TSV Steinbach: Vogelwild in die Rückrunde
Den Platz des TSV und den Wald, in dem die Vögel übernachten, trennen nur wenige Meter. [Foto: Sven Firmenich]
Während die Spieler des Hessenliga-Spitzenreiters aus Steinbach in die Sonne flüchten, zieht es Millionen von Schaulustigen zum Sportpark des TSV. Mit bestem Blick auf den Fußballplatz lassen sie sich jeden Nachmittag nieder. Die Fußballer des Klubs aus Haiger, die mittlerweile ins Trainingslager nach Belek in die Türkei abgereist sind, haben schon lange keinen Blick mehr für die Zaungäste. Dafür aber Touristen aus ganz Deutschland, die den Parkplatz des TSV bevölkern. Mehr als eine Million Bergfinken fliegt derzeit allabendlich nach Haiger-Steinbach in Mittelhessen und lässt sich in den Bäumen direkt neben dem Sportpark des Hessenligisten nieder. „Das ist ein Spektakel, es ist phänomenal, das zu erleben“, sagt Sven Firmenich, Pressesprecher des TSV. „Ein echtes Schauspiel. Unseren Sportplatz und den Wald trennen ja nur ein paar Meter.“
Warum die Vögel, die eigentlich in Skandinavien und im nördlichen Russland zu Hause sind, ausgerechnet in Scharen im äußersten Westen des Lahn-Dill-Kreises überwintern, weiß niemand so genau. Offenbar, weil sie im benachbarten Westerwald und im Taunus genügend Futter finden. Von Haiger-Steinbach aus machen sie sich jeden Morgen auf den Weg. „Mittlerweile sind es so viele, dass der Einflug zum Schlafplatz länger als eine Stunde dauert“, sagte Maik Sommerhage, Vogelkundler vom Naturschutzbund (Nabu) Hessen, dem Hessischen Rundfunk. „Im November waren es rund 15.000, Anfang Januar schon 100.000, aber jetzt sind es weit über eine Million.“
„Ich hoffe, dass sie bis dahin weitergezogen sind. Die werden ja auch irgendwann wieder nach Hause wollen“
Chaos auf dem Parkplatz
Schon immer überwinterten Bergfinken in dem 800 Einwohner zählenden Stadtteil von Haiger. „Aber so viele wie in diesem Jahr waren es noch nie“, sagt TSV-Pressesprecher Firmenich. Das Naturschauspiel stellt den Fußball-Klub vor ungeahnte Probleme. Rund 500 Besucher kommen am Wochenende zum Sportplatz des TSV. Aber nicht, um Fußball zu schauen, sondern um die Vögel zu sehen. „Es ist alles zugeparkt, es herrscht jede Menge Chaos“, sagt Firmenich. Die Spieler finden zeitweise keinen Parkplatz mehr. Und vom Naturschutzbund sind die Hessen gebeten worden, das Flutlicht nicht vor 18 Uhr einzuschalten, um den Vogelflug nicht zu stören. „Das lässt sich immer so regeln“, ist Firmenich optimistisch.
Allerdings startet der souveräne Tabellenführer der Hessenliga in zwei Wochen mit dem Spitzenspiel gegen den Dritten TSV Lehnerz zu Hause in die Rückrunde. „Wir gehen von Chaos aus“, meint Firmenich. Auch wenn das Spiel schon um 14.30 Uhr angepfiffen wird und die Vögel eigentlich erst zwei Stunden später einfliegen. „Ich hoffe, dass sie bis dahin weitergezogen sind. Die werden ja auch irgendwann wieder nach Hause wollen“, sagt Firmenich.
Vogelfreunde, die am Wochenende zu früh am Sportplatz aufschlagen und noch Stunden auf die Tiere warten müssen, hätten zum Zeitvertreib schon mal ein Jugendturnier des TSV besucht. Ansonsten will der Verein nicht vom Spektakel in der Nachbarschaft profitieren. „Wir wollen das nicht ausnutzen“, sagt Firmenich. Den Imbisswagen stellt am Wochenende nicht der Klub, sondern ein örtlicher Unternehmer auf.
Mit 16 Siegen und drei Unentschieden aus 20 Saisonspielen liegen die Steinbacher klar auf Kurs Aufstieg. Sie haben bereits 14 Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten Bayern Alzenau. Dem Aufsteiger aus der Verbandsliga könnte also glatt der Durchmarsch in die Regionalliga gelingen. Oder, um im Bild zu bleiben: der Direktflug in die nächsthöhere Klasse.