Stuhlgang, Lebensretter und Kartentricks
In unserer Serie Kurzpass Kurios berichten wir regelmäßig über die besonderen Geschichten aus dem Amateurfußball. [Foto: Imago/FUSSBALL.DE]
Der Amateurfußball hat in den vergangenen Monaten nicht mit Skurrilitäten gegeizt. Zum Jahresende blickt FUSSBALL.DE auf die Höhepunkte der Hinrunde zurück und präsentiert Euch ein Best-of der Rubrik Kurzpass Kurios.
Im ersten Teil gibt es unter anderem eine Ampelkarte in Rekordzeit, einen vergesslichen, aber kreativen Schiedsrichter und einen Torhüter, der sich durch einen Fallrückzieher zum Helden wurde.
Schiri, der hat schon Perso
Sonntag, 11:50 Uhr, in Esslingen am Neckar. Schiedsrichter Senad Jerkovic zieht sich um, in 40 Minuten soll er die Partie in der Kreisliga B zwischen dem TSV Berkheim III und dem TSV Harthausen anpfeifen. Plötzlich merkt er, dass er etwas Wichtiges vergessen hat: Pfeife und Karten. Eine Pfeife kann ihm vom Heimverein geliehen werden, nur Karten findet man keine im Sportheim. Das Spiel steht kurz vor der Absage. Doch dann hat Schiri Jerkovic eine kuriose Idee.
"Bei der Passkontrolle vor dem Spiel in der Kabine hatte ich schon gemerkt, dass ich aufs Klo muss"
„Ich habe in meine Brieftasche geschaut und gedacht: Mein Personalausweis ist grau, der kann auch als Gelbe Karte durchgehen. Und meine Bank-Karte von der Kreissparkasse nehme ich dann als Rote Karte.“ Jerkovic erklärt beiden Teams sein Vorhaben. Die Spieler stimmen sofort zu. Ein Schiri, der Persos und Bank-Karten vergibt, ist allemal besser als eine Absage.
Die Begegnung zwischen Berkheim III und Harthausen endet 1:4. Das Ergebnis wird zur Randnotiz. Das Gesprächsthema Nummer eins bei Zuschauern und Spielern ist der Schiedsrichter, der ganze sechs Mal den Personalausweis und kurz vor Schluss sogar eine Ampelkarte, also eine Perso-Bank-Karte, verteilen muss. „Ich spiele seit einigen Jahren Fußball, aber so was habe ich noch nie erlebt“, sagt Benjamin Schmid, Spielertrainer der dritten Mannschaft des TSV Berkheim. In der Kabine konnte man sich dann nicht mal richtig über die Heimniederlage ärgern. Zu groß war der Spaß an der Sache mit den Karten.
Plötzlicher Stuhlgang
Der Grund, warum Marcel Katzmann vom ESV Hönebach nach rund einer halben Stunde von seinem Trainer Frank Hauck ausgewechselt wurde, ist ungewöhnlich, aber menschlich: Plötzlicher Stuhlgang lautet der Eintrag im FUSSBALL.DE -Liveticker zur Partie bei der SG Sorga/Kathus. Klingt komisch, ist aber so.
Der 19 Jahre alte Stürmer, dem bereits nach drei Minuten die 1:0-Führung gelungen war, musste schlicht und einfach zur Toilette. "Bei der Passkontrolle vor dem Spiel in der Kabine hatte ich schon gemerkt, dass ich aufs Klo muss - aber da war keine Zeit mehr, da ging das Spiel schon los", berichtet Hönebachs Nummer neun. Beim Stand von 3:0 für den Tabellenachten ESV Hönebach gab's die Erlösung durch Coach Hauck.
Den Hype, der in den sozialen Medien um ihn entstand, ist Katzmann nicht unangenehm: "Das stört mich gar nicht, dass sich so viele Menschen über meinen 'plötzlichen Stuhlgang' so amüsieren", sagt Marcel Katzmann. "Und nein, ich war nicht krank oder so. Ich musste halt einfach mal zum Klo."
Torwart trifft per Fallrückzieher
Es gab Jens Lehmann und sein Kopfballtor zum 2:2 für Schalke 04 gegen Borussia Dortmund. Es gab Frank Rost und seinen Treffer zum 3:3 für Werder Bremen gegen Hansa Rostock. Doch was sind sie schon gegen Markus Schmitt? Der 40-Jährige vom FC Uchtelfangen hat die beiden früheren Bundesliga-Torhüter in die Tasche gesteckt.
Auch Schmitt ist Torwart, auch Schmitt hat für seine Mannschaft in letzter Minute bei einem Ausflug in den gegnerischen Strafraum den Ausgleich erzielt. Was sein Tor noch besonderer als besonders macht, ist die Art und Weise, wie es gefallen ist. Darüber werden sie in Uchtelfangen noch in vielen Jahren erzählen. Schmitt traf nämlich mit einem astreinen Fallrückzieher.
