3:4! Lippstadt gegen Bayern vor der Sensation
Philipp Lahm und Carlo Ancelotti hatten in Karl-Heinz Rummenigges Heimatstadt Lippstadt mehr Mühe als gedacht. [Foto: Fotos Getty Images, Collage FUSSBALL.DE]
Auch weit nach Schlusspfiff tummelten sich zahlreiche Spieler des SV Lippstadt 08 noch auf dem Rasen des Stadions Am Bruchbaum. Zu aufgewühlt waren sie, um nach dem 3:4 (0:3) gegen den FC Bayern München schon duschen zu gehen. Zu euphorisiert, um nach den 90 Minuten schnell zur Normalität überzugehen. Mittendrin: Paolo Maiella. Der Lippstädter Nachwuchsstürmer aus Warstein hatte in der 88. Minute das dritte Tor für seine Elf erzielt und den großen FC Bayern mit seinem satten Schuss aus 16 Metern an den Rand einer Niederlage gebracht. „Drei Tore gegen den Deutschen Meister macht auch nicht jeder. 3:4 – darauf sind wir sehr stolz“, sagte Paolo Maiella im Gespräch mit FUSSBALL.DE.
Die Nummer 13 des Fünftligisten war erst im Sommer aus der eigenen A-Jugend in die erste Mannschaft aufgerückt. Schon in den beiden Testspielen gegen den Landesligisten Hövelhofer SV (6:0) und den Regionalliga-Aufsteiger TSG Sprockhövel (1:1) hatte sich der kleine Angreifer empfohlen. Gegen die Bayern schickte SV-Trainer Stefan Fröhlich ihn kurz nach dem Seitenwechsel aufs Feld. Dank seines Treffers hat Maiella nun nicht nur in den Annalen des SV Lippstadt 08 seinen festen Platz, auch in der Historie des deutschen Rekordmeisters spielt er nun eine klitzekleine Rolle.
Dass der Sohn italienischer Eltern, selbst ein Fan von Real Madrid und Cristiano Ronaldo, ihm das Leben so schwer machen würde, hätte Carlo Ancelotti vor seinem Debüt als Bayern-Trainer wohl nicht gedacht. Kurz vor dem Anpfiff hatte der 18-Jährige den italienischen Star-Coach in dessen Muttersprache angesprochen. „Als italienischem Trainer habe ich ihm viel Glück und Erfolg für diese Saison und für seine Zeit bei Bayern gewünscht“, berichtete Maiella. Der 57 Jahre alte Mann von Welt wünschte dem höflichen Gegner seinerseits viel Glück. „Und er meinte, dass man sich vielleicht mal wiedersehe“, so Maiella. Als Einladung zum Probetraining wollte das Lippstädter Talent das allerdings nicht verstanden wissen.
Hype in Ostwestfalen
"Ich glaube, die Burschen, die in der zweiten Halbzeit reinrotiert sind, haben sich ein bisschen erschrocken, dass die Lippstädter auch nicht so schlecht Fußball gespielt haben"
Die Euphorie in Ostwestfalen war bereits im Vorfeld riesig gewesen. Mehr als 30.000 Karten hätten die Lippstädter verkaufen können. Die letztlich 8.500 Tickets waren innerhalb von 71 Minuten nach Vorverkaufsstart vergriffen. Zu verdanken hatten die Lippstädter das bereits sechste Gastspiel der Bayern in der 66.500-Einwohner-Stadt ihrem ehemaligen Spieler Karl-Heinz Rummenigge , den in seinem Geburtsort fast alle nur „Kalla“ nennen. Der Bayern-Boss hatte die Partie zu seinem 60. Geburtstag am 25. September 2015 von seinen Vorstandskollegen geschenkt bekommen. Am Samstag in der Pause trug sich Rummenigge nicht nur in das Goldene Buch der Stadt ein, sondern überreichte auch zwei Schecks in Höhe von jeweils 40.000 Euro. Der Erlös der Begegnung kommt zu gleichen Teilen der Flüchtlingshilfe der Stadt Lippstadt und dem Verein zugute. „Ich wollte Danke sagen für eine schöne Jugend hier und eine schöne Ausbildung als Fußballer. Das haben sie verdient hier“, meinte Rummenigge gutgelaunt.
Sein Lob galt den Organisatoren: „Sie haben das großartig gemacht.“ Mit Ancelotti hatte er vor dessen Debüt zunächst ein wenig Landeskunde betreiben müssen. „Ich habe ihm erstmal erklärt, wo Lippstadt liegt. Das war aus deutsch-italienischer Sicht gar nicht so einfach“, erzählte Rummenigge. Allerdings verschwieg der Bayern-Boss seinem neuen Trainer, dass vor acht Jahren auch Jürgen Klinsmann sein Debüt auf der Münchner Bank in Lippstadt gefeiert hatte. Klinsmann hielt sich bekanntlich nicht allzu lange als Bayern-Coach.
Robben abermals verletzt
Auf dem Platz hatte sich nach einer Schweigeminute für die Opfer von Nizza und in der Türkei ein munteres Spiel entwickelt, in dem die Bayern durch Julian Green (9. Minute) in Führung gegangen waren. Arjen Robben (16.) und Franck Ribéry (33.) erhöhten zur Pausenführung. Lippstadt hielt dennoch gut mit und kam zu Chancen durch Björn Traufetter (5.) und Benjamin Kolodzig (28.), der FCB-Schlussmann Sven Ulreich zu einer Glanztat zwang. Die zweite Hälfte begann mit einem Eigentor von Marvin Joswig (49.), dann schlug die Stunde der Gastgeber. Während die Bayern durch zahlreiche Wechsel etwas Spannung einbüßten, schnupperte der SV gegen die junge Bayern-Elf durch Treffer von Marcel Rump (51.), Stefan Parensen (57.) und Maiella (88.) an der Sensation.
Rummenigge lobte anschließend die starke Gegenwehr des Fünftligisten. „Ich glaube, die Burschen, die in der zweiten Halbzeit reinrotiert sind, haben sich ein bisschen erschrocken, dass die Lippstädter auch nicht so schlecht Fußball gespielt haben. Das war vor 40 Jahren nicht viel anders“, sagte Rummenigge grinsend mit Blick auf sein Ablösespiel im Dezember 1974. „Die zweite Halbzeit haben wir gewonnen“, sagte Lippstadts Coach Stefan Fröhlich zufrieden.
Einziger Wermutstropfen bei dem Fußballfest in der ostwestfälischen Provinz: die Verletzung von Arjen Robben, der nach 35 Minuten mit Leistenproblemen vom Platz musste. „Dass Robben sich verletzt hat, ist schon sehr schade“, meinte auch Youngster Maiella mitfühlend. „Schließlich müssen wir alle für die Saison fit sein – die Bayern für die Bundesliga genauso wie wir für die Oberliga.“