Bestmarke |11.07.2016|12:00

Nur ein Gegentor! Azadi hat die beste Abwehr

Eine Saison fast ohne Gegentor: der SV AZADI Hameln und Torwart Haji Fakhro. [Foto: Fotos Jensen; Collage FUSSBALL.DE]

Ein altes Sprichwort besagt: Offensive gewinnt Spiele, Defensive gewinnt Titel. Ein Blick in die vergangene Saison beweist, wie viel Wahrheit dahinter steckt: Der FC Bayern München hatte mit nur 17 Gegentreffern den besten Wert und wurde Deutscher Meister. In Italien ließ Juventus Turin 20 Gegentreffer zu. Es war der beste Wert der Serie A und brachte die Meisterschaft ein. In Frankreich kassierte Paris Saint-Germain nur 20 Gegentore. Auch dort führte der beste Wert zur Meisterschaft.

Im Schnitt gab es für die genannten Mannschaften etwa jedes zweite Spiel ein Gegentor. Kein Witz: Verglichen mit dem SV AZADI Hameln aus Niedersachsen sind Bayern, Paris und Juve echte Schießbuden. Der Verein aus der 3. Kreisklasse Hameln-Pyrmont Staffel 1 hat die beste Abwehr in ganz Deutschland. Innerhalb von 14 Saisonspielen gab es nur ein Gegentor - und selbst darüber haben sich Trainer und Spieler noch geärgert.

Trainer Kerem Izer ist stolz auf das Defensivverhalten seiner Mannschaft. Es liegt ihm allerdings fern, den Torwart oder die Abwehr hervorzuheben. „Wir haben als Mannschaft nur ein Gegentor kassiert. Alle haben stark mitverteidigt. Wir bleiben aber immer fair, führen die Fairness-Tabelle an und hatten nur einen Platzverweis“, sagt der Übungsleiter. Dass Torwart Haji Fakhro eine besondere Qualität mitbringt, steht außer Frage. Doch damit ist er nicht alleine. „Viele unserer Spieler müssten eigentlich höherklassig spielen, haben das teilweise auch schon getan. Aber wir sind ein kurdischer Verein, alle sind miteinander befreundet. Daher bleiben wir immer zusammen“, so der Trainer.

Vorbild aus Schweden

"Wir haben uns über das Gegentor geärgert - unser Torwart sogar noch Wochen später"

Der SV AZADI Hameln, der erst seit 2014 am Ligabetrieb teilnimmt, ist ein kurdischer Verein. Übersetzt bedeutet Azadi soviel wie Freiheit. Toleranz spielt für den Klub eine große Rolle. Dass Fußballspieler aller Nationen bei ihnen herzlich willkommen sind, ist eine Selbstverständlichkeit für die Fußballer aus Niedersachsen. Gemeinsam haben sie die 109 Tore (bester Wert der Liga) bejubelt. Gemeinsam haben sie sich aber auch über das eine Gegentor geärgert. Es geschah gegen den WTW Wallensen II. Ein Freistoß wurde Richtung Tor geschossen. Der Torwart schien sicher zuzupacken. Doch rutschte Fakhro das runde Leder irgendwie durch die Hände. Der Gegner musste den Ball lediglich noch über die Linie schieben.

Plötzlich führte Hameln „nur noch“ mit 5:1. Logisch, dass die Stürmer dann noch einmal richtig aufdrehten. Der 10:1-Sieg konnte ich sehen lassen. „Trotzdem haben wir uns über das Gegentor geärgert - unser Torwart sogar noch Wochen später“, sagt Izer grinsend. Der Erfolg der Mannschaft ist umso beachtlicher, berücksichtigt man die schlechten Trainingsbedingungen. Der Trainer erklärt: „Wir trainieren zweimal die Woche. Jedes Mal haben wir Probleme, kommen nicht in die Kabinen hinein und müssen uns draußen umziehen. In den Wintermonaten können wir gar nicht trainieren, weil uns keine geeignete Trainingsstätte zur Verfügung gestellt wird.” Kommende Saison spielt der kurdische Verein eine Liga höher. Viele weitere Aufstiege sind geplant. Zumindest in der Kreisliga wollen sie irgendwann mitmischen. Vielleicht sogar noch höher?

Der ehemalige Klubchef Alif Celik erklärte einmal, der schwedische Verein Dalkurd FF sei eine Art Vorbild. Auch hier handelt es sich um einen kurdischen Fußballverein. Obwohl erst 2004 gegründet, sind die Fußballer aus dem Zentrum von Schweden nun bereits in die zweithöchste Spielklasse aufgestiegen. Zugegeben: Es ist schwer vorstellbar, dass der SV AZADI Hameln in einigen Jahren in der 2. Bundesliga mitmischt und gegen den 1. FC Kaiserslautern oder den FC St. Pauli spielt. Wobei: Mit dieser Abwehr ist alles möglich.