Keine Punkte, keine Kohle: Lurup leidet
Die Spieler des SV Lurup können gar nicht mehr hinsehen. [Foto: Hanno Bode]
Der SV Lurup wartet auch nach dem zehnten Spieltag der Oberliga Hamburg auf den ersten Punktgewinn. Dass der Aufsteiger die rote Laterne in dieser Serie noch abgeben wird, erscheint unwahrscheinlich. Dem Klub stehen nach dem Rückzug seines langjährigen Sponsors keine finanziellen Mittel für eine konkurrenzfähige Mannschaft zur Verfügung. Das junge Team hat maximal Bezirksliga-Niveau, trägt die wöchentlichen Demontagen aber mit bewundernswerter Fassung.
"Es harmoniert im Moment nicht. Das war heute unterste Kreisklasse"
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott bekanntlich nicht zu sorgen. Und so werden die Akteure des SV Lurup in ihrer Auswärtspartie beim HSV Barmbek-Uhlenhorst von der ersten Sekunde an mit Häme überschüttet. „Hei, hei, hei“, hallt es zunächst bei jedem gelungenen Pass eines Gästespielers aus dem Fanblock der Hausherren. Bald verstummen die Rufe. Denn häufig sind die hoffnungslos überforderten Luruper auch in ihrer zehnten Partie der Oberliga Hamburg nicht am Ball. Das punktlose Tabellenschlusslicht ist für den noch ungeschlagenen Spitzenreiter und Verbandspokalsieger lediglich ein besserer Trainingspartner. Am Ende schlägt die nächste deprimierende Niederlage für den Aufsteiger zu Buche. Sie fällt mit 0:8 sogar noch glimpflich aus. BU hatte Chancen für 20 Treffer.
„Es harmoniert im Moment nicht. Das war heute unterste Kreisklasse“, schimpft SVL-Coach Norman Köhlitz nach dem Desaster. Der 41-Jährige ist eine Art Konkursverwalter. Der B-Lizenz-Inhaber hat beim Traditionsklub, der 1984 an das Tor zur zweiten Liga klopfte, das Amt von Berkan Algan übernommen. Der Ex-Profi, Manager Andreas Klobedanz und das komplette Aufstiegsteam verließen den Landesliga-Meister, nachdem der langjährige Sponsor den Geldhahn zugedreht hatte. Ein Rückzug aus der Oberliga kam für den Verein dennoch nicht infrage. Köhlitz, zuvor Jugendkoordinator des SVL, bekam mit Slawomir Majer, vormals Übungsleiter der dritten Luruper Mannschaft, die Aufgabe übertragen, ein neues Team zusammenzusuchen.
Das Trainer-Duo hatte potenziellen Neuzugängen mit Ausnahme der Perspektive, in der Oberliga zu spielen, nichts zu bieten. Nicht einmal einen Tankgutschein oder eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Von der bei anderen Hamburger Fünftligisten üblichen Aufwandsentschädigung ganz zu schweigen. Namhafte und gestandene Akteure ließen sich dementsprechend bei den diversen Castings vor Saisonbeginn nicht blicken. Köhlitz und Majer setzten aus der Not heraus auf Spieler aus dem eigenen Kreisliga-Team sowie einige zuvor ebenfalls unterklassig aktive Kicker. „Wir werden am Ende über dem Strich stehen“, meinte der Chefcoach dennoch trotzig. Die Konkurrenz und die Fachpresse wollten diese Einschätzung nicht teilen. Das Sport Mikrofon etwa nannte Lurup „die Mutter aller Abstiegskandidaten“.
Frohen Mutes und wohl auch reichlich blauäugig ging der Aufsteiger die Mission Klassenerhalt an. Nach zehn absolvierten Spieltagen muss festgestellt werden: sie ist ein Himmelfahrtskommando. „Würden sie taktisch cleverer spielen, könnten sie ihre Niederlagen zumindest in Grenzen halten“, glaubt Torsten Henke, Trainer des SV Curslack-Neuengamme. Die Vierländer haben in der neunten Runde mit 10:1 beim SVL gewonnen.
Was Henke meint, ist in Lurups Duell mit Barmbek-Uhlenhorst vorzüglich zu beobachten. Obgleich es dem Aufsteiger an Erfahrung und Klasse mangelt, versucht er, die Dinge spielerisch zu lösen. Haarsträubende Fehlpässe in der Vorwärtsbewegung sowie daraus resultierende Gegentreffer sind die Folge. Hinzu kommen andere Pannen. Gegen BU überwindet Verteidiger Khaled Belkhodja seinen eigenen Keeper Michael Glamann nach sechs Minuten zum 0:1. „Eigentore sind schön, Eigentore sind schön“, singen Barmbeks Fans. Wer den Schaden hat...
Wird der SV Lurup Geschichte schreiben?
All der Hohn und Spott sowie sieben weitere Gegentreffer können Lurups Youngster nicht aus der Fassung bringen. Es wird während der Partie kein böses Wort untereinander gewechselt. Auch führt der Frust nicht zu überharter Spielweise. „Wovor ich wirklich den Hut ziehe, ist die Fairness des Gegners“, lobt BU-Coach Frank Pieper von Valtier den anständigen Aufsteiger.
Dieser könnte ungewollt Geschichte schreiben. Es erscheint in Anbetracht der bisherigen Auftritte nicht ausgeschlossen, dass der SVL als erster Verein in der Historie der Hamburger Oberliga die Saison ohne einen einzigen Zähler beendet. „Wir stehen das Ding durch. Wir wollen zeigen, dass es auch ohne Geld geht – nur mit Zusammenhalt“, gibt sich Köhlitz kämpferisch. „Wenn man Fußball spielt, sollte man das Herz dafür haben. Sonst sollte man sich eine andere Sportart suchen. Klar ist es schmerzhaft, solche krassen Niederlagen einzustecken. Aber wir halten immer wieder eine Wange hin“, sagt Eigentorschütze Belkhodja trotzig. Würde der Hamburger Fußball-Verband eine Tapferkeitsmedaille verleihen, sie wäre dem chancenlosen Aufsteiger sicher. Ein paar Herzen hat „die Mutter aller Abstiegskandidaten“ immerhin bereits erobert. „Kämpfen Lurup, kämpfen!“, hallt es am Ende aus dem Barmbeker Fanblock.