DFB-Pokal |30.10.2024|16:30

Ron Berlinski: "1000 Gedanken im Kopf"

Ron Berlinski: "Die Stimmung im Stadion war schon besonders".[Foto: IMAGO]

Der Traditionsklub Kickers Offenbach, der sich als einziger Viertligist für die zweite Runde im DFB-Pokal qualifiziert hatte, ist nach dem 0:2 vor ausverkauftem Haus gegen den Zweitligisten Karlsruher SC ausgeschieden. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht der neue OFC-Angreifer Ron Berlinski (30) über einen aufregenden Pokalabend, seine Saisonziele und seine Art, Fußball zu spielen.

FUSSBALL.DE: Ihr Team hatte gegen den Karlsruher SC sehr gut mitgehalten. Dennoch steht der favorisierte Zweitligisten nach dem 2:0-Sieg in der nächsten Runde. Wie sehr wurmt Sie das, Herr Berlinski?

Ron Berlinski: Für uns war deutlich mehr drin. Wir hatten die Partie in der ersten Halbzeit sehr gut im Griff, hätten durchaus auch in Führung gehen können. Wer weiß, wie sich das Spiel mit unseren Fans im Rücken dann entwickelt hätte? Zum Ende der Partie hat man allerdings die Qualität eines Zweitligisten gesehen, der aus wenig sehr viel gemacht hat.

Ihr Teamkollege Dimitrij Nazarov und auch Sie selbst hatten kurz vor der Halbzeit gute Möglichkeit zur 1:0-Führung. Wie haben Sie die Situation erlebt?

"Wir haben die positive Stimmung von außen trotz der Niederlage mit in die Kabine genommen".

Berlinski: Ich hätte definitiv mehr aus meiner Torchance machen müssen. Mir sind dabei 1000 Gedanken durch den Kopf gegangen, weil wir genau diese Nadelstiche setzen wollten. Ich wollte den Ball ins lange Eck schlenzen, so wie ich es schon einige Male in der Meisterschaft gemacht hatte. Leider hat es nicht funktioniert.

Mit 20.071 Fans war der Bieberer Berg restlos ausverkauft. Auch der ehemalige OFC-Torjäger und aktuelle DFB-Sportdirektor Rudi Völler war im Stadion. Wie sehr hat Sie die Atmosphäre beflügelt?

Berlinski: Für jeden Fußballer ist es ein Highlight, wenn man ins Stadion kommt und alle Plätze besetzt sind. Ich glaube, dass die Kulisse uns einige Prozentpunkte mehr gegeben hat, weil das für uns nicht alltäglich ist. Wir wurden von unseren Fans mit einer eindrucksvollen Choreo begrüßt. Die Stimmung im Stadion war schon besonders. Nach jedem gewonnenen Zweikampf wurde es laut und die Fans haben uns nach vorne gepeitscht. Dadurch hat man dann automatisch immer mehr im Tank.

Wie war die Stimmung nach dem Abpfiff in der OFC-Kabine?

Berlinski: Wir haben die positive Stimmung von außen trotz der Niederlage mit in die Kabine genommen. Ab jetzt richten wir den Fokus auf die Pflichtspiele in der Regionalliga Südwest, was unser Kerngeschäft ist. Wir wollen den Schwung für unser nächstes Meisterschaftsspiel beim FC-Astoria Walldorf mitnehmen.

Für Sie persönlich läuft es beim OFC nach Ihrem Wechsel vom Drittligisten Rot-Weiss Essen sehr gut. Worauf führen Sie das zurück?

Berlinski: Ich genieße und spüre beim OFC großes Vertrauen - auch in den Phasen, in denen es nicht so gut für mich lief. Es ist für jeden Spieler extrem wichtig, dass man im Kopf frei bleibt und Wertschätzung genießt, die ich bislang mit sieben Tore zurückzahlen konnte. Es macht mir großen Spaß beim OFC und wir spielen auch in der Meisterschaft eine gute Rolle.

Hat das auch etwas mit Trainer Christian Neidhart zu tun, der ebenfalls eine Essener Vergangenheit hat?

Berlinski: Christian Neidhart hatte mich damals nach Essen geholt. Ich habe dort dann aber nicht mit ihm zusammengearbeitet, weil er kurz vor dem Saisonende freigestellt worden war. Grundsätzlich ähnelt die Spielidee der Kickers der von RWE. Als mich Christian erneut anrief, musste ich deshalb auch nicht lange überlegen.

Sie sind gebürtiger Bochumer und spielen jetzt erstmals außerhalb von NRW. Wie froh sind Sie, dass Sie diesen Schritt im Sommer gemacht haben?

Berlinski: Ich bin beim SC Verl mit 26 Jahren relativ spät Profi geworden, wollte nach meiner Zeit in Essen diesen Schritt nun gehen. Die Mannschaft hat mich sehr gut aufgenommen. Für mich war alles neu. Der Trainer und der Verein sind geduldig geblieben, haben mir die Zeit zur Eingewöhnung gegeben.

Mit welcher Zielsetzung waren Sie nach Offenbach gewechselt?

Berlinski: Die Erwartungshaltung ist beim OFC im gesamten Umfeld hoch. Ich möchte mit dem Team möglichst bis zum letzten Spieltag oben mitspielen und permanenten Kontakt zur Tabellenspitze halten.

Sie waren bei Rot-Weiss Essen ein Publikumsliebling und haben sich jetzt auch beim OFC schon diesen Status erarbeitet. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Berlinski: Die Fans haben ein feines Gespür und merken, wenn ein Spieler sein Herz auf dem Platz lässt. Ich bin mir nicht zu schade, den einen oder anderen Meter mehr zu machen. Ich bin auf dem Platz eklig für den Gegner, haue immer alles raus für die Mannschaft. Das wollen die Fans sehen.

Für den OFC geht es am Sonntag beim FC-Astoria Walldorf Schlag auf Schlag weiter. Wie schwer fällt es, dann in den Ligamodus umzuswitchen?

Berlinski: Wir werden regenerieren und mit frischen Beinen in die Partie gehen. Wir müssen das DFB-Pokalspiel schnell abhaken und den Fokus auf Astoria Walldorf legen. Grundsätzlich wollen wir möglichst mit einem Dreier im Gepäck die Heimreise antreten.

Sie sind ausgebildeter Nutzfahrzeugmechatroniker. Werden Sie nach Ihrer Karriere wieder an LKWs herumschrauben

Berlinski: Nach schon zehn Jahren Berufserfahrung ist das auf jeden Fall eine Option. Aktuell möchte ich daran noch nicht denken, sondern will noch das Maximale aus meiner Fußballerlaufbahn herausholen. Ich hoffe, dass ich noch gute fünf Jahre habe, bis diese Frage auf mich zukommen wird. (lacht)