Uchtelfangen wirft beim Stand von 2:3 in der Nachspielzeit alles nach vorne. Noch einmal Freistoß. Der Schiedsrichter zeigt an: Letzte Aktion. Spielertrainer Scherer, auch schon 39, donnert den Ball in die Mitte – auf Hüfthöhe, „weil die Gegner vorher alles mit dem Kopf abgeräumt hatten“, wie er später erklärt. 21 Mann im Strafraum. Wie eine Flipperkugel prallt die Kugel von mehreren Spielern ab. „Und auf einmal sehe ich das gelbe Männchen abheben“, so Scherer. 3:3. Abpfiff. Grenzenloser Jubel. "Als ich den Ball getroffen und mich umgedreht habe", sagt der Torschütze, "wusste ich: Gerade passiert was ganz Besonderes."
Gelb-Rot in zehn Sekunden
Als klarer Außenseiter war der ESV Lokomotive Potsdam beim Aufstiegskandidaten Hansa Wittstock angetreten – mit nur einen Auswechselspieler: Robin Kasselt. Und der sollte von sich reden machen. Beim Stande von 2:2 in der Nachspielzeit bekam Kasselt von seinem Trainer Christian Rogowski das Zeichen: Fertig machen, Du kommst rein.
Die Absicht war eindeutig: Zeit schinden, irgendwie den Punktgewinn sichern. Wittstocks Fans waren natürlich wenig begeistert, nölten, brüllten, schimpften. „Als Spieler muss man da drüberstehen“, meint Holger Thoms, bis Sommer Chefcoach der Potsdamer und nun Co-Trainer. Tat sein Spieler aber nicht. Kasselt hob die Arme in die Höhe, klatschte den Zuschauern hämisch Applaus – und sah dafür die Gelbe Karte, noch ehe er das Spielfeld betreten hatte.
Zehn Sekunden später war der sportliche Arbeitstag des Einwechselspielers beendet. Nicht etwa, weil Schiedsrichter die Partie abgepfiffen hatte. Nein, weil die Hansa-Anhänger ihre Tiraden fortsetzten, hatte Kasselt, kaum auf dem Platz, seine Geste noch einmal wiederholt. Die Konsequenz: Ampelkarte. „Der Schiedsrichter konnte gar nicht anders“, so Co-Trainer Thoms gegenüber FUSSBALL.DE : „Dabei hatte ich Robin nach der Gelben Karte extra gesagt, er soll jetzt auf jeden Fall ruhig bleiben.“
Trainer als Lebensretter
Plötzlich Stille. Mit einem Mal war alles ruhig. Das machte Max Martin Angst. Denn: „Auf einem Sportplatz ist es nie ganz ruhig.“ Also rannte der Trainer des FC Viktoria Urberach los, beugte sich über seinen Spieler und erkannte sofort: Jetzt ist Erste Hilfe nötig, sonst geht es schlecht aus. Mittelfeldspieler Talmiz Butt war zuvor nach einem Kopfballduell leblos zu Boden gesunken - Butt und sein Gegenspieler waren mit den Köpfen zusammengeprallt. Nun lag er auf dem Rasenplatz in Rödermark, zuckte und verdrehte die Augen. „Es war dramatisch“, sagt Martin, Trainer des hessischen Verbandsligisten, zwei Tage nach dem Vorfall.
Martin erinnerte sich an seine Erste-Hilfe-Kurse, die er zur Voraussetzung für die Trainer-C-Lizenz und unlängst erst im Kindergarten seiner Kinder absolviert hatte. „Mir war klar, dass Talmiz seine Zunge verschluckt hatte“, sagt Martin. Der Spieler, der zu ersticken drohte, krampfte allerdings derart stark, dass Martin den Mund nicht richtig aufbekam, um an die Zunge heranzubekommen. „Er hat mir auf die Finger gebissen, es hat schon geblutet“, schildert Martin die dramatischen Momente. Da nahm er instinktiv dem Schiedsrichter-Assistenten die Fahne ab und steckte Butt den Griff zwischen die Zähne.
Martin: „Ich habe die Zunge hervorgeholt. Sofort bekam er wieder Luft.“ Durch das beherzte Eingreifen seines Trainers kam Butt mit einer Gehirnerschütterung davon. Das Spiel gegen den FV Bad Vilbel, das nach 20 Minuten fortgesetzt werden konnte, verloren die Urbacher übrigens mit 0:3. Doch das war an diesem Tag ohnehin zur Nebensache. Martin: „Das hat mich nicht mehr groß interessiert.“
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