Trainerin beim TuS Oeventrop. Was sind dort deine genauen Aufgaben?

"Zum EM-Finale 2022 haben wir einen Familientag gemacht – das war die erste Aktion nach Corona, die man wieder groß aufziehen konnte"

Stein: Ab dieser Saison trainiere ich unsere Mädchen in der F- und D-Jugend und mache zusätzlich noch eine Fußball-AG in Kooperation mit unserer Grundschule. Im Jugendvorstand bin ich Jugend-Geschäftsführerin und stellvertretende Geschäftsführerin für den Abteilungsvorstand.

Wie viele Mädchen- und Frauenmannschaften habt ihr insgesamt?

Stein: Wir haben sechs Mädchen- und zwei Frauen-Mannschaften. Bei den Mädchen nehmen aber nur vier Mannschaften am Spielbetrieb teil, weil die F-Mädchen leider keine Gegner bei uns im Kreis haben. Deshalb können sie leider nur trainieren. Bei den Minis, die schon mit drei Jahren anfangen, macht es noch wenig Sinn, Turniere oder Spiele zu spielen.

In deiner Bewerbung für den Amateurfußballkongress hast du verschiedene Projekte genannt, mit denen ihr den Mädchen- und Frauenfußball in eurem Verein stärkt und immer wieder neue Mitglieder gewinnt. Welche konkreten Events bietet ihr an?

Stein: Seit gut 20 Jahren bieten wir das Girls-Camp an, das hat mein Vater damals ins Leben gerufen. Das Girls-Camp ist ein fünftägiges Feriencamp in den Osterferien und für alle Mädchen im Alter von fünf bis 15 Jahren. Dieses Jahr hatten wir dabei einen Teilnehmerrekord von ungefähr 110 Mädels. Hier nehmen auch Mädchen aus anderen Vereinen teil, aber auch einige aus dem Ort, die noch keinen Fußball im Verein spielen. Dadurch konnten wir schon einige Mädels gewinnen, die daran Gefallen gefunden haben. Dann machen wir fast jedes Jahr ein Tag des Mädchenfußballs, das ist ein Schnuppertraining für Mädchen. In diesem Jahr haben wir das über den Verband an die Girls-Camp-Woche angegliedert.

Was ist euer aktuelles Projekt?

Stein: Aktuell planen wir eine Mädchenfußballwoche: Die soll von Montag bis Freitag an fünf verschiedenen Standorten mit insgesamt 35 Grundschulen stattfinden. Alle Mädchen von der ersten bis zur vierten Klasse sind hier eingeladen. Die Mädchen holen wir dann mit Bussen ab und dann machen wir eine Art Schnuppertraining mit verschiedenen Spielstationen und einem Grundschulturnier. Das wird alles über Sponsoren finanziert.

Hast du Zahlen, wie viele Mädchen sich nach den Events in eurem Verein neu angemeldet haben?

Stein: Schwierig! Ich würde schätzen, dass wir nach der Girls-Camp-Woche drei oder vier Neuanmeldungen bekommen haben. Aber das kann man nicht ganz so genau sagen. Die Mädchenfußballwoche machen wir zum ersten Mal, deshalb kann ich noch nicht genau sagen, welchen Effekt das für unseren Verein hat. Was aber auf jeden Fall einen großen Effekt hatte, war das EM-Finale der Frauen im vergangenen Jahr. Da haben wir das Finale auf Leinwand gezeigt und zu diesem Event einen Familientag gemacht. Das war die erste Aktion nach Corona, die man wieder groß aufziehen konnte. Ungefähr 350 Leute waren am Sportplatz. Nach der EM haben wir einen großen Boom verspürt: Im Mädchen- und Frauenfußball haben wir danach insgesamt 30 Neuanmeldungen bekommen. Auch während der WM haben wir wieder zwölf neue Frauen dazu gekriegt.

Was ist das Ziel dieser ganzen Events? Geht es hauptsächlich darum, neue Mädchen anzuwerben, oder sollen diese Events eher als Freizeitaktivität dienen?

Stein: Sowohl als auch. Es ist nie unser Hauptziel, Mädchen anzuwerben. Wir haben genug Mädels, um alle Mannschaften besetzen zu können. Es geht hauptsächlich darum, die Mädels, die im Verein sind, lange bei Laune zu halten und zu schauen, dass diese möglichst bis in den Seniorenbereich weiter Fußball spielen oder andere Ämter übernehmen und zum Beispiel als Trainerin weitermachen. Gerade beim Girls-Camp, wo Mädchen bis 15 Jahre mitmachen, kommt danach immer die Frage, ob sie danach nicht als Betreuerin mitmachen dürfen. Darum geht es uns auch: Mädchen möglichst lange an unseren Verein binden und ihnen auch andere Ämter übergeben. Es bringt uns nichts, wenn der Großteil wieder nach zwei Jahren aufhört. Bisher haben wir mit allen Aktionen immer gute Erfahrungen gemacht.

Warum haben viele andere Vereine Probleme, Frauen zu finden und ihre Mannschaften zu füllen? Erkennen andere Vereine das Potential des Frauenfußballs nicht?

Stein: Ich denke, dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Wir haben mittlerweile einige Vereine, bei denen der Mädchenfußball bis vor drei oder vier Jahren super funktioniert hat, aber dann hat die Person, die sich darum gekümmert hat, aufgehört – und plötzlich ist da alles zusammengebrochen. Andere Vereine hier im Kreis haben noch nie Frauenfußball angeboten und verstehen einfach nicht, was für einen Mehrwert man hat, wenn man Frauen- und Mädchenfußball anbietet. Wir haben dadurch ungefähr 150 mehr Mitglieder und dadurch auch mehr helfende Hände. Dadurch kann der Verein nur profitieren.

Was würdest du Vereinen raten, die eine Frauenfußball-Abteilung gründen wollen oder Spielerinnen suchen?

Stein: Ein Tag des Mädchenfußballs hat uns bisher immer sehr geholfen, um einfach noch ein bisschen für den Mädchenfußball zu werben. Auch bei den Kooperationen mit den Schulen – sei es eine Fußball-AG oder ein Street-Soccer-Turnier auf dem Schulhof – haben wir positive Erfahrungen gemacht. Was wir in Zukunft ausprobieren wollen, ist ein Freundinnen-Tag: Jede Spielerin bringt zwei Freundinnen mit, die nicht im Verein spielen, und die nehmen dann zusammen an einem Turnier teil. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, neue Kinder zu gewinnen.

Was sind die größten Herausforderungen?

Stein: Wir haben einen Verein bei uns in der Umgebung, der noch nie Mädchenfußball angeboten und jetzt eine Mädchenmannschaft gegründet hat. Das ist kein einfacher Schritt. Das fängt schon damit an, einen Trainer zu finden. Aber sie haben sich dann mal bei uns ein Training angeguckt und nachgefragt, wie wir das alles machen und wie das bei uns damals entstanden ist. Das steht und fällt immer mit den Leuten. Wenn man die nicht hat, dann wird es nicht funktionieren.